Alsbach-Hähnlein

Verlegt wurden die Stolpersteine, wie bereits in rund 1.300 anderen Städten und Gemeinden, von Künstler Gunter Demnig. Foto: soe
09. Januar 2016 

Steine des Denkanstoßes

Mit der Verlegung von „Stolpersteinen“ ehrt und erinnert die Gemeinde Alsbach-Hähnlein an ehemalige jüdische Mitbürger

ALSBACH-HÄHNLEIN, Januar 2016 (pem), Ein Sprichwort sagt: „Namen sind Schall und Rauch – aber in Stein oder Metall gefräst, scheint die allem trotzende Widerstandskraft der Materialien auf die Namen über zugehen.“ Namen stehen für Personen, Steine für die Ewigkeit. „Gilui Mazewa“ heißt die Zeremonie, in der im jüdischen Ritus ein Jahr nach der Bestattung ein Stein gesetzt wird, der die Verpflichtung symbolisiert, den Verstorbenen nicht zu vergessen. Kleine Steine hinterlassen dann auch die Besucher der Grabstätte als Gruß an ihn. Generationen später können wir nicht in dieser Form die Würdigung derer vornehmen, die als Mitbürger unter uns lebten bis Verleumdung, Verfolgung und Lebensbedrohung ihnen die Existenz unmöglich machten. Symbolisch, aber mit dem gleichen eindringlichen Appell wider das Vergessen, verlegen deshalb Gemeinden sogenannte „Stolpersteine“ mit den Namen der ehemaligen Bewohner vor deren ehemaligen Häusern. Wir können der Vergangenheit im Alltag begegnen, die Stolpersteine zu unseren Füßen werden zu Steinen des Anstoßes für den Gedanken, dass wir stets im übertragenen Sinne auf den Schultern früherer Generationen stehen und Geschichte ein ständiger Prozess ist, aus dem man sich nicht ausnehmen kann. Geschichtsvergessenheit stellt eine Gefahr für die Zukunft dar.

Auch in Alsbach verlieh man jetzt dem ehrenden historischen Bewusstsein Ausdruck. Mit langer intensiver Vorarbeit hatte die Initiative „Stolpersteine für Alsbach“ die Verlegung zum Gedenken an die Familien David und Sussmann im Rahmen eines öffentlichen Rundgangs erwirkt. Der Einladung waren rund 130 Bürger gefolgt. Mit eindringlichen und berührenden Worten gestalteten Bürgermeister Georg Rausch und Pfarrer Hans-Peter Rabenau für die Evangelische Kirche die Begrüßung. In seiner besinnlichen Rede sprach sich der Vorsitzende der Initiative, Lukas Becker, sich für die Bedeutung des richtigen Umgangs mit der Vergangenheit aus: Keinen der heutigen, mittlerweile dritten Generation, die auch er repräsentiere, träfe Schuld für das Geschehene, jeder trage jedoch Verantwortung, was umso mehr Brisanz gewinnt in Zeiten in den wieder unverhohlen Fremdenfeindlichkeit schutzsuchenden Menschen entgegenschlägt.

Besonders freute man sich über die Anwesenheit von Ursula David, die 1932 als Tochter der Familie David geboren wurde und jetzt in USA lebt. Von der Ehrungszeremonie vor dem Elternhaus bewegt, versicherte sie, dass diese Reise nach Deutschland die schönste ihres Lebens sei. Schüler der Melibokusschule verlasen an den beiden Standorten die Biographien der Bewohner. Mit dem individuellen Schicksal gewann die Person, der Mensch hinter dem Namen wieder Profil.

Die würdevolle Stimmung der Veranstaltung begleitete Raphael Wolf mit seinem Saxophon musikalisch. Zwei weitere mit Messingplatten versehene Pflastersteine, aus der Hand des Künstlers Gunter Demnig, fanden in der Bickenbacher Straße ihren Platz. Bedauerlicherweise konnten keine Nachfahren der Familie Sussmann ausfindig gemacht werden.

Es sind keine Schlusssteine, die etwas endgültig besiegeln sollen. Man versteht sie besser als Grundsteine für das Fundament einer toleranten, offenen und menschlichen Gesellschaft. Deshalb bleibt der Verein „Initiative Stolpersteine für Alsbach“ bestehen und setzt seine engagierte Arbeit fort. Ziel ist es, sämtliche ehemaligen jüischen Mitbürger der Gemeinde zu ehren. Dafür wünschen sich die Mitglieder viel Unterstützung und neue Mitstreiter.