Wie man in 30 Minuten zum Schauspieler wird
Naturtalent rettet Hähnleiner Gaasetheater
ALSBACH-HÄHNLEIN, März 2025 (raha) Manchmal ist es kurios, wie man von Jetzt auf Gleich zum Schauspieler wird. So erging es dem Hähnleiner Radballer Kevin Dieter an der vorletzten Aufführung des Gaase-Theaters in der Radsporthalle des RSV am 15. November. Eigentlich wollte er sich mit seiner Freundin und weiteren Bekannten einen gemütlichen Abend machen und den Schwank „Ein Mann spielt verrückt“ von Winnie Abel anschauen.
Doch quasi beim Betreten der Halle wurde er vom Vorsitzenden des Radsportvereins an der Eingangstür kurzerhand „rekrutiert“. Ein Darsteller war krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallen und die Rolle musste ganz schnell neu besetzt werden. Zum Glück war es nur eine kleine Nebenrolle mit fünf Sätzen und zwei Auftritten! Trotzdem ging der „Neue“ etwas irritiert und mit gehörig Lampenfieber ans Üben seiner Rolle, er hatte ja immerhin eine halbe Stunde Zeit dafür! Schnell wurden noch ein paar klischeehafte Kleidungsstücke aus der Requisitenkammer für ihn gefischt. Immerhin sollte er einen Zuhälter spielen! Doch dann machte er seine Sache sehr gut, musste zwar einmal fragend die Souffleuse im Kasten vor der Bühne anschauen, aber das Publikum hatte so gut wie nichts bemerkt! Am nächsten Abend saß die Rolle dafür perfekt und ein neuer Star am herbstlichen Hähnleiner Schauspielerhimmel war geboren!
In dem Stück geht es um einen korrupten Bauamtsleiter mit neureicher, golfspielender Gattin und esoterischer Tochter, der für den Neubau eines „Wellness-Clubs“ am Ortsrand Schmiergeld angenommen hat und dort auch eifrig als Gast weilt. Die Sache droht aufzufliegen und der Gute sieht keinen anderen Ausweg, als ab sofort auf „verrückt“ zu spielen. Unterstützt wird er dabei von seinem Hausarzt und einer Pflegerin mit DDR-Vergangenheit. Besonders sticht Fabienne Schwab als esoterisch ausgebildete Tochter hervor und sorgt mit allen Marotten dieser Pseudo-Wissenschaft für zahlreiche Lacher. Auch ihre „Mutter“, gespielt von Eva Gerhard hat die Rolle der neureich-arroganten Golfspielerin perfektioniert und spielt sie mit Herzenslust.
Timo Wirthwein hat mit der Hauptrolle als Baumamtsleiter, der anscheinend plötzlich verrückt wird, die Paraderolle des Stücks übernommen und zeigt dabei, was er draufhat. Sowohl als „Normaler“ oder als „Verrückter“ ist es für das Publikum ein Riesenspaß, ihm zuzuschauen. Den Hausarzt spielt Michael Nickels, der -für viele Stammgäste ungewohnt-, seine Rolle auf Hochdeutsch spricht. Die Pointe dazu kommt allerdings erst im dritten Akt zum Vorschein und wird hier nicht verraten. Auch die Pflegekraft Martha, gespielt von Miriam Rettig, hat die Lacher in dieser ihr auf den Leib geschriebenen Rolle auf ihrer Seite, kommt sie allerdings erst im zweiten Akt mit sächsisch näselndem Dialekt und DDR-Fan T-Shirt auf die Bühne. Die Gaudi dabei ist eine Treppe, die im zweiten Akt vor die Bühne gestellt wird. Auf dieser beginnt ein Spaziergang der Pflegerin mit dem vermeintlich verrückten Bauamtsleiter durch die gesamte Halle. Dazu wird das Rennsteiglied gesungen, was vom Hähnleiner Publikum an den fünf Aufführungen begeistert im Takt mitgeklatscht wurde. Regisseur Thomas Rhein übernahm in diesem Stück den Part eines Versicherungsvertreters, der eine Berufsunfähigkeitsversicherung an den vermeintlich kranken Bauamtsleiter auszahlen soll und sich dabei mit den esoterischen Heilmethoden der Tochter vertraut macht. Selbstredend werden die „energetischen Schwingungen“ zwischen den beiden später im Schlafzimmer genauer untersucht. Rosa Nickel spielt eine schnüffelnde Lokalreporterin, die den ganzen Skandal mit gehöriger Schadenfreude aufdecken will. Dabei muss sie in einer Szene zweimal durch das Bühnenfenster klettern und zeigt dabei, dass eine Frau „in den 70ern“ noch sehr gelenkig sein kann!
Weitere Rollen im Stück haben Nele Rhein als Prostituierte „Mandy“ des Wellness-Clubs, Giuliana Dreher als autistischer Sohn „Rüdi“ der Pflegekraft und Siggi Burkl sowie später Kevin Dieter als Zuhälter des Clubs.
Unverzichtbar für das Gaase-Theater-Ensemble ist die einzige gehörlose Souffleuse Deutschlands, Carmen Schäfer. Wie sie es trotz dieses Handicaps schafft, die Truppe von ihrem Kasten unterhalb der Bühne aus in Schach zu halten, ist eine enorme Leistung und wird nicht nur von der Schauspieltruppe entsprechend honoriert.
Auch die Bühnenbauer um Helmut Nickel sollen hier nicht unerwähnt bleiben. In vielen Stunden haben sie die Kulisse für das Stück vorbereitet. Die bekannte Hähnleiner Malerin Christel Nickel hat dazu die Hintergründe coloriert. Ohne die zahlreichen Helfer im Hintergrund, besonders beim Bedienen und an der Theke wäre ein solches Projekt natürlich auch nicht möglich!
Fünf Vorstellungen gab es im November. Alle waren ausverkauft! Die Darsteller sind natürlich alle Mitglieder im Radsportverein „Solidarität“ und spielen ehrenamtlich! Die Einnahmen kann der Verein gut gebrauchen! Mit einer eigenen Radsporthalle, die von 1964 bis 1966 in Eigeninitiative erbaut wurde, hat man ständig irgendwelche Investitionen zu leisten. Erst in diesem Jahr wurde die Halle energetisch saniert und mit einer Deckenstrahlheizung versehen.
Dass man dafür (mit Fördermittel der Gemeinde Alsbach-Hähnlein, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und dem Land Hessen) einen sechsstelligen Betrag aufbringen konnte, ist besonders den Schauspielern vom Gaase-Theater zu verdanken!