Bensheim, Gesundheit-Beauty-Wellness, Kreis Bergstrasse

Irina Müglich näht ehrenamtlich für die „IG Onkomützen“ Kopfbedeckungen für Krebspatienten. Die Interessensgemeinschaft hat auch eigene Stoffmuster mit Schriftzügen wie z.B. „Fuck Cancer“ entwickelt. Foto: Vera Samstag
03. April 2020 

Die Bensheimerin Irina Müglich näht ehrenamtlich für die Interessengemeinschaft „Onkomütze“

BENSHEIM-HOCHSTÄDTEN, April 2020 (erh), Jeden Abend setzt sich Irina Müglich an ihre Nähmaschine, ab und zu werkelt sie auch morgens vor der Arbeit.

Eine Mütze pro Tag fabriziert sie mindestens, manchmal sind es mehr. Je nach Modell dauert die Fertigstellung 10 bis 20 Minuten. Die 51-Jährige näht sogenannte Onkomützen – Kopfbedeckungen für Krebspatienten, die in Folge einer Chemotherapie von Haarausfall betroffen sind. Seit vergangenen Dezember ist die Bensheimerin, die mit ihrem Mann und zwei Söhnen im Stadtteil Hochstädten lebt, in der Interessengemeinschaft „Onkomütze“ aktiv.


Die IG wurde von Robert Möllers gegründet und organisiert sich über das soziale Netzwerk Facebook. Rund 3000 Menschen haben sich bundesweit in der Initiative zusammengeschlossen. Wie alle Mitglieder der Gruppe betätigt sich Irina Müglich ehrenamtlich. Die Kosten für den Kauf des Stoffes und den Versand, meist direkt an die erkrankte Person, übernimmt sie selbst. In die Pakete legt sie zusätzlich ein kleine Tüte Gummibärchen oder einen Schokoladenriegel als Gruß bei.

Das Nähen erfolgt ebenfalls unentgeltlich. Zu den Adressaten besteht meist kein direkter Kontakt, über die Facebook-Seite der IG werden aber Bilder geteilt. Tangiert von einer Krebserkrankung in ihrem familiären Umfeld, war Irina Müglich sofort bereit, sich zu engagieren, als sie auf die Initiative aufmerksam wurde. „Ich finde, das ist eine großartige mentale Unterstützung für die Patienten.“ Nachdem sie zuvor in erster Linie für den Eigenbedarf genäht hatte, lässt sie ihre Maschine nun ebenso für andere rattern. „Es ist ein schönes Gefühl, auf diese Art helfen zu können.“ Ihr „Nähstudio“ hat sie vom Wohnzimmer ins Dachgeschoss in einen extra für diesen Zweck eingerichteten Raum verlegt. „Da bin ich ungestört und kann mich ausbreiten mit meinen Schnittmustern und Stoffen.“

Das Nähen bedeutet für sie Entspannung und ist der beste Weg, um nach einem Arbeitstag am Frankfurter Flughafen, sie ist als Bereichsleiterin in der Gepäckermittlung bei der Lufthansa tätig, zu entschleunigen. „Beim Nähen komme ich zur Ruhe und kann über alles nachdenken.“ Bei der Auswahl der bunten Stoffe, die sie in Geschäften vor Ort oder online erwirbt, achtet Müglich auf hochwertige Materialien. „Die Mützen sollen nicht schon nach dem ersten Waschen ausleiern.“

Einige Stoffgeschäfte gewähren der IG Onkomütze Rabatte. Die Kopfbedeckungen dienen als Ersatz für Perücken, die oft aus Kunsthaaren hergestellt sind und die aufgrund der Behandlung empfindliche Kopfhaut der Erkrankten reizen. Wichtig ist zudem eine exakte Verarbeitung, da die Mützen von vielen Personen auch nachts während des Schlafens getragen werden. „Da darf keine Naht stören“, erklärt Irina Müglich.


Jede Mütze wird individuell angefertigt. Es gibt ein breite Palette an Schnittmustern, von „Beanie“ bis „Turban“, aus der jeder Patient bis zu drei Modelle auswählen kann. Die Mützen sind oft mit Schriftzügen bedruckt, die die Erkrankten selbst erdacht haben: „Fuck Cancer“ oder „Krebs sollte nur eine Sternzeichen sein.“ In Krankhäusern, Arztpraxen oder Friseuren liegen Flyer aus, oft weisen die Kliniken die Betroffenen auf das Angebot von Onkomütze hin.


Irina Müglich verwertet sämtliche Stoffreste, die beim Nähen der Mützen übrig bleiben, für weitere wohltätige Zwecke. Sie näht Mützen und Pumphosen für Frühchen oder Decken für den Inkubator. Zudem fertigt sie Infusionsbeutel-Tragetaschen für Chemotherapie-Patienten an. Wenn sie diese Dinge für erkrankte Menschen näht, wird ihr immer wieder bewusst, welch hohes Gut Gesundheit ist. „Man kann so glücklich sein, wenn es einem gesundheitlich gut geht.“