Bauen und Wohnen, Zwingenberg und Rodau

Über die künftige Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes und des gesamten Areals wird sich die Gemeinde Zwingenberg mit dem DJH Hessen abstimmen. Foto: pes
15. Oktober 2020 

Endgültiges Aus für Zwingenberger Jugendherberge

Corona war der Todesstoß: Haus bleibt für immer geschlossen

ZWINGENBERG, Oktober 2020 (pes), „Die Jugendherberge Zwingenberg ist aktuell geschlossen und wird am 31.12.2020 vom Netz genommen.“ So steht es auf der Homepage der Hessischen Jugendherbergen. Der finanzielle Druck, der durch die Coronakrise entstanden ist, zwinge den Landesverband jetzt zu dramatischen Einschnitten, heißt es aus der Spitze des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH).

Betroffen sind neben Zwingenberg auch die Häuser in Gießen und Weilburg. Alle drei haben aktuell keine Belegung. Marjana Schott, Aufsichtsratsvorsitzende des DJH in Hessen, kommentierte die Schließungen als „herben Verlust für unseren Landesverband“. Timo Neumann ergänzt als Vorstandsvorsitzender: „Die drei Häuser waren in den letzten Jahren immer nur knapp rentabel. Investitionen in die Zukunftssicherung waren schon länger nur zu Lasten unserer anderen 27 Jugendherbergen möglich.“ Für die Standorte Gießen und Weilburg könne es jedoch mittelfristig eine Perspektive geben.

Im ältesten Bergstraßenstädtchen dürften die Lichter aber endgültig aus bleiben. Die Jugendherberge an der nördlichen Bergstraße hat 115 Betten in 21 Zimmern. Bereits im Juli mehrten sich die Signale, dass eine Wiedereröffnung nach der Zwangspause auf wackligen Beinen steht: Die Anzahl der Vorbuchungen fielen mehr als dürr aus. Als Ursache gab der DJH damals massive Einschränkungen für Musikgruppen und Reiseverbote für Schulklassen an. Hessenweit seien rund eine halbe Million Übernachtungen storniert oder gar nicht erst getätigt worden. Das bedeutete einen Umsatzverlust von rund 75 Prozent gegenüber den Vorjahren.

Erst 2017 hatte der Verband im Zuge einer großen Betriebsanalyse einen Masterplan aufgestellt, mit dem über 20 Jahre hinweg ein Investitionsstau in der Größenordnung von über 75 Millionen Euro abgebaut werden sollte. Die Pandemie habe allerdings ein großes Loch in die Tasche des Verbandes gerissen. „Wir zehren von unseren Rücklagen zum Erhalt der Jugendherbergen, die eigentlich für die Neubauten und Modernisierungen in Marburg, Rüdesheim und Wetzlar vorgesehen waren“, so Schott.

Das Haus in Zwingenberg hatte bereits in den vergangenen Jahren ein ständiges Auf und Ab erlebt. Oftmals hatte es düster um die Zukunft ausgesehen. Der Landesverband dachte bereits 2008 über eine Schließung und den Verkauf der Immobilie nach. Auch das Verhältnis zu den Anwohnern im Umfeld der Langen Schneise, die sich wiederholt über Lärmbelästigung beschwert hatten, lastete auf den Schultern des Herbergsbetriebs. 2015 resultierten Gespräche der Stadt Zwingenberg mit dem Verband und Vertretern der Politik im Entschluss, den Standort dauerhaft zu sichern.

Im Sommer 2019 dann starteten umfangreiche Renovierungsarbeiten unter Regie des damals neuen Leiters Stefan Gutmann. Und die waren an dem 1930 eröffneten Haus auch bitter nötig. Seit den 60er Jahren gab es keine nennenswerten Modernisierungen mehr. Der Standort war als Ausflugsziel kaum noch attraktiv – vor allem, wenn man die Ausstattung mit jener anderer Häuser vergleicht. Doch der Optimismus aus dem vergangenen Jahr wurde spätestens durch die Pandemie gedämpft: Der Lockdown verhinderte den Saisonstart. Und auch die Sanierungsarbeiten mussten abgebrochen werden.

Der Magistrat der Stadt Zwingenberg bedauert die Schließung der Jugendherberge. „Vor allem deshalb, weil wir schon in der Vergangenheit etliche Anstrengungen unternommen haben, um das Haus zu erhalten“, so Bürgermeister Dr. Holger Habich gegenüber unserer Zeitung. Er verweist darauf, dass es mit Hilfe der Stadt etwa möglich gewesen wäre, Mittel der Dorferneuerung genau dort zu investieren. Diese Chance habe das DJH Hessen leider ungenutzt verstreichen lassen, so der Rathauschef. „Die Jugendherberge gehört seit rund 100 Jahren zu Zwingenberg und deshalb sollte Tradition eigentlich auch eine Verpflichtung sein.“

Die Verwaltung verstehe aber die betriebswirtschaftlichen Zwänge des Verbands gerade angesichts der aktuellen Corona-Krise. Über eine künftige Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes und des gesamten Areals werde man sich mit dem DJH Hessen abstimmen. Der gültige Bebauungsplan erlaubt dort nur die Nutzung als Jugendherberge. Dieser müsste daher geändert werden, um Alternativen zu ermöglichen. In diesem Rahmen könne die Stadt ihren Einfluss geltend machen, so Habich.
Die Sanierungskosten für einen weiteren Betrieb des Objekts sollen laut DJH zirka 2 Millionen Euro betragen. Genaue Zahlen liegen derzeit nicht vor. Der Verband hatte deutlich gemacht, dass er die Summe nicht investieren wird. Man sei aber eventuell bereit, das Haus weiter zu betreiben, wenn die Stadt die Kosten übernehmen würde. „Wir sehen uns dazu aber nicht in der Lage, da wir eigene wichtige Infrastrukturmaßnahmen vor uns haben“, so der Bürgermeister, der unter anderem auf den Neubau einer KiTa und die B3-Sanierung verweist, was die Finanzen der Stadt bereits stark beanspruche. „Daher ist eine Investition aus Steuermitteln in fremdes Vermögen auf absehbare Zeit nicht darstellbar.“

Die Jugendherberge Zwingenberg wurde auf den mittelalterlichen Grundmauern der ehemaligen Oberburg errichtet und nach dem ersten Staatspräsident des Volksstaates Hessen Carl Ulrich benannt. Im Laufe der Jahre wurde sie um ein Wirtschafts- und ein Nebengebäude erweitert.