Alsbach-Hähnlein

Jutta Jankowski aus Alsbach verspinnt nur Naturwolle und fertigt daraus auch farbenfrohe Schals. Foto: soe
19. August 2014 

„Woll“-lustige Liebe zur Faser

Spinnen ist für Jutta Jankowski aus Alsbach Zeitreisehobby und Entschleunigungs-Philosophie

ALSBACH-HÄHNLEIN, August 2014 (meli), Zwischen Schafsfell und Strickstück spannt sich ein langer Geduldsfaden: Man besinnt sich wieder auf das Spinnen und textile Künste. Alternativen, Nostalgiesehnsucht, Retromode oder Traditionsbewusstsein? Sie stellen keinen bloßen „Zeitvertreib“ dar, denn man genießt die Befriedigung, etwas Sichtbares, Benutzbares nach eigenem Geschmack zu produzieren.

„Wir stehen immer auf den Schultern früherer Generationen und haben uns doch so weit entfernt, dass wir es vergessen.“ so die Meinung von Jutta Jankowski. Um sich weniger der Natur entfremdet zu fühlen, besann sich die Sparkassenangestellte auf eine vor rund vierzig Jahren erworbene Fertigkeit. Mit Geschick und Übungsfleiß eignete sie sich die Grundkenntnisse innerhalb einiger Wochen an. „Ich bin schon zwischen Stoffen und Geweben, Fäden und Garnen aufgewachsen, weil meine Mutter viel schneiderte. Ich habe ein besonders inniges Verhältnis zu diesen Materialien und das textile Arbeiten liegt mir im Blut,“ erklärte sie dem Melibokus Rundblick und jetzt „in ihren besten Jahren“ holte sie das alte Spinnrad, ein „Böckchen“ hervor und fand, wonach sie suchte: eine ruhige Tätigkeit, um zu sich zu finden, das innere Gleichgewicht auszubalancieren, indem sie ihren Gedanken freien Lauf lassen kann. An den Wänden ihrer heimischen Spinnstube hängen unzählige füllige Garnstränge in unterschiedlichster Beschaffenheit, doppelt verzwirnt, dreifach verschlungen, einfach umwunden, fein oder grob, glatt genoppt oder gefranst. Dazu noch selbstgefärbt. Die zarte Merino Wolle gehört zu den Favoriten ebenso wie Tussaseide. Naturgaben wie Bananenfaser oder kostbare Lotussseide ebenso wie Fäden aus alten Saris, glänzende Effektgarne und kleine Perlen bilden den Zierrat.

Viele Garne finden Verwendung in Jutta Jankowskis sehr filigranen Filzarbeiten, denn „nur Socken stricken ist langweilig!“ Boa, Schal, Mantelkragen, Collier – die originellsten „Hingucker“. Das Spinnen vernetzt zusätzlich noch menschlich. Jutta Jankowski hat zahlreiche befruchtende Internetbekanntschaften geschlossen und in Biebesheim und Schwanheim Frauen getroffen, die der „Faserverliebheit“ nicht minder erlegen sind. Tatsächlich lebt in diesen Kreisen sogar noch ein wenig von der Erzählkultur der früheren Spinnstuben weiter. „So hört man nie auf zu lernen und sich immer tiefer einzulassen.“

Wohin der Faden noch führt ist ungewiss, doch eins ist sicher. „Ich freue mich schon, wenn ich in Rente gehe und mehr Zeit für mein Hobby habe. Das Weben am großen Rahmen möchte ich auch noch unbedingt lernen,“ verriet sie dem Melibokus Rundblick.