Blütensignal am Malchener Hang
Mit der Pflanzung eines Kirschsortengartens begehen die Mitglieder der Ortsgruppe das 60-jährige Jubiläum des NABU
SEEHEIM-JUGENHEIM/MALCHEN, Dezember 2016 (pem), Obstanbau machte die Bergstraße zum Frühlingsblütenmeer. Die weithin geschätzte Qualität der Früchte gereichte der Region zum Prädikat. Selbst als gewandelte Marktstrukturen den Absatz schmälerten, betrieb man die Pflege und Ernte noch bis in die 50er-Jahre nebenerwerblich. Mit der Zeit wurden immer mehr Grundstücke aufgegeben. Damit büßte die Landschaft einen Teil ihres charakteristischen Profils ein. Grundstücke verwilderten oder wurden anderweitig genutzt. Das Bewusstsein für die Tragweite der Folgen in der Natur, die Auswirkung des Eingriffs in die biologische Balance, war noch zu wenig ausgeprägt. Dass Pläne zur Bebauung und Gewerbeansiedelung vehemente kontroverse Diskussionen entfachten, zeigte das grundsätzliche Interesse der Bevölkerung am Erhalt der Kulturlandschaft. Die lokale Umweltschutzgruppen NABU und BUND, sowie eigens gegründete Initiativen setzten sich dafür ein.
„Es blüht“ wählte sich Seeheim-Jugenheim vor etlichen Jahren zum Gemeindemotto und ist seither bemüht, den blumigen Tourismuswerbeslogan allenthalben mit nachhaltig grünem Leben zu füllen. In diesem Sinn fiel auch der Entschluss im Gemeinderat wieder an die Obstbautradition anzuknüpfen, nicht aus ökonomischen, sondern ökologischem Interesse. Gemeindeeigenes Gelände am Malchener Hang gegenüber des Röderhofs war vorhanden, Eigentümer von Nachbargrundstücken konnte man zum Abschluss von Pachtverträgen gewinnen. Die Nutzung, d.h. die aktive Pflege der Anlage, ist dem NABU übertragen worden. Bürgermeister Olaf Kühn sieht Seeheim- Jugenheim in einer Vorreiterrolle: „Wir wollen ein klares Signal mit der Bepflanzung setzen und hoffen auf Nachahmung!“ Als Mitgliedsgemeinde des Geoparks fand man einen kompetenten Partner. Auf einer Fläche von 3500 qm erstreckt sich das Geoparkgebiet zwischen Darmstadt, Heidelberg und Miltenberg. Ziel des Verbundes ist es, Erd- und Menschheitsgeschichte, Natur und Kultur zu dokumentieren und Vorort erlebbar zu machen. An die gerade konzipierte Kampagne, auf ein „Obst des Jahres“ aufmerksam zu machen, schloss das Anliegen Seeheim-Jugenheims an. Angeregt wurde die Einrichtung eines Kirschsortengartens.
Eine Art Musterpflanzung an der sich alle Interessierten für die Auswahl im eigenen Garten orientieren können. Von frühreifen bis zu Späternteexemplaren reicht die Bandbreite.Beschilderungen weisen die Sorten aus. So wird der Kirschgarten, durch eine ausführliche Erläuterungstafel ergänzt, zugleich als Infostop ein weiterer Anlaufpunkt in der Geopark-Infrastruktur.
Der Gemeindebeschluss zum Blütenhang fiel zu einem günstigen Zeitpunkt: Auf 60-jähriges Bestehen kann der NABU zurückblicken, so dass die Ortsgruppe in der Pflanzung von 60 Obstbäumen (neben Kirschen auch Pflaume, Reneclaude, Pfirsich und Birne) das Ereignis feiert und würdigt. Nach der detaillierten Planung galt der erste Schritt in der Praxis für die Finanzierung der Bäume zu sorgen. Bezuschussung von Gemeinde und BUND ließen noch eine Lücke, die durch einen Spendenaufruf von privaten Sponsoren nahezu ganz geschlossen werden konnte. Viele beließen es nicht bei monetärer Unterstützung und packten beim Arbeitseinsatz tüchtig mit an. Bürgermeister Olaf Kühn erwies sich dabei als erfahrener Gärtner.
Manches Bäumchen bekommt sehr persönliche Bedeutung: „Meine Mutter ist 94 und sehr krank. Da fand ich es einfach schön, doch noch diesen Baum für sie zu pflanzen“, erklärt eine Dame beim Schippen. Dank Kleinbagger-Sponsorin Elgard Jabi konnten die groben Aushubarbeiten maschinell erledigt werden. In knapp vier Fleißstunden erledigten rund 30 NABU-Mitglieder und Privatenthusiasten alles Übrige. Da in der Frühphase eines Baumes die reichliche Wasserversorgung besonders ausschlaggebend für das Gedeihen ist, erleichtert die Gemeinde durch Aufstellen von Wassertanks den Ehrenamtlichen die Arbeit.
Vorausfliegen darf jetzt die Fantasie: Wann findet der erste Kirschblütenball statt? Wird der „Kerschemischl“ zum kulinarischen Lokalkulturgut? Und wer könnte Seeheim-Jugenheims erste Kirschenkönigin werden?
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