Alsbach-Hähnlein

Historiker und Politikwissenschaftler Jürgen Wagner referierte vor vollem Haus.
25. März 2018 

“Nähern wir uns einem Neuen Kalten Krieg?”

Historiker und Politikwissenschaftler Jürgen Wagner referierte vor vollem Haus

ALSBACH-HÄHNLEIN, März 2018 (meli), Mit dieser Fragestellung hatte die Arbeitsgruppe Frieden Alsbach-Hähnlein am 15. März ins Bürgerhaus in Alsbach eingeladen. Vor ca. 60 Zuhörerinnen und Zuhörern referierte der Tübinger Historiker und Politikwissenschaftler Jürgen Wagner von der „Informationsstelle Militarismus“ zu o.g. Fragestellung. Er ging gleich zu Anfang in die Vollen mit der Aussage: Wir nähern uns nicht einem „Kalten Krieg“, wir sind mitten drin. Genauer gesagt, es gab nie ein Ende desselben. Er wurde lediglich für ein paar Jahre auf Eis gelegt. Zur Untermauerung dieser These verwies er auf den „No Rivals Plan“ der USA aus dem Jahr 1992, der schon ein Jahr nach dem Ende der damaligen Sowjetunion aus der Taufe gehoben wurde. In diesem heißt es klar und deutlich, für die USA sei es vorrangig „den (Wieder-) Aufstieg eines neuen Rivalen zu verhüten, sei es auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion oder anderswo…“.

Dementsprechend wurden schon unter G.W. Bush osteuropäische Länder in die Nato aufgenommen. Und schon Obama war mitverantwortlich für die Planungen zur Stationierung von NATO Truppen entlang der russischen Grenze in Osteuropa. Und dies obwohl es 1990 im Rahmen der Verhandlungen über die Wiedervereinigung eine klare Zusage gegenüber dem damaligen Generalsekretär der Sowjetunion, Gorbatschow, gegeben hatte, dass es keine NATO-Osterweiterung geben werde. Aber schon Obama ignorierte diese Gegebenheiten und sprach sogar von Russland als einer Regionalmacht.

Eigentlich, so der Referent weiter, müsse sich niemand wundern, dass Russland nicht bereit sei, derart geringschätzig mit sich verfahren zu lassen. Nachdem zahlreiche Initiativen Putins, mit Deutschland, Europa und den USA ins Gespräch zu kommen, ins Leere gelaufen waren, brachte die Ukrainekrise das Fass zum Überlaufen. Mit dem dreisten Eingreifen der USA und Europas in die Entwicklung in der Ukraine sollte in ein historisch gewachsenes ureigenes Einfluss- und Interessensgebiet Russlands quasi vor seiner Haustür eingegriffen werden. Russland fühlte sich in seiner Interessenlage bedroht und reagierte entsprechend. Die Folgen sind bekannt, bis hin zur derzeitigen Stationierung von NATO Truppen entlang der russischen Grenze. Interessant in dieser Situation sei, dass schon der ehemalige USPräsidentenberater Brzezinski in seinem 1997 erschienen Buch „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ die Ukraine als „geopolitischen Dreh- und Angelpunkt“ bezeichnet habe. Der Westen solle zwischen 2005 und 2015 eine „sukzessive Eingliederung der Ukraine ins Auge fassen“, so Brzezinski vor nunmehr 20 Jahren.

Tatsache sei, dass, auch wenn man die Lage im Nahen Osten mitbedenke, Russland sich, aus seiner Sicht, gezwungen sah, seine zeitweilige Zurückhaltung aufzugeben und sich wieder als weltpolitisch ernst zu nehmender Akteur zurück zu melden und somit Obamas Aussage von Russland als einer Regionalmacht Lügen strafte. An einem gedeihlichen Auskommen mit Russland führe jedoch kein Weg vorbei. Insofern sei es durchaus besorgniserregend, dass die NATOvorhaben in Osteuropa, wie verstärkte Truppenpräsenz, noch mehr Manöver – auch im Ostseeraum bis vor St. Petersburg – , geplante Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Polen, die Verständigung mit Russland nicht einfacher machten, zumal auch die EU nicht gerade auf Deeskalation setze. Sie habe in Bezug auf die Ukraine den Beschluss gefasst, mit Russland erst dann wieder ernsthaft zu verhandeln, wenn die Ukrainekrise beigelegt sei. Ein solcher Standpunkt sei letztlich kontraproduktiv und ein weiteres Indiz für die wieder belebte Kaltekriegsmentalität. Die derzeitige Eiszeit zwischen West und Ost, könne nur beendet werden, wenn die Kultur des Dialogs und der Verständigung nicht ausgesetzt sondern wieder gepflegt werde. In diesem Zusammenhang müssten internationale Sicherungsmechanismen wieder in Kraft gesetzt werden. So sei es z.B. erschreckend, dass es kein „Rotes Telefon“ mehr gebe, über das sich Staatsmänner wie Trump und Putin im Falle einer wirklich ernsten Krise kurzfristig verständigen könnten.

In Bezug auf Deutschlands Rolle in der derzeitigen Gemengelage verwies der Referent darauf, dass weder die die Modernisierung der in Büchel gelagerten amerikanischen Atomraketen noch die geplante Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben im Sinne der Bevölkerungsmehrheit seien. doch Lt. neuesten Umfragen seien nach wie vor 60% der Deutschen dagegen. Es sei nach wie vor wichtig, dass wir alle uns für eine friedliche Welt einsetzen.