Dynamisch „dilettantische“ Delikatessen
Ein literarisch-musikalisches Programm für Genießer bot die Gruppe „De Roode Pelikan“ in der Bickenbacher Stephanskirche
BICKENBACH (pem), Kleinkunst in der Kirche – ungewöhnlich, in der Stephansgemeinde nicht unüblich und beliebt. Der Förderkreis bereitete vielen Bickenbachern großes Vergnügen damit, die Gruppe „De Roode Pelikan“ erneut einzuladen, denn ihr erster Auftritt im Vorjahr blieb nachhaltig in bester Erinnerung.
Aus dem Kleeblatt von Sängerin Julie André, Jochen Rautenstrauch (Percoussionist), Harald Schell (Gitarre) und Michael Weisbarth (Akkordeon) wurde ein Quintett. Seinen Debutauftritt gab Manfred Müller, „der mit seiner Klarinette der Vielfalt eine besondere Note verleiht“, so stellte Pfarrerin Andrea Thiemann ihn in ihrer Begrüßung vor.
„Piccolissima Serenata“ lautete damals wie heute der Titel des Abends. Das deutet an, dass sie dem Konzept des kleinen Abendkonzerts treu geblieben sind, den Rahmen aber immer wieder neu zu füllen wissen. Auswahlkriterium für die Zusammenstellung des Programms aus Liedern, literarischen Kabinettstückchen und eigenen Texten sei, dass es ihnen Spaß mache und Themen ihnen nahe stünden, betonen die fünf „Musikphilopoeten“. Sie finden ihren persönlichen Stil, den authentischen künstlerischen Ausdruck in Inhalt und Form. Urig und geistvoll zugleich. Dem Pelikan haftet die Legende an, er nähre seine Brut mit Herzblut.
Die Künstler haben ihn wohl mit Bedacht zu ihrem Namenspatron erwählt, weil passionierte Hingabe ihr Schaffen prägen. Amateure, Liebhaber, sind sie. Sie zeigen es in ihrem Bekenntnis zum „Dilettantismus“. Darunter verstehen sie das Gegenstück zum kalten, herzlosen durchperfektionierten Profitum. Nur so kann auch das unverwechselbare Flair des Abends entstehen. Dass man den Ernst des Lebens auch mit Heiterkeit würdigen kann, besagt die „Alltagsphilosophie“ des Quintetts. Die Kabinettstückchen aus den Werken von Heinz Erhard, Eckehard Henscheid, Hans-Dieter Hüsch und Joseph von Westphalen untermauern dies mit ihrem Esprit. Breit ist dem „Roode Pelikan“ der Schnabel gewachsen und vielsprachig tönt der Gesang heraus: Gemütliches „Pälzer Platt“ wechselt mit Paolo-Conte Klang und den Melodien, die die Italienurlaubsbegeisterung der 60er Jahre herauf beschwören.
Einen reizvollen Bruch erlebt der Hörer, wenn über die Lippen der eleganten Chansonniers, die gerade noch anmutige Sehnsucht hauchten nun die markige Rauheit der charaktervollen Lieder von Becaud oder Brel poltert. „De Roode Pelikan“ kredenzt eigenen Wein in alten Schläuchen als Delikatesse für Genießer. In liebenswert unkompliziertem Miteinander stellen die fünf Künstler ihre schwungvolle Sicht auf die Welt „poetisch, alltagsphilosophisch und musikalisch“ vor. Wenn Pfarrerin Thiemann und der Kirchenvorstand die Portale für die Kleinkunst öffnen, biedern sie sich nicht an das allgemeine „Entertainmentbedürfnis“ an.
Intensiv wird lebendige Kirche bei solch kulturellen Veranstaltungen fühlbar, wenn der Blick auf die menschliche Existenz und die bewegenden Dinge aus einer anderen Perspektive gerichtet ist. Das intellektuelle Vergnügen bekam mit der Musik immer wieder neue Dynamik und frischen Schwung. Ob Tango, Musettewalzer oder Klezmermelodie in allem gab der dilettantische Herzschlag den Takt an!
Foto: Stefan Oelsner

