Alsbach-Hähnlein

Die Bedeutung Alsbach-Hähnleiner Straßennamen und ihre Geschichte haben die Mitglieder des Museumsvereins Alsbach-Hähnlein für eine Sonderausstellung zusammengetragen. Foto: soe
29. September 2018 

Geschichte liegt auf der Straße

In der Sonderausstellung in der „Anstalt“ spürt der Alsbach-Hähnleiner Museumsverein noch bis 28. Oktober den Hintergründen der Straßennamen in Alsbach und Hähnlein nach

ALSBACH–HÄHNLEIN, September 2018 (meli/ewi), Adressat ist jeder in Alsbach-Hähnlein Ansässige, denn jeder hat seinen Existenzmittelpunkt an irgendeiner der Lebensadern des Ortes. Vertraut mit allen Richtungen, geht man täglich seiner Wege, ohne sich dabei an den Straßennamen orientieren zu müssen. Man kennt sie doch. Aber man kann auch Geschichten und viel Geschichte hinter den Straßennamen entdecken. Deutschlandweit tragen über eine Million Straßen Bezeichnungen, die sie innerhalb einer Kommune unverwechselbar machen.

3300 davon heißen sogar „Gasse“, doch der Titel der aktuellen Ausstellung des Museums in Hähnlein orientiert sich eher am lokalen Platt: „Ums Gässje – iwwer die Gass – uff die Stroaß“, heißt die aktuelle Ausstellung. Sie ist für jedermann und dokumentiert anschaulich mit prägnanter Erläuterung. Lebendige Bürgernähe und Publikumsfreundlichkeit waren Motivation die Schau zu initiieren und blieben Gestaltungsprinzip für die Vereinsmitglieder unter Führung ihres Vorsitzenden Konrad Hoppe.

Chronologisch kann sich der Besucher in die Thematik der Namensfindung einführen lassen. Überliefert ist ein, bei den Römern entstandenes kartographisches Dokument namentlich erwähnter Marschrouten. Das Mittelalter orientierte sich an lebenspraktischen Bezügen, z.B. Bezeichnungen nach den dort ansässigen Handwerkern und Gilden. Im 19. Jahrhundert erkennt man eine Verbürgerlichung, zunehmend avancierten Persönlichkeiten zum Widmungsträger.

Gravierend war im 20. Jh. die radikale gleichschaltende und ideologisierende Umbenennungswelle durch die Nazis. Entsprechend nach Kriegsende die Entnazifizierung der 50er Jahre. Eine zweite einschneidende Maßnahme aus den 70er Jahren zeigte ebenfalls Auswirkungen: Die Gemeindezusammenlegungen im Zuge der Gebietsreformen zwang viele Straßen eine neue Identität auf, da eine Doppelvergabe einer Bezeichnung innerhalb einer Gemeinde unzulässig ist.

Generelles Ausschlusskriterium ist mangelnde Untadeligkeit. „Manchmal bedauerlich“, findet Konrad Hoppe, „denn dabei bleiben gelegentlich sehr alte Flurbezeichnungen und der damals übliche Sprachgebrauch auf der Strecke. Leider konnte sich die Hähnleiner „Sautränk“ nicht durchsetzen und gerät in Gefahr, vergessen zu werden“.

Im Titel der Schau klingt schon an, dass die offiziellen Kennungen variieren. Wie familiäre Kosenamen halten sich umgangssprachlich mündlich tradierten Namen, die mit und aus der Dorfhistorie wuchsen. Der Hejner weiß, wohin er zu gehen hat, wenn man ihn in die „Neiestroaß“ oder in die „Ferrergass“ schickt. Namen sind eben nicht nur Schall und Rauch, sondern enthalten Indizien, z.B. auf die Ortsstruktur, denn in der Ferrergass lagen die Geflügelhöfe, entsprechende Zuchtbetriebe in der Schafs- oder Ziegengasse.

Die Milchwirtschaft hätte es eigentlich zu amtlicher Anerkennung gebracht, wäre der Name „Kuhgass“ nicht den Anwohnern als zu ordinär und anstößig erschienen, so dass sie es mit einer Eingabe zu verhindern wussten und nun Weilerweg als Adresse angeben können.

Neben der Zusammensetzung der Bevölkerung und der Verteilung auf den Ort fangen die Namen sogar den gesellschaftspolitischen Geist ein, der durch die Gassen wehte. Der dörflichen Umgebung Rechnung tragen zusammen mit der Wald- und Wiesenstraße auch eine Feldstraße. Der Plan wurde nach einer anderen Petition einem höheren ideellen Interesse geopfert: Hier bekam das große philosophisch-gesellschaftskritische SPD Mitglied sein Manifest auf dem Straßenschild.

Bei seinen Recherchen bezüglich des Hintergrundmaterials zu den Straßenbiographien stieß Konrad Hoppe auf ein bemerkenswertes gesellschaftspolitisch-kulturelles Phänomen. „Wir hätten nie gedacht, so etwas feststellen zu können“, betont Konrad Hoppe, „aber man erkennt einen bedeutenden tendenziellen Unterschied zwischen Alsbach und Hähnlein.“ Oben schwarz, unten rot, Alsbach konservativ orientiert in seinen Widmungsträger häufig aus dem Kreis der Honoratioren, und staatstragendenen Prominenz. Hähnlein war dagegen eher sozialdemokratisch. Bei der Jahn-Straße erinnert man sich zwangsläufig an die enge Verknüpfung des Radsportklubs Solidarität mit der Arbeiter Bewegung, Carlo-Mierendorf und die von Nazis ermordete Tochter Adam Carillons, Johanna Tesch als herausragende Vertreterin der SPD sowie Georg Fröba, ein echter Kommunist legen auf den Schildern weitere Zeugnisse ab.

Neben Regierungsrepräsentanten wie Hindenburg, und lokalen Respektspersonen wie ehemalige Bürgermeister oder auch Volksschullehre Max Biebesheimer stellen Beispiele von Würdigungen des gegenläufigen Zeitgeistes dar. Interessant in Alsbach sind die Benennungen die Querverweise auf die lokale Geschichte erst auf den zweiten Blick preisgeben. Die Gemeinde Alsbach gab ihrem Stolz Ausdruck, dass man mit Elisabeth Grümmer eine der umjubelten Sopranistinnen und stilprägenden Gesangslehrerinnen als Neubürgerin gewonnen hatte und widmete ihr den “Elisabeth-Grümmer Stieg“.
Der Name des idyllischen Bergstraßenortes war vornehmlich in Künstler- und Bohemekreisen der Hauptstadt bekannt. Für das besondere Renommee sorgte der „Zauberberg“, auf welchem die diskrete Behandlung mit neuartigen Therapien in der Klinik des Dr. Laubenheim möglich war. Die dauernde Anwesenheit solch exquisiten Publikums beeinflusste die Ortsatmosphäre. Die wenigsten siedelten sich an, nachweislich auf das Drängen von Dr. Laubenheim, auch im Falle des bildenden Künstlers Benno Elkan. Ihm galt die jüngste Benennung. Mit seinem Namen übernahm er gewissermaßen die Schirmherrschaft über die Verbundenheit der Ortsteile, denn auf der Benno Elkan Allee erreicht man Alsbach, Sandwiese und Hähnlein.

Kaum ein Besucher, der nicht staunt wie viel Geschichten über die Geschichte an jeder Ecke in weißen Lettern auf blauem Grund steckt. Umso größer die Freude daran, von nun an wissender und bewusst über die Gässjer zu promenieren.