Bensheim

Die Ausstellung ist noch bis zum 16. April im Bensheimer Museum zu sehen. Foto: soe
31. März 2017 

Zeichnen ist das Sichtbarmachen von Ideen

Die Ausstellung „Der Blick von außen“ Stadtansichten von Bensheim in Feihandzeichen­arbeiten

BENSHEIM, März 2017 (pem), Bensheimer kennen ihre Stadt, doch “was einen ständig umgibt, nimmt man gar nicht mehr wirklich wahr“, räumte Bürgermeister Rolf Richter ein. Er begrüßte zu einer Ausstellung, die Museumsleiter Christoph Breitwieser in den Räumen seines Hauses einrichtete. Die unter dem Titel „Der Blick von außen“ versammelten Exponate fokussieren das Augenmerk neu und setzen der Wahrnehmung neue Akzente. Ihre Blicke ließen Studierende und Dozenten des Fachbereichs Architektur der Hochschule Darmstadt schweifen, um dann den Stift zu einer Übungsarbeit im Freihandzeichnen zu schwingen.

In seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung erklärte Dekan Prof. Hennig Baumann, weshalb dieses Fach in der Ausbildung unverzichtbar sei: Wie Sprache und Schrift für Autoren, so sei das Zeichnen für den Architekten ein Mittel, um Gedanken zu ordnen. Unser Denken ist kein linearer Prozess, das Zeichnen dagegen schon. Das räumliche Denken führt über die skizzierende Hand. Es gilt, Impression und Intuition in ein anderes strukturiertes Medium, die bildliche Darstellung, zu übersetzen und damit „den Kommunikationsradius zu erweitern“. Sogar in der Einschätzung eines Akademikers tut der Volksmund Wahrheit kund: “Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“

Eingebungen, Empfindungen, Ideen veranschaulichen sich darin, so dass eine Zeichnung einerseits das Endprodukt eines Gedankengangs darstellt, andererseits damit zugleich dem Prozess neuer Überlegung und Ideenfindung zur architektonischen Gestaltung eine Grundlage gibt.

Je besser man in der Lage ist, Dinge zu erfassen, desto besser gelingt es, dem Immateriellen Form zu geben. Prof. Waldemar Borsutzky, der das Projekt in Bensheim initiierte, versteht Zeichnen als Anleitung zum Sehen. Die Fähigkeiten, die eigenen Vorstellungen zu konkretisieren und des sensiblen, empathischen Wahrnehmens schult sich daran. Im gleichen Maß wird die Sicherheit und Präzision wachsen, die eigenen Vorstellungen zu konkretisieren. Aus dem berufenem Munde des Ausbildenden erhielt jeder der AusstellerInnen eine kurze Würdigung der Charakteristika seiner zeichnerischen Arbeit. Die Aufgabenstellung, das zu Papier zu bringen, was einem an Bensheim prägend und typisch erschien, führte zu einer breitgefächerten Motivwahl. Bei „Besucherwinkeln“ und „Postkarteneckchen“ wie Marktplatz, Kirchberghäuschen und Fürstenlager, gab es häufig Überschneidungen.

Anderen erschienen durchaus der Finanzamt-Quader, eine Haltestelle oder das Telecomgebäude ein Portrait wert. Als einziger bezog der Dozent Jens Huwe die Partnerstadt Riva del Garda ein, um dem mediterranen urbanen Flair beider Orte als verbindendem Element nachzuspüren. Für den Betrachter liegt ein Reiz der Ausstellung zunächst im jeweiligen ästhetischen Wert der Zeichnungen. Die Besonderheit besteht aber darin, die Darstellungen als sichtbare, individuelle „Wahrnehmungsmuster“ und lesbare Denkspuren zu entziffern.

Die Stile verraten unterschiedliche Ansätze für die architektonischen Projekte, die sich im nächsten Schritt in der Praxis daraus entwickeln würden. Die Bandbreite reichte dabei von Konturenbetonung über sehr zeichenkünstlerische Exponate, die in klassischer Technik mit Schraffieren, Schummern und Schattenwurf dem Licht als wichtigem Element Rechnung tragen, bis zu flüchtigen Skizzen. In den Bensheim-Impressionen von Professor Walter A. Schmid steigert und verdichtet sich diese Dynamik zum expressiven Ausdruck. Erklärtermaßen fühlte er sich dabei mehr der Kunst als der Lehre verpflichtet.

Einen Strauß aus dem Zitatengarten humorvoller Lektüre mit spitzer Feder und Esprit brachte Walter Renneisen in bewährt launigem Vortrag dem Publikum dar. Alle ausgestellten Schüler- und Dozenten Blätter stehen auch privaten Kaufinteressenten zur Auswahl. Der Katalog vereinigt Aussteller. Die Originale sind noch bis zum 16. April im Bensheimer Museum zu sehen.