Bickenbach, Kirche

Oper in der KircheBekannte und beliebte Opernarien wurden unter dem Motto „Oper in der Kirche“ in der evangelischen Kirche in Bickenbach ihren Zuhörer auf beschwingte Weise präsentiert.
17. März 2013 

Altarraum im Arienglanz

Sabine Orthey-Berns und ihr Vater gestalteten in der Bickenbacher evangelischen Kirche das außergewöhnliche Konzert „Oper in der Kirche“

BICKENBACH (pem), „Oper hat nur bedingt etwas mit Musik zu tun.“ Mit diesen despektierlichen Worten schmähte einmal ein Dirigent das Genre dafür, die Tonkunst nur in den Dienst zu nehmen, um Geschichten zu erzählen. Was er als Verrat an der Reinheit der Musik empfand, kann man auch in positivem Licht betrachten: mit ihrem Darstellungswillen überschreitet die Oper die musikalische Ebene und fügt ihr noch den menschlichen Ausdruck in Körper und Bewegung hinzu.

Umso intensiver wirkt die Kombination aus Klang und Gestalt für die Inhalte: Es sind die zeitlosen, eben zutiefst mit dem Wesen des Menschen verbundenen Themen, die den Stoff liefern. Die überwältigenden Gefühle, die fast zu groß sind für die schmale Brust des Menschen. Das prägt sein Handeln, so hat Gott den Menschen geschaffen. Darin liegen die Berührungspunkte zwischen Musik und Religion: Über diese Seelenregungen stehen Oper und Kirche in Einklang. So nahm die evangelische Kirchengemeinde Bickenbach mutig die reizvolle Herausforderung an, tatsächlich die Arien in den Altarraum zu holen.

Sabine Orthey-Berns war experimentierfreudig genug das Wagnis „Oper in der Kirche“ Gestalt annehmen zu lassen. Nach einem ersten Engagement in Osnabrück gehört die Wahl-Bickenbacherin seit 2003 dem Chor des Staatstheaters Darmstadt an. Die berufliche Karriere wurde ihr bereits an der Wiege gesungen: Ihr künstlerisch begabter Vater arbeitet als Bariton und betätigt sich darüber hinaus literarisch. In seiner westerwälder Heimat ist er für seine Lyrik bekannt. So ergänzte seine sonore Stimme nicht nur die Gesangsdarbietung seiner Tochter, sondern als wortgewandter Poet und Verseschmied kamen ihm kurzweilige Moderationen aus Anekdoten und sachlichen Einführungen in die Stücke von den Lippen.

Als dritte im Bunde gesellte sich die Pianistin Stephany Weber hinzu. Ihr Spiel fügte sich so harmonisch dem Gesang zu, dass man an eine künstlerische Wahl- und Seelenverwandtschaft glaubte. Die sensible Einfühlsamkeit ließ ihre Begleitung zum Schatten der Stimmen werden. Ihr Faible für Liedbegleitungen genoss das Publikum, die Schönheit des Gesangs noch intensiver zur Geltung zu bringen. In dem gefälligen Programm entfaltete Sabine Orthey-Burns die breite Variationsfähigkeit ihrer volltönenden Stimme. Der Abend gewann an Attraktivität als „Minimaltheater“: wechselnde Kostümierungen und Requisiteneinsatz unterstützten die szenische Präsentation. Das Publikum erlebte einen furiosen Einstieg mit der Arie des trunkenen Lebemanns Graf Orlowsky – ebenso ungehobelt wie genusssüchtig. Auch das ist der Mensch in seiner „Rohform“, mit dramaturgischem Sinn war dieses Stück wohl als Entree gewählt worden.
Der Mensch entwickelt sich aber und seine andere demütig emotionale Seite brachte zum Kontrast die folgende Klage des Orpheus über die verlorene Eurydice zum Ausdruck. Ganz im Dienste der klanglichen Gestaltung brachte Sabine Orthey-Berns sämtliche Stücke in ihrer Originalsprache zu Gehör. Deshalb auch ihre Habanera in Französisch: sie zeigte dem Publikum nicht die kokettierende, sondern eine gefährlich selbstbewusst und herausfordernde Carmen.
In allen übrigen Stücken machte sie zugleich den Charakter der Musik sichtbar, Sängerin mit Körper und Seele. Ihr runder Sopran kommt am besten in getragenen Stücken zur Geltung, je langsamer desto genussvoller verfolgt der Hörer, wie sich die Töne entrollen. Das zarte Ansetzen ist kein vages Taktieren. Wie man von einem edlen Wein zunächst ein Pröbchen nimmt, um dem Aroma Zeit und Raum zum Erblühen zu gewähren, so modelliert sie jede Note. Eine anrührende Stimme, die mit ihrer Wärme stets Innigkeit und Atmosphäre erzeugt, die sich den wandelnden Gemütslagen der Stücke mühelos anpasst.
Einer der Höhepunkte stellte das Vater-Tochter Duett mit Schumanns „So wahr die Sonne scheinet“ dar. In dem breiten Komponisten-Spektrum von Brahms über Lortzing, Smetana bis Grothe u.a. loteten beide die Stimmungspalette der Notenliteratur aus.
Das Wagnis ist geglückt, erfüllt davon applaudierte das Publikum herzlich. Wenn sich Menschen gemeinsam freuen – ist es nicht ein informeller Weg auch Gott ein wenig näher zu kommen?