Alsbach-Hähnlein, Darmstadt

Die Ausgaben von 4 Jahren des Melibokus Rundblick sind in diesem großen Zeitungsband chronologisch geordnet gebunden. Foto: soe
08. Januar 2015 

Dem Melibokus Rundblick auf der Spur

Die Darmstädter Universitäts- und Landesbibliothek archiviert zur Zeit 143 Zeitungstitel – darunter auch den Melibokus Rundblick

DARMSTADT, Januar 2015 (pem), „Vermutlich sind wir mit den Archiven schon fast bis zum Mittelpunkt der Erde vorgedrungen“, scherzt Fred Bauer, der die Zeitungsstelle der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt leitet. Zeitungen, die zwischen Vogelsberg- und Odenwaldkreis erscheinen, fallen in seinen Zuständigkeitsbereich.

In den eigenwilligen Umrissen des Einzugsgebiets markieren sich noch die Grenzen früherer Fürsten- und Herzogtümer, denn das Archivieren von Druckerzeugnissen ist eine historisch gewachsene Aufgabe. Die Bedeutung der Dokumentation war schon den Vorfahren im 17. Jahrhundert bewusst. „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“, spötteln die Journalisten gerne selber. Doch gerade darin liegt für den Historiker die tägliche Wertsteigerung. Als Konsequenz erwuchs daraus 1663 die erste deutsche „Pflichtexemplarreglung“ in München. Die Regelung, dass Druckwerke unentgeltlich automatisch an die Münchner Hofbibliothek abzugeben seien, machte Schule und wurde in zahlreichen Verordnungen und nachfolgenden Gesetzen aufgenommen.

Über das Bundesgebiet verteilt gibt es diverse Standorte von Pflichtexemplarbibliotheken, so dass die Pressearchivierung flächendeckend gewährleistet ist. So trifft auch heute noch die „Blätterflut“ in Darmstadt ein. 143 Titel erfüllen derzeit in Fred Bauers Abteilung das Formatkriterium einer Zeitung. Kleinformate werden separat gesammelt. Der Erscheinungsmodus eines Blattes ist unerheblich. Tageszeitungen, Blätter im Wochen-, 14-Tage oder Monatsturnus werden nach dem Eintreffen alle in gleicher Weise behandelt. Im Regalfach der Zeitung einsortiert, wächst der Stapel der Exemplare – das Gewicht glättet schon mal ein wenig. Schließlich werden die gesammelten Werke professionell jahrgangs- oder monatsweise in enorme Bücher von beachtlichem Gewicht gebunden. In dieser Form wandern sie dann in die lichtarmen Magazine im Keller, der so kühl temperiert ist, dass es die Lebensdauer der Zeitungen begünstigt. Die Papierqualität entscheidet.

Die ältesten in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt archivierten Zeitungspflichtexemplare stammen aus dem Jahr 1740. Zugleich bildet sich in der Sammlung die Bewegung in der Presselandschaft ab, viele Blätter kamen und verschwanden nach einigen Jahrgängen oder wenigen Ausgaben bereits wieder.
Natürlich will die Bibliothek Forschung und Wissenschaft dienen, darüber hinaus fungiert sie als Ausleih- und Präsenzbibliothek für jedermann.

Ausleihbar sind die kostbaren gebundenen Bücher nicht, doch wer immer interessiert ist, kann nach Anmeldung und Absprache vor Ort Einsicht nehmen in die von ihm gewünschte Ausgabe. Von Interesse ist das häufig für private Ahnen -und Heimatforscher. Gerne werden auch Berichterstattungen zu einem Thema in verschiedenen Medien verglichen.

Am Beispiel des „Melibokus Rundblick“ erläutert Fred Bauer den speziellen Verdienst kleinerer Regionalzeitungen. „Hier arbeitet man ohne Presseagenturmitteilungen, die man meist unbearbeitet im Wortlaut in vielen Zeitungen wiederfindet. Berichte werden authentisch verfasst. Personen- und Vereinsportraits, Geschäfts- und Verbandsjubiläen, Artikel über Feste, Kunst und Veranstaltungen, all das bildet das Alltagsleben der Region hautnah ab. Aus der Distanz der Jahre werden solche Details zu aufschlussreichen Informationsquellen für den, der dem Zeitgeist einer Epoche nachspürt oder sich um deren Gesellschaftsleben und soziale Kultur kümmert.“

Natürlich geht die Zeitungserstellung mit der Zeit und das bedeutet für die ULB in absehbarer Zeit auch die Speicherung digitaler Zeitungsausgaben. „Trotzdem ist Papier einfach haptisch so etwas Schönes, dass ich mir wünsche, weiterhin raschelnde Zeitungen um mich zu haben“, lacht Fred Bauer.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Melibokus Rundblick wird künftig die Freude über die Fertigstellung einer neuen Ausgabe ihrer Zeitung immer mit der Erinnerung an die Zeitungsstelle verbunden sein. Man hat neben dem aktuellen Lesewert auch wieder ein Exemplar zur Erweiterung der Sammlung geschaffen, die in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt lagert wie ein guter Wein. Was noch darin schlummert, wird ausreifen.

Das Informationspotenzial der journalistischen Arbeit von heute kann dann morgen neu erschlossen werden. Die Zeit arbeitet hier für die Zeitungen.