Sonnenkinder ohne Schattenseiten
Auf dem Sonnenkinder Begegnungshof in Rodau haben Eltern im Verein „Sonnenkinder Elterninitiative Handicap e.V.“ ihren Kindern mit Einschränkungen einen Ort gelebter Inklusion mit abwechslungsreichem Aktivitätenprogramm geschaffen
ZWINGENBERG-RODAU, Dezember 2017 (pem), 80 Elternpaare von Kindern mit Einschränkungen bringen mit praktischen Ideen und vielfältigen regen Initiativen tatkräftig Licht ins Leben der „Sonnenkinder“. Und umgekehrt diese auch in ihre Familien.
Gemeinsam ist den Familien, dass das Kind, das in ihrer Mitte aufwächst, eine kostbare Gabe bedeutet, ein Geschenk, das das eigene Leben bereichert, nicht anders als ein gesundes Kind. Dennoch stellt es für alle Angehörigen eine besondere Herausforderung dar, den speziellen Bedürfnissen nachzukommen, die an Pflege, medizinischer Versorgung, Schutz, Zuwendung und Betreuung an sie herangetragen werden. Ein Höchstmaß an Organisation, Kooperation und Koordination wird ihnen abverlangt. Die Aufgaben wären oft kaum zu bewältigen ohne ein ungeheureres Potential an Geduld und Nervenstärke, das sich durch die Liebe zu dem Kind immer wieder zu erneuern scheint.
Trotzdem ist es oft nicht zu verhindern, dass sich die eigenen Kräfte erschöpfen. Krisen bahnen sich an, wenn plötzlich alles zu viel wird, der Belastungsdruck einem fast den Boden unter den Füßen wegreißt und man dazu noch das Empfinden hat, mit allem alleine zu sein! Zwei Bensheimer Mütter fanden einen Weg, dem vorzubeugen, tauschten sich intensiv aus, unternahmen einiges gemeinsam und ihnen wurde klar, wie sehr beide von diesem Kontakt in ihrem „Familienmanagement“ profitierten. Es war ihnen ein Anliegen, diese positive Erfahrung zu teilen und einem größeren Kreis Betroffener zugänglich zu machen.
Die Resonanz auf die gute Idee führte dazu, dass 2003 zunächst regelmäßige offene Treffs unter dem Dach des Familienzentrums Bensheim ins Leben gerufen wurden. Das Interesse an diesem Ort für Begegnung, Gespräch und Information wuchs rasch. Um unabhängiger und flexibler sein zu können, gründete man 2003 den Verein „Sonnenkinder Elterninitiative Handicap e.V.“. Die Mitgliedszahl stieg, es ergaben sich ebenfalls Kontakte zu Fachpersonal und Therapeuten, die den Kreis immer wieder mit neuen Impulsen bereicherten.
Inspiriert durch die guten Erfahrungen der Kinder mit Tiertherapien, teilten die Mitglieder bald die Wunschphantasien einer Therapeutin nach der Einrichtung eines Mensch- und Tier-Begegnungshofs. Das Jahr 2009 markierte eine Wende mit einem der bedeutendsten Ereignisse der Vereinsgeschichte. Die Bewerbung darum, vom RTL Spendenmarathon begünstigt zu werden, zahlte sich aus. Der stolze Betrag von einer Million reichte aus, um den Traum vom eigenen Hof zu verwirklichen! In Rodau fand sich das passende Grundstück. Bevor der Verein sein neues Domizil bezog; hatten die Mitglieder all ihre Kompetenzen koordiniert und Kräfte gebündelt, um in unzähligen Arbeitsstunden das Gebäude zu errichten und das Gelände zu gestalten.
„Niemand schloss sich bei dieser kolossalen Eigenleistung des Vereins aus“, erinnert sich eine der Organisatorinnen „Wer nicht bei den Bauarbeiten Hand anlegen konnte, brachte sich mit Kinderbetreuung oder Essensversorgung ein. Wo das eigene Know-how an Grenzen stieß, holte man sich Unterstützung, z.B. bei der Anlage der wunderbaren, Motorik fördernden Spiellandschaft. Die 72-Stunden-Aktion der Kirche, bei der Jugendliche ehrenamtlich ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, bescherte dem Verein den kompletten Stall. Seit dem vergangen Jahr besitzen die Sonnenkinder auch eine Reithalle. Wetterunabhängig profitieren Kinder mit unterschiedlichsten Einschränkungen vom fachkundig geleiteten therapeutischen Reiten und Voltigieren.
„Es macht nicht nur enormen Spaß, sondern hat auch vielfältige positive körperliche und psychische Effekte. Das Selbstwertgefühl verbessert sich. Wenn sich der Körper zu einer geraderen Haltung aufrichtet, wachsen Kinder auch innerlich. Ängste lassen sich überwinden, Vertrauen – auch in sich selbst – aufbauen“, erklärt eine Mutter. Das größte Kapital des Vereins ist das ehrenamtliche Engagement all seiner Mitglieder. Es trug die rasante Entwicklung, die bald ein umfangreiches monatliches Aktivitäten- und Kursangebot hervorbrachte, das für alle Altersstufen von Kleinkindern bis zum jungen Erwachsenen und für die Eltern attraktiv ist. Menschen mit und ohne Einschränkung fühlen sich dabei wohl. Besuche von Schwimmbad, Bowlingbahn, Minigolf, Spielclub und Kino stehen auf dem Programm.
Das Aufeinandertreffen von Mensch und Tier steht im Mittelpunkt, doch ebenso schufen die Organisatoren mit dem Begegnungshofs eine Kommunikationsplattform. Erst wenn das „Anderssein“ normal ist, erfüllt sich der Herzenswunsch der Sonnenkinder. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die schulische Inklusion, für die sich der Verein erfolgreich eingesetzt hat. Die Reichenbacher Grundschule und die Seebergschule ermöglichten die Einrichtung einer Kooperationsklasse, so dass auch Kinder mit Einschränkung die Regelschule mit adäquater Betreuung besuchen.
Offen zu sein für Kontakte zu nicht vereinsangehörigen betroffenen Familien genau wie zu Nachbarn und allen Interessierten ist dem Verein wichtig. Eine Möglichkeit zum Kennenlernen stellen die monatlichen Hofcafés dar, besonders aber das jährliche Fest zum internationalen Down Syndrom-Tag am 21. März. Spaß zu haben, war die wichtigste Disziplin bei der Kinderolympiade beim diesjährigen Fest. Verschiedene motorische Herausforderungen warteten auf einem Parcours von Spielstätten auf die Jungen und Mädchen. Gruppenweise absolvierten sie die Stationen, individuelle Stärken und Fähigkeiten ergänzten einander, man unterstützte sich gegenseitig, freute sich an den Erfolgen anderer wie an eigenen. Dabei gewann jeder viel für sich, was der zur Anerkennung überreichten Siegerurkunde noch symbolischen Wert verlieh.
Wer das lebhaft quirlige Miteinander der Kinder und die herzliche einander zugewandte Gemütlichkeit der Erwachsenen auf sich wirken ließ, etwa beim gemeinsamen Pizzaschmaus und Kaffeetrinken mit angeregten Gesprächen, konnte spüren, dass die Kinder auf dem Hof tatsächlich in der Sonne aufwachsen. Wie kleine Sonnengrüße stiegen deshalb im Ausklang des Festes zum Streckenwettflug die leuchtend gelben Luftballons in den frühlingsblauen Himmel!
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