Seeheim-Jugenheim

Die Laudatio zum 125-jährigen Jubiläum hielt Seeheim-Jugenheims ehemaliger Bürgermeister Robert Müller. Foto: soe
06. März 2017 

125 Jahre Feuerwehr Jugenheim: Erfolgsgeschichte der freiwilligen Hilfe vom Ledereimer- bis zum Löschzugeinsatz

Landrat Klaus Peter Schellhaas und Altbürgermeister Robert Müller sowie weitere prominente Redner

SEEHEIM-JUGENHEIM, März 2017 (pem), „Wohltätig ist des Feuers Macht bezähmt, behütet und bewacht. Furchtbar wird die Himmelskraft, wenn sie der Fesseln sich entraff!“ heißt es in Schillers Lied von der Glocke. Robert Müller zitierte die Verse, um das Doppelwesen zu verdeutlichen, das der elementareren Urgewalt eigen ist, mit der sich das alltägliche Leben der Menschheit seit ca. 12000 v. Chr. verbindet.

Als persönliche Ehre empfand es der Altbürgermeister beim Kommers der Freiwilligen Feuerwehr Jugenheim die Laudatio auf deren 125-jähriges Bestehen halten zu dürfen. In dem historischen Rückblick berichtete er, wie Landgraf Georg mit dem Erlass einer „Feuerordnung“ ab 1867 die (männliche) Bevölkerung zu Brandschutz und -bekämpfung verpflichtete. Umso bemerkenswerter sei es, dass der Einsatz „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“ sich auf der Basis der Freiwilligkeit entwickelte. Die Idee zur Selbsthilfe fiel in Jugenheim auf fruchtbaren Boden, denn der Ort verfügte bereits über ein bestens funktionstüchtiges Hydrantennetz.

54 Bürger folgten dem Aufruf der Männer der ersten Stunde aus den Familien Roos, Gernet, Illig und Burkhardt, um am 19. Januar 1892 einen Verein zu gründen. „Gerade heute in einer Zeit, da Hilfsbereitschaft nicht mehr den Stellenwert früherer Tage besitzt, ist es keine Selbstverständlichkeit, sondern verdient Dank und höchste Anerkennung“, betonte der Laudator nachdrücklich.
„Mit der Bereitschaft, sich jeden Tag des Jahres zu jeder Uhrzeit zur Sicherheit der Allgemeinheit zur Verfügung zu halten und ohne eine Gegenleistung zu erwarten sich sogar lebensbedrohlichen Gefahren auszusetzen, stellt eine ebenso unverzichtbare wie wertvolle gesellschaftspolitische Leistung dar.“

Robert Müller führte aus, wie stark die individuellen Belastungen und Einschränkungen des Privatlebens eines Feuerwehrmannes/frau ständig steigen: Das sich ständig erweiternde Aufgabenfeld beim Retten und Bergen sowie der rasche technische Fortschritt der Geräte erhöhe die Notwendigkeit zur ständigen Schulung sowie den Übungszeitaufwand. Ein differenziertes Praxisbild des Kompetenzbedarfs der Wehrleute entwarf Gemeindebrandinspektor Stefan Kratzer. Mit besonderem Lob bedachte Robert Müller die 1970 begonnene, rege Jugendarbeit der Jugenheimer Wehr.

Damit gelinge es, durch den Nachwuchs den Zukunftsbestand des Vereins zu sichern, vor allem aber die Motivation und innere Überzeugung in die nächste Generation weiter zu tragen. Als vorbildlich bezeichnete Kreisbrandinspektor Ralph Stühling, wie im Rahmen der Ausbildung bei Jungen und Mädchen die Begeisterung für die Auseinandersetzung mit technischem Gerät geweckt und ausgebaut wird.
Das Angebot an Freizeitaktivitäten außerhalb des Trainings ergänzt das positive Erleben von Gemeinschaft und fördert zusätzlich soziale Kompetenzen. Die glückende Motivation sei die beste Basis für dauerhaftes Engagement. Teamgeist und Zusammenhalt seinen ein Garant für die erfolgreiche Einsatzstärke, fügte Landrat Klaus Peter Schellhaas in seiner Grußbotschaft an. Er ermunterte die aktiven Mitglieder: „Geht raus mit stolzer Brust und sagt den Leuten, dass es ein wertvolles Ehrenamt ist!“

In unterschiedlicher Gewichtung gingen die weiteren Überbringer von Grußbotschaften auf die Schwerpunkte der Würdigung der Laudatio ein. Bürgermeister Olaf Kühn bekräftigte, dass die Gemeinde die Arbeit der Wehr zu schätzen wisse und zu unterstützen suche. Er erinnerte ebenfalls an den umfassenden Willen zum Dienst am Nächsten, den die Freiwilligen durch die Mitwirkung bei der Unterbringung der Flüchtlinge einmal mehr demonstriert hätten. Daher fühle man sich stets zur Bereitstellung finanzieller Mittel selbst bei Haushaltsengpässen verpflichtet.

Dem „Glück auf“ für die Zukunft, dem tief empfundenen Dank sowie der Würdigung der Verdienste schlossen sich Vertreter der Parteien, AWO und der evangelischen Kirche an. Kai Speckhardt, stellvertretender 1. Vorsitzende und stellv. Wehrführer, illustrierte die Chronik der Jugenheimer Wehr vom Ledereimer- bis zum Löschzugeinsatz. Schon im Sommer 1891 rückte die Mannschaft aus, um ein Feuer in den Schlafgemächern des Schloss Heiligenberg zu bekämpfen.

Üblich waren in den Anfängen zwei bis fünf Einsätze. Im Rekordjahr 2012 verzeichnet die Stastistik 108! Die tatkräftige Hilfe bezog sich vielfach auf die Beseitigung von Unwetterschäden. Unvergessen ist die Entsendung von Wehrleuten in die Flutkatastrophengebiete in den Osten Deutschlands. 1896 erfüllte der Bau eines ersten Spritzenhauses die Kammeraden mit Stolz. 1903 trug die Wehr bei mit einem Fackelzug zu den Feierlichkeiten der Hochzeit von Prinzessin Alice auf Schloss Heiligenberg. Der zweite Weltkrieg forderte auch der Wehr viel ab. Im Dezember 1942 hatten Brandbombenabwürfe 22 Feuer entfacht. Die vom Wiederaufbau geprägten Nachkriegsjahre bedeuteten die kontinuierliche Aufrüstung mit technischem Gerät, besonders die Anschaffung neuer Fahrzeuge.
Mit der Zeit begann sich ebenso die Vereinsstruktur zu wandeln, die Einrichtung der Alters- und Ehrenabteilung ist ein Beispiel, der unverzichtbare Förderverein ein weiteres.

Den historisch interessierten Freunden der Feuerwehr gibt die Jubiläumsbroschüre detailreich und schön bebildert Auskunft über die vollständige Vereinsgeschichte. Das Klavierspiel von Michael Freund gab dem feierlichen Kommers einen dennoch beschwingten heiteren Rahmen. Es leitete ebenfalls über zum kulinarischen Ausklang der Veranstaltung mit einem reichhaltigen Mittagsbuffet.