Alsbach-Hähnlein, Auto und Mobiles

Jörg-Rüdiger von der Marwitz aus Alsbach-Hähnlein mit seinem Lincoln Continental Mark V Jahrgang 1979. Er misst 5,85 Meter vom Bug bis zu den Heckflossen. Ein US-Modell im Kingsize Format. Foto: Thomas Tritsch
23. Mai 2019 

Faszination für Lack, Leder und schwere Schlepper

Alles was brummt: Ausstellung und Dieselgespräche in der Hähnleiner Ortsmitte

ALSBACH-HÄHNLEIN, Mai 2019 (tri), Wer seine Leidenschaft für Lack und Leder am helllichten Tag und in aller Öffentlichkeit ausleben möchte, der kann sich auf riesige Oldtimermessen stürzen und an automobiler Klassik gütlich tun. Wer es intimer mag und gern mit Sammlern auf Tuchfühlung geht, der findet in Hähnlein die ideale Bühne. Zum neunten Mal fand am 14. April die ganz spezielle Fahrzeugschau „Alles was brummt“ statt. Der Name ist Programm.

Die Anwohner rund um den Marktplatz wissen, dass sie bei diesem Termin im zweijährigen Turnus nicht ausschlafen können. Denn die ersten am Platz ist die Country-Fraktion: landwirtschaftliche Nutzgeräte, die wie alle hier mindestens 20 Jahre auf dem Buckel haben und bereits ab acht Uhr etappenweise einen Standplatz suchten. Klar, dass dies nicht geräuschlos passiert. Die Traktoren sind der harte Kern der Ausstellung, die von der Interessengemeinschaft historischer Fahrzeuge organisiert wird. Eine logistische Herausforderung, aber auch ein Fest für die Augen von Autos und Motorrädern jenseits der windkanaldiktierten Gleichschaltung, die in einem uniformen Design und der radikalen Abschaffung von Charme und Individualität resultiert. „Langweilig“, sagt Jörg-Rüdiger von der Marwitz, dessen Prunkstück sogar noch länger als sein Name ist. Sein schwarzer Lincoln Continental Mark V misst 5,85 Meter vom Bug bis zu den Heckflossen. Kein Auto, eher ein Kreuzfahrtschiff mit Rädern. Der V8-Bolide ist Jahrgang 1979, hat aber erst 28.000 Kilometer auf dem Tacho. Kein technischer Schwindel, wie der Besitzer betont. „Ich habe Dokumente, die alles belegen“, so der Mann aus der Automobilbranche, der in Alsbach-Hähnlein auch politisch unterwegs ist. Allerdings nicht bei den Grünen, denen die 17 Liter Benzin auf 100 Kilometern wohl sauer aufstoßen würden. Liberal und selbstbewusst lehnt von der Marwitz am letzten US-Modell im Kingsize-Format. Die zweite große Energiekrise hatte den Straßenkreuzern den Saft abgedreht. Der deutsche Erstbesitzer des Wagens lebte in München, wo er nur im Sommer fuhr. Ein typischer Schwabinger eben. Auch Wagenlenker Nummer zwei hat ihn selten bewegt. Daher musste das Fahrzeug bis heute nicht restauriert werden. Auch der Lack ist 100 Prozent original.

„Ein rollendes Wasserbett, ein waagrechter Wolkenkratzer“, kommentierte die Fachpresse einst über dieses Auto, das von der Klimaanlage über die Fonds-Aschenbecher in der riesigen Fahrertür bis zur integrierten Cartier-Uhr unberührt ist. Der sechs Meter große Tiefgaragenplatz des heutigen Eigentümers reicht gerade so. „Ein Klassiker zum Cruisen“, so der Fahrer, der es gern gemütlich hat. Bei nur 165 PS und 2,3 Tonnen Leergewicht ist dieser Dinosaurier ohnehin ein eher müder Geselle. Aber elegant, muss man sagen!

Der größtmögliche Kontrast bei diesem Open-air-Salon steht nur wenige Meter weiter. Eine Heinkel Kabine von 1963. Weniger als halb so lang, 250 Kilogramm leicht, und nur vier Liter Verbrauch. Von hinten wirkt er mit seinen gewölbten Plexiglasscheiben wie ein Sportflugzeug. Klar, Ernst Heinkel war ja auch ein Flugzeug-Konstrukteur. Als der Bau des Dreirads mit selbsttragender Karosserie und kleinem Klappdach (auch als Notausstieg anerkannt) 1957 eingestellt wurde, hat man die Rechte und Produktionsanlagen an die britische Firma Trojan Limited verkauft, die diese Fahrzeuge noch bis 1965 gebaut hat. Einer davon gehört Ronald Will aus der Sandwiese.

„Den habe ich 2011 aus Schweden importiert“, erzählt der Sammler aus der Sandwiese. Eine Annonce in einem Fachblatt für Motor-Klassik hatte ihm die Fährte dieses Trojan 200 gewiesen. Er war bereits im Besitz eines dieser eleganten, langgezogenen Heinkel Motorroller und suchte quasi nach der überdachten Version des luftgekühlten Viertakters. Zuhause parken noch eine BMW Isetta und ein blauer NSU RO 80 Baujahr 1974 sowie diverse Motorräder. Bei der Autoschau hatte Will einen ganz persönlichen Tag der offenen Tür: viele wollten Probesitzen. Eine Chance, die sich an diesem sonnigen Apriltag nicht an jedem Wagen ergeben hat. „Nur gucken, nicht anfassen!“ stand an mancher Windschutzscheibe. Ein nachvollziehbarer Wunsch, schließlich möchte man nicht jeden in sein Allerheiligstes lassen.

Sind es bei solchen Treffen meist die grellen und lauten Sportwagen, die tief und grimmig aus der Haube schauen, die maximale Aufmerksamkeit genießen, so gibt es unter den Ausstellern auch Randgruppen und Minderheiten, die mit dem Reiz des Raren, Besonderen und Exotischen zu verführen wissen. Einer davon ist ein kantiger Russe, der für den Export Lada 1500 getauft wurde. Sein eigentlicher Name lautet aber WAS-2103 Schiguli. Die Vorlage lieferte ein Fiat 124. Markus Diehl hat ihn vor wenigen Monaten in Groß Pankow, Brandenburg entdeckt. Im Februar dieses Jahres hat er ihn selbst nach Hause gefahren. Gut 600 Kilometer bis nach Dieburg.

„Ich habe ein Faible für Ostfahrzeuge“, sagt er dem Melibokus Rundblick. Auch so manchen Trabbi hat er wieder auf Vordermann gebracht. Die Limousine von der Wolga kam aus Ungarn herüber und sei, so weiß der Besitzer, ein klassisches Schönwetterfahrzeug gewesen. Entsprechend glänzend sieht der 50-jährige Russe mit dem markanten Doppelscheinwerfer noch aus. Und auch die Ausstattung hätte man dem herben Gesellen nicht zugetraut: beleuchtetes Handschuhfach, Öldruckanzeige, Drehzahlmesser und eine Türbeleuchtung waren damals sowjetischer Luxus. Das gelochte Lederband am Lenkrad ist eine Reminiszenz an die späten 70er Jahre, betont Markus Diehl, der mit seiner Frau nach Hähnlein gekommen war.

Rainer Rühl hatte nur ein paar Meter. Er gehört zum Team von „Alles was brummt“ und hat am Marktplatz gleich zwei alte Traktoren geparkt. Ein Güldner von 1957, der aus dem Besitz seines Schwiegervaters stammt, und ein Deutz D40 aus dem Jahr 1964. Zwei harte Arbeiter mit vielen Narben aus der Landwirtschaft. Vor allem der Güldner, dessen Gebrauchsspuren ihm eine schöne Patina verleihen. Ein Arbeiter aus Aschaffenburg. Ein Typ mit Stolz und Charisma, der schon so manchen skeptischen TÜV-Mitarbeiter von seinen Fähigkeiten überzeugt hat, wie der Besitzer zu erzählen weiß.

Knallgelbe Corvette, erbsengrüner NSU TT und mandarinenfarbener Opel GT, daneben ein schwarzer Adenauer-Mercedes (1952) von Heinz Aßmus aus Zwingenberg, vor dem nicht nur Gleichaltrige einen tiefen Knicks machten, um einmal hineinzuschauen. Eine zitronengelbe Gangsterlimousine von Citroen, alte V-Twins von Harley Davidson und diverse Youngtimer von BMW, Audi und Mercedes Benz. Der Hähnleiner Autosalon bot Lack und Leder für jeden Geschmack. Aber auch eine Vielzahl von Geschichten und Geschichte unter den Motorhauben, die an diesem Tag gern und oft gelupft wurden.