Zwingenberg und Rodau

Auch alte Ansichtskarten aus der Jahrhundertwende wurden getauscht. Foto: soe
29. Mai 2018 

Große Passion für kleine Papiere

Bergsträßer Philatelisten freuten sich über Schnäppchen und Gespräche beim 4. Großtauschtag des Vereins für Briefmarkenkunde Bensheim/Bergstraße e.V.

ZWINGENBERG, Mai 2018 (pem), Am Anfang war wohl ein Quäntchen englischer Humor und die Neigung zur Kuriositätenpflege mit im Spiel. So wie heute kreative Menschen etwa bunte Bananenetiketten zur dekorativen Zweitverwendung bringen, waltete die Originalität von Briten des 19. Jahrhunderts, die mit Briefmarken Lampenschirme verzierten oder Kästchen beklebten. Der als erstes Postwertzeichen 1841 ausgegebene „Black Penny“ hatte also auf Anhieb auch seinen Liebhaberkreis: Den Ruhm des ersten Philatelisten reklamierte John Edvard Gray für sich. Er führt an, Marken bereits vor dem Ausgabejahr der Post gesammelt zu haben – allerdings handelte es sich um Steuermarken.

Bis sich eine ernstzunehmende Sammlerkultur herauszubilden begann, ging noch Zeit ins Land. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Frankreich die ersten Sammelalben produziert und kamen zusammen mit anderen philatelistischen Hilfsmittel auf den Markt. Ob Beutetrieb, Jagdlust, oder Spekulantentum: Großen Passionen war ein neues Feld eröffnet! Der Verein für Briefmarkenkunde Bensheim/Bergstraße lud am 6. Mai zum 4. Großtauschtag in die Melibokusschule nach Zwingenberg ein, wo viele Sammler und Interessierte ihrer Jagdlust nachgingen. Mittlerweile ist die Fan-Gemeinde der kleinsten bunt bedruckten Papiere in gut organisierten Regional-, Landes- und Nationalverbänden vernetzt. Heimisch ist sie sogar im Internet geworden, wo beachtliche Plattformen neue Möglichkeiten bieten.

Doch alt gediente Sammler zeigen sich skeptisch: das Fälschungsrisiko hat sich als unverhältnismäßig hoch erwiesen. Und eine wichtige Sache fehlt im Internet: „Kataloge gibt es dort nicht, die muss man nach wie vor nur noch in die Hand nehmen zum Blättern!“, erklärte Ferdinand Woißyk, der seit über 40 Jahren eifriger Briefmarkenkundler, Sammelbegeisterter und Geschäftsführer des Vereins für Briefmarkenkunde Bensheim/Bergstraße ist. So hat er einen profunden „Insiderblick“ auf die „Szene“ und resümiert kritisch: „Es hat sich sehr viel verändert, leider nicht zum Guten… Es ist ein sehr teures Hobby geworden, was man nicht zuletzt darauf zurückzuführen kann, dass die Post sich zu einem veritablen Wirtschaftsbetrieb umstrukturiert hat. Diese preistreibende Entwicklung wirkt sich ungünstig auf die Mitgliederzahl der Vereine aus. Wer dabei ist, bleibt zwar, aber der Nachwuchs fehlt uns einfach, das Problem vieler Vereine trifft uns besonders.“

Zahlen sprechen da für sich und unterstreichen diese Enttäuschung: in Hochzeiten der Philatelie, etwa in den Dekaden der Nachkriegszeit, verzeichnete der Dachverband 80.000 Mitglieder im Bund Deutscher Philatelisten. Auf knapp die Hälfte schmolz die Zahl zusammen, mit weiter sinkender Tendenz. Ferdinand Woißyk führt weiter an, dass auch der weltweite Markt und Handel stagniere und die Belebung durch neue Angebote die Nachfrage wieder in interessanteren Schwung bringen müsste, nicht ohne Konsequenz für die Wertentwicklung der Sammelobjekte.

Als Geldanlage taugt eine Sammlung längst nicht mehr. „Aber gerade vor diesem Hintergrund sind wir alle sehr froh, dass es bei uns im Verein einfach mit der Atmosphäre stimmt!“ lobt der Philatelist. „Das zeigt sich besonders bei solchen Veranstaltungen wie den Tauschtagen, die wir sehr erfolgreich etabliert haben“, ergänzt er. In seinen Händen lag wieder die Organisation des 4. Großtauschtags. Der Vorsitzende des Vereins Jörg- Ulrich Hübner spricht besonders der Stadt Zwingenberg seinen Dank aus, die ermöglichte das Treffen in der Melibokushalle durchzuführen.
„Ein angemessener Rahmen, den die Vereinsmitglieder schätzen und der viele Briefmarkenfreunde aus einem weiteren Einzugsgebiet anlockt. Man kennt sich, man schätzt einander, genießt die familiäre „Fachsimpelei“ und nicht selten werden nicht nur Marken und die anderen Sammelobjekte wie Münzen und Postkarten getauscht, denn die Kommunikation ist wichtig und gegenseitige Tipps willkommen. Man denkt dabei durchaus an die Sammelschwerpunkte Anderer. Die sind breit gefächert die gängigsten Kriterien ist die Kollektion nach Ländern, Motiven oder Epochen aufzubauen.“ Hübner zieht eine positive Bilanz des Tages, was die Teilnahme und den Ablauf betrifft. Als gutes Zeichen wertet er auch die spontane, bzw. sporadische Teilnahme von Nicht-Philatelisten.

Ferdinand Woißyk hatte diesbezüglich ein gutes Erlebnis: „Ein Herr aus dem Odenwald bot alte lokale Postkarten an, die aus einem jetzt bei ihm auf dem Speicher gefundenen Nachlass entstammen. Da ich nach alten Ansichten von Bensheim überall stöbere, wurde ich hier tatsächlich fündig und freue mich nun über das neue Stück!“ Auch weiterhin wird der Verein mit einem gut gefüllten Terminkalender den großen Freunden kleiner Marken die Gelegenheit zum Jagdglück bieten.