Alsbach-Hähnlein, Bauen und Wohnen, Kreis Bergstrasse, Zwingenberg und Rodau

„Die Bergstraße steht unter Stress“, gab Professor Wolfgang Christ, Architekt und Mitglied im Kuratorium der Kulturstiftung für die Bergstraße, in seinem Vortrag zu bedenken und unterstrich den hohen Wert der über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft an der Bergstraße, den es soweit wie möglich zu erhalten gelte. Fotos: Adobe Stock, Shutterstock
09. April 2019 

Die Bergstraße zwischen Idylle und Veränderung

ALSBACH-HÄHNLEIN/ZWINGENBERG, April 2019 (erh), Professor Wolfgang Christ, Architekt und Mitglied im Kuratorium der Kulturstiftung für die Bergstraße, warf in seinem sehr gut besuchten Vortrag einen Blick auf „Das Bild der Bergstraße an der Schwelle zum digitalen Zeitalter“. Christ, der lange in Alsbach gelebt und an der Bauhaus-Universität Weimar gelehrt hatte, macht sich Sorgen um die Region. „Die Bergstraße steht unter Stress“, sagte er im Alsbacher Bürgerhaus „Zur Sonne“.

Große Bauprojekte wie die geplante ICE-Trasse zwischen Darmstadt und Mannheim, der sechsspurige Ausbau der Bundesautobahn A67 zwischen Darmstadt und Lorsch sowie der vierspurige der Bundesstraße 47 zwischen Lorsch und Worms würden mit großen Veränderungen in der Landschaft verbunden sein. Christs Anliegen ist es, diese Eingriffe – soweit möglich angesichts der Größenordnung dieser Maßnahmen – im Einklang mit dem Landschaftsbild der Bergstraße zu gestalten. Christ unterstrich den hohen Wert der über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft an der Bergstraße mit ihrer dank des milden Klimas berühmten Frühlingsblüte und den sanft ansteigenden Odenwaldhängen. Eine klischeehafte Beschreibung, die aber zutreffend sei. „Besser geht es nicht.“ Die regionale Lebensqualität an der Bergstraße verortete der Referent ins europäische Spitzenfeld. „Das müssen wir erhalten.“

Eingebettet zwischen den Wirtschaftsmetropolen Rhein-Main und Rhein-Neckar gehe es für die Kommunen an der Bergstraße darum, gemeinsam eine Zukunftsvision für das digitale Zeitalter zu entwickeln. Das Landschaftsbild der Bergstraße müsse in seiner derzeitigen Form bewahrt bleiben und könne in einer digitalisierten Arbeitswelt und bei zunehmender Technisierung des Alltags analoger Anker, Ruhepuls, Kuschelecke sowie zugleich Inspirationsquelle sein.

Mit dem Erhalt der landschaftlichen Besonderheiten müsse die stärkere Betonung der historischen Bauten und Stadtkerne verknüpft werden. Bei Neubauten im Bestand sei dieses historische Charakteristikum zu berücksichtigen. Wie dieses funktionieren kann, zeige das Beispiel Lorsch. Dort sei es gelungen, bei verschiedenen Projekten, etwa bei der aufwendigen Aufwertung des Klostergeländes, den „richtigen Ton“ zu treffen, erklärte Wolfgang Christ. „Lorsch ist ein Gesamtkunstwerk.“

Sybille Münch, Professorin an der Leuphana-Universität Lüneburg, widmete sich in einer allgemein gehaltenen Betrachtung im „Bunten Löwen“ in Zwingenberg dem Thema „Stadt und sozialer Zusammenhalt“. Die Politikwissenschaftlerin, die unter anderem an der TU-Darmstadt zu diesem Komplex gearbeitet hat, gab vor zahlreichen Interessierten einen Überblick über Ergebnisse der Forschungen, die in Großstädten durchgeführt wurden und damit nur bedingt übertragbar sind auf die Kleinstädte und Gemeinden in der Region.

(Groß-)Städte bezeichnete Münch als „Integrationsmaschinen“, die während der zunehmenden Verstädterung im 19. und 20. Jahrhundert und der Herausbildung der Arbeiterklasse eine hohe integrative Leistung erbracht hätten und somit als integrative Vorreiter bezeichnet werden könnten. Gleichzeitig sei dieser Prozess der Verstädterung in hohem Maße von einer sozialen Spaltung begleitet worden, die sich in der Entmischung (Segregation) der Wohnquartiere widergespiegelt habe.

Aufgrund der in den vergangenen Jahrzehnten zunehmenden Migration habe sich neben der sozialen Segregation, die ökonomische Ressourcen umfasst, die ethnische Segregation, Verteilung nach Ethnie oder Staatszugehörigkeit, herausgebildet. Diese Segregation auf der einen Seite sowie die als Normalität allgemein akzeptierte Super-Diversität auf der anderen, würden Großstädte als Impulsgeber für Integration und sozialen Zusammenhalt zukünftig vor besondere Herausforderungen stellen.

Die Kulturstiftung für die Bergstraße, gegründet 2008, vereint Akteure aus unterschiedlichen Bereichen über Kreisgrenzen hinweg. Zu den Stiftern gehören die Städte Bensheim, Lorsch, Zwingenberg und die Gemeinde Alsbach-Hähnlein sowie Unternehmen aus den Kreisen Bergstraße und Darmstadt-Dieburg. Neben der Förderung verschiedener kultureller Projekte in der Region bildet Architektur einen Schwerpunkt der Stiftungsarbeit. Zu Beginn des Jahres veranstaltete die Institution unter der Überschrift „Baukultur im öffentlichen Raum“ eine Vortragsreihe.