Alsbach-Hähnlein, Garten-Natur-Tiere

Auf Einladung der IUHAS referierte Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor Florian Schwinn bei deren Neujahrsempfang zum Thema Boden. Foto: ewi
04. März 2020 

Der Boden, auf dem wir leben

Autor Florian Schwinn will den Boden retten / Vortrag bei der IUHAS

ALSBACH-HÄHNLEIN, März 2020 (erh), Boden ist das am reichhaltigsten besiedelte Biotop der Erde: Regenwürmer, Asseln, Bakterien, Pilze, Algen, Flechten und viele weitere Organismen tummeln sich im Erdreich. „Es tut sich einiges direkt unter uns“, sagt Florian Schwinn. In einem Kubikmeter Boden sind mehr Lebewesen unterwegs, als Menschen auf der Erde leben, so der Wissenschaftsjournalist weiter. Und: „Der Boden ist unsere Lebensgrundlage.“ Wie geht der Mensch mit seinem Fundament um? Nicht so wie er sollte, erklärt Schwinn (Jahrgang 1959). Er vergleicht den Boden der Erde mit der Schale eines Apfels. „Wir sind dabei diese Schale abzuziehen.“

Auf Einladung der IUHAS referierte Florian Schwinn beim sehr gut besuchten Neujahrsempfang der Umweltschutz-Initiative im Eduard-Schmidt-Saal des Bürgerhaus Sonne zum Thema Boden. Der Sachbuchautor („Rettet den Boden“) zeichnete in seinem Vortrag die Zerstörung des Bodens nach, zeigte aber ebenso Auswege aus der Krise der „Unterwelt“ auf. Durchmischt, krümelig, feucht und mit Lebewesen durchsetzt ist ein fruchtbarer Boden. Diese erste Schicht des Erdreiches bildet die Basis unserer Ernährung, versorgt die Pflanzen mit Nährstoffen, ist Wasser- und CO2-Speicher.

Industrielle Landwirtschaft und Forstwirtschaft schaden dem Boden, saugen ihn regelrecht aus. Durch die Bearbeitung mit großen, schweren Landmaschinen wird das oberster Segment zusammengepresst und verdichtet. Die Speicherfähigkeit des Bodens geht verloren. Durch tiefes Pflügen sowie den Einsatz von Pestiziden wird das Bodenleben stark geschädigt oder komplett zerstört, nennt der Experte die Ursachen für die entstehenden Schäden im Untergrund.

Die Folge: Der Boden erodiert, wie Schwinn mit alarmierenden Fotos aus der spanischen Region Murcia, dem Obst- und Gemüsegarten Europas, belegt. Ausgetrocknete, verlassene Kraterlandschaften, in denen keine Landwirtschaft mehr betrieben werden kann. In diesen Böden kann der Aufbau einer Humusschicht nicht mehr stattfinden. Humus ist die organische Substanz, die den Boden fruchtbar macht. Humus besteht überwiegend aus Pflanzenresten sowie den Umwandlungsprodukten von Mikroorganismen und Bodentieren.

Einer dieser „Umwandlungskünstler“ ist der Regenwurm. Er durchwühlt die Erde, seine Röhren sorgen für die natürliche Drainage und Entlüftung des Bodens. Der Regenwurm düngt mit seinem nährstoffreichen Kot das Erdreich und kompostiert altes Laub. „Viele Regenwürmer an einer Stelle stehen für einen fruchtbaren Boden“, unterstreicht Schwinn die Schlüsselfunktion dieser Tierart für die Bodenqualität. Um ein funktionierende Ökosystem unter der Erde zu gewährleisten, ist nach Schwinns Ansicht ein Umdenken in Landwirtschaft und Politik notwendig. Der Fachmann spricht sich für eine humusaufbauende Agrarwirtschaft aus, die einhergehen soll mit der Rückkehr zur Kreislaufwirtschaft. Dazu zählt die Aussaat von Zwischenfrüchten. „Auf einem Acker sollte immer etwas wachsen.“

Dadurch werden die Organismen beständig mit Nährstoffen versorgt, der Humusaufbau wird angeregt und der Boden bleibt fruchtbar. Für einen geschlossenen Betriebskreislauf ist es zudem erforderlich, Pflanzenanbau und Tierhaltung aufeinander abzustimmen. Eine flächengebundene Tieranzahl trägt dazu bei, die Belastung des Bodens zu reduzieren. Begleitet werden muss dieser Umbau auf politischer Ebene von der Europäischen Union. Das nicht mehr zeitgemäße EU-Flächenprämien-System muss durch neue Förderangebote beziehungsweise Subventionsmodelle für den Agrarsektor ersetzt werden, fordert er.

Florian Schwinn unterstützt die sogenannte 4-Promille-Initiative, die Frankreich auf der Weltklimakonferenz in Paris 2015 anregte. Nach diesem Vorschlag sollen auf allen landwirtschaftlichen Böden der Erde jährlich vier Promille zusätzlicher Humus aufgebaut werden. Dadurch ließe sich der von Menschen jährlich produzierte CO2-Ausstoß im Boden speichern. „Humusaufbauende Landwirtschaft würde uns Zeit verschaffen im Kampf gegen den Klimawandel“, ist Schwinn überzeugt.