Alsbach-Hähnlein

Jungbauer Jonathan (Timo Wirthwein) busselt mit seinem heimlichen Geliebten Detlef (Michael Nickels). Foto: soe
25. Dezember 2018 

Ein Hof voller Narren

Hähnleiner Gaase-Theater spielte wieder vor vollem Haus – Auf lustige Art wurden sämtliche Klischees bedient

ALSBACH-HÄHNLEIN, Dezember 2018 (raha), Seit Jahren spielt in der Hähnleiner Radsporthalle das „Gaase-Theater“ seine Schwänke im November. Die Schauspiel-Truppe des Radsportvereins „Solidarität“ sorgt regelmäßig für ein volles Haus und für ein tränenreiches Publikum, dass allerdings immer vor Lachen weint. In diesem Jahr hatte man den Dreiakter „Ein Hof voller Narren“ von Winnie Abel einstudiert. Das Bühnenbild zeigte einen Hof mit Scheunentor und vielen Details, gemalt von Christel Nickel und konstruiert vom Bühnenbau-Team um Alt-Vorsitzenden Helmut Nickel. Hierzu gehörten noch Seppl Metka, Waldemar Hannig, Heinz Schweickert und Dieter Götz.

Besonders für Hauptdarsteller Michael Nickels, in Hähnlein, Zwingenberg und der weiteren Umgebung nur als „Eis-Lui“ bekannt, war es eine tolle Kampagne, hatte er doch diesmal seine Traumrolle gefunden: Er wollte schon immer mal einen Homosexuellen spielen. Da kam das Stück gerade recht, denn als korpulente Tunte „Detlev“ konnte er dabei seinem Talent freien Lauf lassen.
Doch nun zum Stück: Nachwuchs-Landwirt Jonathan (Timo Wirthwein) möchte gerne den elterlichen Hof übernehmen und auf ökologische Landwirtschaft umstellen. Das gleiche hat auch seine durchtriebene Schwester Esther (Eva Gründl) vor, die aber eher eine Hühner-Massenproduktion mit Legebatterien im Sinn hat. Mutter Ruth (Miriam Rettig) steht zwischen den Stühlen und verspricht den Hof demjenigen Kind, dass als erstes einen Partner herbei schafft und heiratet. Ein Problem für Jonathan, ist er doch schwul und begehrt seinen heimlichen Freund Detlev (Michael Nickels). Ein „Coming Out“ steht freilich noch bevor.

Nur der schwerhörige Opa Erwin (Thomas Rhein, der auch Regie führte) bekommt Wind von der Sache (er hört natürlich alles, was er nicht hören soll) und steht seinem Enkel bei. Zum Glück gibt es noch die junge, polnische Pflegekraft Irena (Giuliana Reusch), die sich rührend um den Opa kümmert. Was liegt für Jonathan also näher, als eine Scheinehe mit Irena einzugehen.
Auf die gleiche Idee kommt natürlich Schwester Esther und schmeißt sich an den gutmütigen Knecht Hannes (Carlo Schuchmann) heran, der von ihr allerdings wegen seines Tourette-Syndroms verachtet wird. Ständig zuckt er mit dem Kopf und schreit das Wort „Hühnerkacke“. Natürlich wird sie von dem aufrechten Hannes abgewiesen und kann nun keinen Partner für eine Blitzhochzeit vorweisen.

Die Eheschließung von Jonathan und Irena wird also geplant und auch gleich für den nächsten Tag festgesetzt. Derweil schlüpft Detlev in die Verkleidung als polnische Mama von Irena und schließt eine alkoholbedingte Freundschaft mit der Seniorbäuerin Ruth. Auch Opa ist Feuer und Flamme für die polnische Grazie und macht der fülligen „Dame“ mit den Worten „Ich steh noch voll im Saft“ eindeutig zweideutige Anspielungen.

Das Unglück nimmt nun seinen Lauf, als die echte Mutter aus Polen (Rosa Nickel) auftaucht. Schnell wird sie von Irena als „Tantchen“ vorgestellt, was der wahren Mama natürlich nicht passt. Zu allem Überfluss plant Esther noch gehörige Intrigen. Sie verkleidet sich als „Scheinehe-Überprüferin“ vom Amt und annulliert kurzerhand die Eheschließung, in dem sie den Ehevertrag zerreißt. Dabei wird sie von Ruth und Jonathan aber enttarnt. Auch Detlev fliegt natürlich auf in seiner Verkleidung als „Polen- Mama“. Zum Schluss wendet sich das Ganze doch noch zum Guten, Mutter Ruth übergibt den Hof an den „guten“ Jonathan und die „böse“ Esther geht leer aus.

Interessant an dem Stück ist, dass nahezu alle Klischees über Polen, Schwule und Menschen mit Tourette- Syndrom bedient werden, dies aber von der Autorin so gekonnt dargestellt wird, dass es niemals ins Lächerliche oder Hämische abgleitet und trotzdem immer lustig ist, aber ohne dabei peinlich zu werden. Alle Menschen auf der Bühne erscheinen auf ihre Art und Weise vollkommen normal und der „Tick“ von „Hannes“ wird vom Publikum als gegeben aufgefasst. Es ist halt so… Eine schriftstellerische Gratwanderung wurde mit diesem Stück hervorragend gelöst!

Fünf ausverkaufte und umjubelte Vorstellungen gab es im November. Als wichtigste Person muss natürlich noch Carmen Schäfer erwähnt werden, die sich unermüdlich im „Souffleurskasten“ unter der Bühne dem Stück und den Spielern widmete. Und das als wohl einzige gehörlose Souffleuse in Deutschland! Übrigens ist sie die Ehefrau des Hauptdarstellers mit der Rolle des schwulen Detlevs.