Seeheim-Jugenheim

Die Referenten und gekrönte Häupter vor Schloss Heiligenberg. Das Battenberg-Kolloquium fand großes Interesse.
06. November 2018 

Queen Victoria und das Heiligenberger Sofa

Ein Ex-König und Fürsten beim Battenberg-Kolloquium im Jugenheimer Schloss Heiligenberg

SEEHEIM-JUGENHEIM, November 2018 (meli), Es war, als ob das Schloss Heiligenberg in Jugenheim für ein Wochenende wieder in seine Rolle von vor bald 150 Jahren zurückgefunden hätte: Königliche Hoheiten gaben sich ein Stelldichein bei einem fachlichem Kolloquium – nicht unter Staatsmännern, sondern unter Historikern. Sie debattierten die bewegte Geschichte einer Familie, die von Jugenheim ausgehend in verschiedene Fürstenhäuser heiratete, europäische Geschichte mitgestaltet hat und dies teils noch heute tut: „Die Battenbergs – eine europäische Familie“. Oder auch Mountbatten, wie sie sich später haben anglisieren müssen.

Die „handsome Battenbergs“ (Queen Victoria) vom Heiligenberg gaben Staatslenker, tapfere Kerle und begehrte Heiratspartien ab; sie wurden zuweilen Opfer der Großmächte, wie sie auch manchmal (unbewusst) Treiber der Modernisierung der europäischen Monar-chien waren. Die Geschichte und Bedeutung der Familie, vor deren „Kontaminierung durch morganatisches Blut“ Fürst Bismarck das deutsche Kaiserhaus warnte, harrt noch einer umfassenden Aufarbeitung. Darin lag der Zweck der Übung auf dem Heiligenberg, weshalb sich die Stiftung Heiligenberg, „hr2 kultur“, die Hessische Landeszentrale für politische Bildung und die Kulturstiftung des Hauses Hessen zusammengetan hatten, um diese zweitägige Präsentation und Diskussion hochinteressanter Forschungsergeb-nisse aus Deutschland und Großbritannien zu ermöglichen.

Dass es dabei auch „sehr menschelte“, wie Donatus Landgraf von Hessen bemerkte, blieb nicht aus. Natürlich ging es auch um einst pikant empfundene „Mesalliancen“ oder die Rolle eines gewissen Freiherrn von Senarclens-Grancy bei der Familiengründung, auf dessen Spurensuche Lupold von Lehsten vom Institut für Personengeschichte in Bensheim ging. Hugo Vickers, der aus TV-Sendungen über die Royals bekannte Adelsexperte, steuerte Anekdoten über die ersten Mountbattens bei. Oder auch Ashley Hicks, prominenter britischer Designer und Enkel des Vizekönigs von Indien, Earl Louis Mountbatten of Burma. Sein Großvater, so Hicks, habe ihm in Jugenheim von einem Albtraum erzählt, den er als Kind dort hatte: Ihm sei Queen Victoria erschienen, wie sie durch die enge Tür seines Zimmers im Schloss Heiligenberg ein Sofa zwängen wollte, „a bloody great thing“.

Historisch wirklich herausragend war die Rolle von Prinz Alexander „Sandro“ von Battenberg, der 1885 als erster Fürst des Landes Bulgarien „einte und beschützte“, wie Professor Vladimir Zlatarsky, Sofia, in einem bewegenden Referat ausführte. Noch heute ist Bulgarien ihm dankbar; er ruht mitten in Sofia in einem Mausoleum, und es gibt wohl keine Stadt, die nicht eine Straße oder einen Platz hat, der an den Battenberg erinnert. Der bulgarische Ex-König Simeon verwies darauf, dass Alexander das erste Opfer eines „Kidnapping“ geworden sei, als russische Offiziere ihn entfernten, weil er dem Zar nicht mehr in dessen politisches Konzept passte. Simeon trieb als Premierminister Sakskoburggotski nach der Wende in Europa die Einbindung Bulgariens in die EU und den Westen voran – ein Herzensanliegen.

Spannend war die Frage, warum all die engen dynastischen Verflechtungen in Europa, in die fast überall Battenbergs einge-bunden waren, die Tragödien Europas nicht verhindern konnten. Das 19. Jahrhundert, so deutete es Prof. Frank-Lothar Kroll aus Chemnitz, war geprägt von einer zunehmenden Nationalisierung der Politik. Die Staaten gaben sich Verfassungen, Parteien entstanden und „gekrönte Häupter wurden zur Verkörperung der Nation … und letztlich zu Opfern ihrer Nationen.“ Die Zeit einer dynastisch geprägten Politik ging zu Ende, bei der bis 1914 die nationale Identität der Fürsten „kein Thema“ gewesen sei, so Rainer von Hessen.

Zugleich aber spürten die Herrscherhäuser im 19. Jahrhundert einen Modernisierungsdruck, dem sie das „monarchische System“ anzupassen versuchten, wie Prof. Frank Lorenz Müller von der Universität St. Andrews ausführte. So erhielten neben den monarchischen Funktionen Soldat, Diplomat und Parlamentarier Kriterien wie Leutseligkeit, Nahbarkeit gegenüber dem Volk, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit sowie karitatives Engagement und Bildung einen gewichtigen Rang.

Wie sich zeigte, fanden sich die Battenbergs oft genug zwischen den Mahlsteinen kalter Realpolitik und idealistischer Bestrebungen, wie denen der deutschen Kaiserin Friedrich 1888, die das Reich enger an Großbritannien und sein parlamentarisches Gedankengut heran- und von der Russlandorientierung Bismarck wegbringen wollte – was misslang.

Dank Prinz Philipp, dem Ehemann der Queen, lebt der Name Mountbatten in der britischen Monarchie weiter fort. Philipp verwahrte sich davor „nicht bloß eine Amöbe zu sein“, erklärte Thomas Kielinger, Korrespondent in London. Als Sohn von Alice von Battenberg und Andreas Prinz von Griechenland und Dänemark bestand der Herzog von Edinburgh darauf, dass die Linie des britischen Königshauses Mountbatten-Windsor heißt. Und diesen Namen führen die Kinder und Enkel von Königin Elizabeth fort.