Auerbach

Modellbahnbörsen - Jagdrevier für erfahrene Szenekenner, so auch in Auerbach. Foto: pes
06. März 2020 

Kleine Züge mit großer Anziehungskraft

Modellbahnbörse in Auerbach

BENSHEIM-AUERBACH, März 2020 (pes), Die Deutsche Bahn kriegt ihr Problem mit unpünktlichen Zügen einfach nicht in den Griff. Ganz anders die Bensheimer Eisenbahnfreunde. Pünktlich im November stellt der 1994 gegründete Verein die Weichen für die große Modellbahnbörse, bei der jedes Jahr Sammler, Fans und Freaks zusammenkommen. Zum Kaufen, Tauschen und Fachsimpeln. Aber auch für Gäste, deren Leben sich (noch) abseits der Schiene bewegt, haben die Kenner ein offenes Ohr. Großer Bahnhof in Auerbach. „Vielleicht lässt sich ja einer bekehren“, lacht ein Händler aus dem Saarland im gut gefüllten Bürgerhaus Kronepark morgens um kurz nach zehn Uhr.

Genau der richtige Zeitpunkt für Insider, um sich zwischen Verkaufsständen auf die Suche zu machen. Nach allem, was im Maßstab H0 erhältlich ist. Mit dieser Baugröße im Maßstab 1:87 hatte Märklin schon 1935 dafür gesorgt, dass sich der Wunschtraum einer eigenen Modelleisenbahn leichter erfüllen lässt: Robust genug, um auch den harten Alltag im Kinderzimmer zu bestehen, lassen sich mit dieser Dimension faszinierende Spielwelten schaffen, die einen wirklichkeitsnahen Fahrbetrieb ermöglichen, wie ein Experte erläutert.

Lokomotiven, Wagen, Gleisanlagen oder Zubehör. Nichts, was es nicht gibt in der kleinen Welt der Modellfreunde, in der die Herren die Mehrzahl zu bilden scheinen. Eine Sammlerin aus Darmstadt bestätigt das: „Mein Mann ist der Zugführer, ich fahre sozusagen im Gästeabteil mit.“ Neben traditionellen und klassischen Bahnmodellen haben die Messebesucher auch die technisch raffinierten Neuheiten aller Spurweiten im Visier. Denn der Markt ist ähnlich dynamisch wie bei den großen Vorbildern.

Auch im Hobbykeller ist die Digitalisierung in vollem Gange. Analoge Anlagen lassen sich ins digitale Zeitalter überführen, wenn man die bisweilen hohen Kosten einer Umrüstung nicht scheut, die nicht selten den wirtschaftlichen Wert der Modelle selbst übersteigen kann. Auf die Frage, wie viel ihr Gatte in das Hobby investiert, winkt die Ehefrau nur lächelnd ab. Nächste Station: ein jugendlicher Sammler. 21 Jahre alt. Auch er tickt digital.

Individuelle Ansteuerung einzelner Fahrzeuge, vorbildgerechte Beschleunigung und Verzögerung, digitale Endgeräte als mobiler Führerstand und Stellwerk in einem. Weichen und Signale werden direkt über die Stromversorgung des Gleises angesteuert. Dicke Kabel, Batterien und Stellpulte kennt der junge Mann nur noch von der Anlage seins Vaters, von dem er das Modellbahner-Gen „wohl irgendwie geerbt“ habe. Die anderen lieben den nostalgischen Charme der alten Garde: Historische Schmalspurdampfloks der Deutschen Reichsbahn, Dampfmodelle und Tenderwagen, Güterzug-Boliden Typ Krokodil oder schnittige Elektroloks. Und dazu natürlich Tonnenweise Zubehör und Accessoires.

Darunter auch Exemplare aus dem Segment „bedingt jugendfrei“: Aktmodelle, Liebespaare in eindeutiger Stellung und das Objekt „pinkelnder Mann“ samt sichtbarer Strahlkraft über grüner Wiesenidyll.

Die Börde gehört zu den wichtigen Einnahmequellen des Vereins, der um seinen aktuellen Ersten Vorsitzenden Felix Fertig derzeit 26 Mitglieder geschart hat. Die Gründung folgte der Idee, das denkmalgeschützte Bahnwärterhäuschen am ehemaligen Übergang Fehlheimer Straße in Bensheim vor dem Abriss zu bewahren und für eigene Zwecke zu nutzen – was aber leider nicht geklappt hat.

Später haben die Mitglieder damit begonnen, die Teilstrecke zwischen Bahnhof Bensheim bis nach Riedrode – die alte Nibelungenbahn – in Modulbauweise nachzubauen. Mittlerweile ist daraus eine riesige Modellandschaft von beachtlichen Ausmaßen entstanden. Der Verein bemüht sich außerdem, die Geschichte der Bahn in der Region wach zu halten und für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Alte ausgediente Gegenstände aus dem Bahnalltag finden im vereinseigenen Museum ihren Platz.

Die Crew im Kronepark um Schriftführer Andreas Fertig war mit den Besucherzahlen mehr als zufrieden. „Wir haben gut zu tun“, meinte ein Helfer hinter der Kuchentheke. Auf der anderen Seite des Buffets erläuterte ein Mannheimer Eisenbahnfan den Zündfunken seiner Leidenschaft en miniature: „Man kann sich mit viel Fantasie seine eigene Welt schaffen oder die Realität nachbauen.“ Das Angebot war so reichhaltig, dass für jeden Geldbeutel etwas dabei gewesen sein dürfte. Die Spannweite reichte vom „Rotstiftpreis“ bis zum Sammlerwert im höheren dreistelligen Bereich.

„Preise? Bitte machen Sie einen Vorschlag“, stand auf einem Schild. Feilschen war keineswegs verboten. Neben gebrauchten Modellen mit einer gewissen Patina stand originalverpackte Ware, die in Fachkreisen „unbespielt“ genannt wird.

Die Auerbacher Veranstaltung war auch ein Jagdrevier für erfahrene Szene-Kenner, die man unter anderem daran erkennt, dass sie schon bei Öffnung der Tore in den Saal strömen und mit gezieltem Kurs auf die einschlägig bekannten Händler steuern. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, so einer von ihnen, der in Auerbach noch ein ganz praktisches Anliegen hatte. Eine defekte Lok. „Ich hoffe, dass mir da jemand helfen kann.“ Auch, wenn wir den Ausgang der Geschichte nicht kennen: die Anwesenheit eines versierten Modellbauchirurgen war an diesem Tag mehr als wahrscheinlich.