Darmstadt, Kirche

Die St. Ludwig erstrahlte durch eine aufwendige und extravagante Beleuchtung.
25. Juni 2017 

Rekordbesuch bei der 7. „Nacht der Kirchen in Darmstadt“

Fast 25.000 Menschen folgten der Einladung „Komm, sei Gast!“

DARMSTADT, Juni 2017 (meli), Die Erweiterung um die neue „Meile der Menschlichkeit“ hat der 7. Nacht der Kirchen in Darmstadt einen Besucherrekord beschert. Nicht weniger als 24.926 Menschen folgten der Aufforderung des Arbeitskreises Christlicher Kirchen ACK Darmstadt – „Komm, sei Gast!“. Und nutzten das Anbot der 70 teilnehmenden Kirchengemeinden und Einrichtungen. Im gesamten Stadtgebiet von Arheilgen bis Eberstadt beeindruckten diese mit einem vielfältigen Programm, das den Ideenreichtum, die Kreativität und die Freude am Gestalten der rund tausend haupt- und ehrenamtlichen Mitwirkenden eindrücklich zur Geltung brachte. Bei idealem Sommerwetter mit Temperaturen knapp unter 30 Grad zählte auch der künftige Bischof von Mainz, Prof. Dr. Peter Kohlgraf, zu den Besuchern der Darmstädter Kirchennacht.

Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen, Lesungen, Diskussionsrunden, Gottesdienste, Meditationen, Beiträge zum Reformationsjubiläum, Mitmachangebote – das Spektrum war in dieser Nacht, die um 19 Uhr begann und in manchen Gemeinden erst nach Mitternacht endete, weit gespannt. Bereits um 18.50 Uhr hatte das gemeinsame Läuten aller Glocken in Darmstadt die lange Nacht feierlich angekündigt und auch Unbeteiligte auf das Event, das sich in den vergangenen elf Jahren zu Hessens größtem Glaubensfest entwickelt hat, aufmerksam werden lassen. Nach rund 20.000 Besuchern legte der Event in diesem Jahr um 25 Prozent zu.

Gut vorbereitet war eine junge Frau, die an der Stadtkirche auf zwei von ihr betreute Flüchtlinge wartete. Auf einem Zettel hatte sie ihre Wunschroute notiert. Gleich wollte sie mit ihren Schützlingen den Turm erklimmen und anschließend in die Fürstengruft hinabsteigen, dann sollte es weiter gehen zur Südostgemeinde, Ludwigskirche und in die Friedensgemeinde. „Gebete mag ich besonders, vor allem Taizé“, sagte sie zu den sanften Gitarrenklängen, die aus dem offenen Gotteshaus auf den Kirchplatz hinauswehten. Wie sie streiften auch andere zielstrebig durch die Nacht, sich am Programmheft oder der App auf dem Handy orientierend. Wieder andere ließen sich treiben und genossen das Entdecken.

Auf dem Luisenplatz war die Kirchennacht mit mehreren parallelen Veranstaltungen besonders präsent. Vor dem Luisencenter hatte der ökumenische Kirchenladen Kirche & Co. mit Zeltplanen und Biertischgarnituren ein mobiles Gasthaus aufgebaut, in dem wohl 50 bis 60 Gäste gleichzeitig mit Gulaschsuppe, Weintrauben und Käse verköstigt wurden – zum Nulltarif. Beim Suppe löffeln wurde eifrig geplaudert. „So soll es sein“, freute sich Pfarrerin Ulrike Hofmann. „Wir wollen zeigen, dass Kirche nicht nur in Kirchen, sondern auch auf der Straße stattfindet.“ Wenige Meter weiter zog die Rockband des Christlichen Zentrums Darmstadt, zu der die Jugendgruppe einen schwungvollen Tanz namens Cupid Shuffle aufführte, Passanten magisch an. Rockig ging’s im „Gospeltrain“ weiter, in den man auf dem Luisenplatz einsteigen und den rhythmischen Gesängen der Gruppen Joy aus Biebesheim und Blue Lights aus Erzhausen lauschen konnte.

Viel Arbeit steckte in so manchem Projekt dieser Nacht. Eine ganze Woche brauchte das Team der Stadtmission Darmstadt, um die Idee einer „begehbaren Bibel“ mit viel Holz, Stoff und Deko umzusetzen. Beeindruckt folgten die Nachtschwärmer den Spuren des ungehorsamen Propheten Jona, der von einem Walfisch verschlungen und später, geläutert, wieder in die Freiheit entlassen wurde. In einem schwankenden Holzboot erlebten sie Gottes Zorn, in einem riesigen Walfischbauch kamen sie zur Ruhe.

Großen Aufwand betrieb auch St. Elisabeth. Zahlreiche E-Mails und Telefonate waren der Idee von Angela Gessner vorausgegangen, im Kirchenraum Koffer auszustellen mit Dingen, die „Menschen lebendig halten“. Angesprochen hatte sie einen illustren Personenkreis, zu dem Prominente und Geistliche ebenso zählten wie Strafgefangene, die vierjährige Sofie oder eine 90-jährige Seniorin. Die Besucher waren fasziniert. Mit den Augen durchstöberten sie jeden einzelnen der rund ein Dutzend Koffer, entdeckten Lieblingsbücher, Sportartikel, Familienfotos und persönliche Gegenstände.

Im angrenzenden Herrngarten ging das aufwändige Konzept der ökumenischen Jugendkirche auf. Die Jugendband spielte, Kletterwand und ein Baum stellten Ansprüche an die Geschicklichkeit, ein Wohnzimmer war mit geschenkten Möbeln entstanden, Lichtkünstler verwandelten den Aktivspielplatz in einen Zauberwald. „Einfach geil“ fand der 18-jährige Jonas das Szenario zu später Stunde. Derweil wurde in der Innenstadtkirche St. Ludwig mit der faszinierenden Show „Sound and Light“ ebenfalls auf Lichteffekte gesetzt, die mit Klanginstallationen zu einem viel bewunderten Gefühlserlebnis verschmolzen.

Unterhalb der Ludwigskirche gab es in der Wilhelminenstraße mit der „Meile der Menschlichkeit“ bereits ab 15 Uhr ein neues Vorspiel zur Kirchennacht. Eine Beteiligung des katholischen Hilfswerks missio in der Kirchennacht 2015 hatte die Projektleitung auf die Idee gebracht, weitere christliche Organisationen vorzustellen und diese an einem Ort zu bündeln. So konnten sich die Darmstädter in der Fußgängerzone bei 20 Einrichtungen aller Konfessionen über Flüchtlingshilfe, Armutsbegrenzung, Notfallseelsorge, Hospizdienste und andere soziale Projekte informieren. missio war diesmal mit einem imposanten 18 Meter langen Truck dabei, in dessen Innerem die Besucher die Not der von Gewalt und Terror gebeutelten Menschen in der afrikanischen Republik Kongo nachempfinden konnten. „Ich hatte Tränen in den Augen“ gestand ein Familienvater nach dem Rundgang, bei dem er entscheiden musste, welche Gegenstände er auf die Flucht mitnehmen würde.

Bürgermeister Rafael Reißer hatte die „Meile der Menschlichkeit“ in Vertretung des verreisten Schirmherrn, Oberbürgermeister Jochen Partsch, auf der Aktionsbühne vor der Stadtsparkasse eröffnet. Dort lobte er die „bundesweit einzigartige Aktion“ als „ausgezeichnete Idee“, Darmstadt einmal mehr als weltoffen zu positionieren. Reißer rief in Erinnerung, dass die Stadt auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle vor zwei Jahren rund tausend Flüchtlinge aufgenommen habe. Mit ihm tauschten sich im Anschluss vor interessiertem Publikum Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse und Dekan Arno Allmann von der Evangelischen Kirche aus zum Thema „Kirche und Stadt – Das Beste aus zwei Welten“. Später kam von der Katholischen Kirche Dekan Winfried Klein hinzu.

Am Ende der Kirchennacht meldete der Projektleiter der Nacht der Kirchen und Vorsitzende der ACK, Bernd Lülsdorf, zufrieden den Besucherrekord. Er sieht darin eine Bestätigung des neuen Konzepts, durch die „Meile der Menschlichkeit“ kirchliche und kommunale Anliegen zu verzahnen. „So wird Darmstadt in seiner ganzen Vielfalt erlebbar“, brachte es Lülsdorf auf den Punkt. Sein Dank galt allen Mitwirkenden, die das ökumenische Kirchenfest ermöglicht und damit den Besuchern Eindrücke von Kirche abseits der gewohnten Gottesdienste vermittelt haben. Lülsdorf: „Die Nacht der Kirchen ist eine Gemeinschaftsaktion aller Christen in Darmstadt.“