Alsbach-Hähnlein

Ein Projektchor unter der Leitung von Heike Städter beeindruckte das Publikum mit der Aufführung der „Deutschen Messe“ von Franz Schubert im Festgottesdienst am 27. Oktober in der Alsbacher Kirche. Foto: soe
05. November 2019 

110 Jahre Kirchenchor Alsbach

Die Geschichte des Chores – Höhepunkte der Jubiläumsfeierlichkeiten war die Aufführung der „Deutschen Messe“ durch einen Projektchor

ALSBACH-HÄHNLEIN, November 2019 (meli), Im Festgottesdienst am Sonntag, dem 27. Oktober 2019, feierte die Ev. Kirchengemeinde Alsbach das 110-jährige Bestehen ihres Kirchenchores. Ein Projektchor führte die „Deutsche Messe“ von Franz Schubert (1797 – 1828) auf. Mitwirkende waren der Alsbacher Kirchenchor, Sängerinnen und Sängern aus anderen Gemeinden an der Bergstraße und aus der Partnergemeinde Obercrinitz (Erzgebirge), zu der seit 28 Jahren eine freundschaftliche Verbindung mit dem Alsbacher Kirchenchor besteht. In diesem bekanntesten geistlichen Werk Schuberts rücken die Texte neben dem Lobpreis Gottes den Menschen mit seinen irdischen Sorgen und Nöten ins Blickfeld.

Heike Städter hatte als Chorleiterin mit viel Engagement in einer großen Zahl von Proben den Chor auf die Aufführung vorbereitet. Solopartien wurden von Ulrike Thumfarth gesungen. Gunhild Streit begleitete die Aufführung an der Orgel und gestaltete musikalisch den Gottesdienst. Nicht nur bei den Sängerinnen und Sängern war die Freude an ihrerm Gesang spürbar; auch die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes ließen sich von der sehr gut gelungenen Aufführung anrühren.

Schriftlesung und Fürbitten wurden von Mitgliedern des Chores übernommen. In seiner Predigt – anknüpfend an Kolosserbrief 3,12-17 – hob Pfarrer Johannes Lösch hervor, welche positive Wirkungen das Singen hat und bei den Hörenden bewirken kann. Musik macht Mut, bildet Gemeischaft und dient dem Lob Gottes. Im Anschluss an den Gottesdienst fand ein Empfang im Ev. Gemeindehaus statt. Gruß- und Dankesworte sprachen u.a. Bürgermeister Sebastian Bubenzer und für das Ev. Dekanat Bergstraße Dr. Michael Wörner.

Die Mitglieder des Chores aus Obercrinitz waren schon am Freitag angereist und bei Chormitgliedern in Alsbach zu Gast. Dem geselligen Beisammensein der Partnerchöre am Freitagabend war am Samstag ein Ausflug nach Lorsch in das Tabakmuseum gefolgt. Singen tut der Seele gut, so mögen einige Menschen – genaue Zahlen liegen nicht vor – im Jahre 1909 gedacht haben, als sie sich zusammenfanden, um zu singen, den Gottesdienst mitzugestalten und um Gemeinschaft zu pflegen.

Viele Jahre kam man so zusammen unter der Leitung von Schulleitern oder Lehrern. Hatte die eigene Stimme in der Chorstunde gerade Pause, wurde gestrickt. Die Zeit musste sinnvoll genutzt werden; schwätzen durfte man ja nicht. Das war verboten, damals wie heute.

1934 zur 25-Jahrfeier gab es am 13. Mai ein Kirchengesangsfest des Dekanats Zwingenberg mit Festgottesdienst, Umzug und gemeinsamem Singen auf der Schlosswiese des Alsbacher Schlosses. 500 bis 600 Sängerinnen und Sänger aus 15 umliegenden Kirchengesangsvereinen nahmen daran teil. Hinzu kamen noch der Männergesangsverein Eintracht, der Kriegerverein, Turnverein, Bauernverein, Odenwald-Club, Mädchen vom BDM und das Jungvolk. An dieser Menge der Vereine kann man sehen, welchen großen gesellschaftlichen Stellenwert der Alsbacher Kirchenchor damals hatte. Dabei war die Mitgliederzahl nicht besonders groß. 36 Frauen und fünf Männer zählten dazu.

Ab 1936 durfte man übrigens in der Öffentlichkeit nur noch auftreten, wenn man eine Ausweiskarte mit sich trug, die bezeugte, dass man Mitglied der Reichs-Musikkammer war. Wegen des Krieges und dem Fehlen von Männern musste das Kirchenchor-Leben eine Weile ruhen.1945 rief Pfarrer Keitzer im November dazu auf, den Chor neu zu aktivieren.

Prof. Borngässer übernahm zunächst die Leitung. Mehrere Chorleiter folgten, zuerst der Lehrer Betz aus Seeheim, dann der Friseurmeister Stein. Dieser leitete den Chor 10 Jahre lang. In diese Zeit fiel auch das 50-jährige Chorjubiläum.

1960, am 10. Januar, wurde der Jubiläumsgottesdienst gefeiert. Der damalige Kirchenpräsident, Dr. Martin Niemöller, hielt die Predigt.

1961, am 24. September, fand ein großes Dekanatssingen mit kostenlosem Mittagessen für die Gäste statt. 84 Haushalte beköstigten 127 Gäste, weitere 60 Haushalte spendeten Geld, 253,- DM, für den Chor, um die Aktion – übrigens ein voller Erfolg – zu unterstützen.

Ab 1962 gab es mehrere Veränderungen: Hans Martin Breckner, Lehrer in Alsbach, leitete 10 Jahre lang den Chor, kurze Zeit Reinhard Sillus, danach Frau Reinhard. Beide zogen leider weg. Aber der Chor hatte Glück. Dietrich Schmidt konnte für die Stelle geworben werden. Fast 30 Jahre lang war er Chorleiter. Unter seiner Führung wurde das Liedgut erweitert. Motetten, Kantaten wurden eingeübt, um jeden halben Ton wurde gerungen. Doch es wurde nicht nur gesungen. Runde Geburtstage, goldene Hochzeiten wurden mitgestaltet, mitgefeiert, Ausflüge zu Fuß, mit Schiff und/oder Bus wurden veranstaltet. Es war ein reges Miteinander, an das sich die Chormitglieder von damals noch gerne erinnern. Ein Gemeinschaftsgefühl entstand, welches bis heute anhält.

1989 fiel die Mauer. Alte, bestehende Verbindungen zur ehemaligen DDR wurden wieder aufgenommen, und intensiviert. Die Kirchengemeinde knüpfte Beziehungen zu Obersdorf im Gonnatal, eine Kommune zu Zwickau und Umgebung. Letzteres war gut für den Chor. Kantor Schmidt und seine Frau kannten Obercrinitz, zu Zwickau gehörend, sie wussten, dass dort ein Kirchenchor vorhanden war.

Schnell entstand eine sehr freundschaftliche Verbindung. 1991, 1993, 1996, 2001, 2006, 2011 und 2016 waren die Alsbacher Gäste in Obercrinitz und wurden immer herzlich aufgenommen. 1992, 1995, 1999, 2004, 2009 und 2014 wurde der Besuch erwidert. Somit besteht die Verbindung seit 25 Jahren. Sie wurde immer intensiv gepflegt und wird hoffentlich, trotz der Probleme, welche durch das Älterwerden der Chormitglieder entstehen, weiterhin lebendig bleiben.

2003 besuchten die Alsbacher auch einmal die Partnergemeinde Obersdorf im Gonnatal. Ab 2005, es war September, leitete Lev Losev den Chor. Lev Losev kam aus Petersburg, war dort ein hochqualifizierter Chorleiter – und hatte dementsprechend hohe Ansprüche an die Qualität des Singens. Da konnten die Alsbacher Sängerinnen und Sänger nicht mithalten, zumal es Verständigungsprobleme auf beiden Seiten gab. So beendete man diese Verbindung.

Aber das 100-jährige Chorjubiläum stand kurz bevor. Obwohl mit eigenen Terminen voll ausgelastet, half Frau Kramolisch die Schwierigkeiten zu überwinden und der Festgottesdienst konnte 2009 unter der Chorleitung von Herrn Koch aus Obercrinitz stattfinden.

Von 2010 bis 2013 war Gudrun Nowak Chorleiterin. Leider hatte sie andere Berufspläne und kündigte. Glücklicherweise konnte Heike Städter als neue Chorleiterin verpflichtet werden. Ihr gelingt es, mit ihrem ruhigen, fröhlichen Selbstbewusstsein immer wieder neu zu motivieren.

Recherche: Edgar Götz und Gertrud Hildebrand-Schmidt