Bickenbach, Gesundheit-Beauty-Wellness

Über das Thema „Angst - wenn ein normales Gefühl zur Krankheit wird“ ihre Formen und Behandlungsmöglichkeiten referierte Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht. Foto: soe
09. Januar 2016 

Dem Urgefühl die Schrecken nehmen

Mit seinen Ausführungen zum Thema „Angst – Wenn ein normales Gefühl zur Krankheit wird“ beendete Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht die Vortragsreihe „Pflege und Medizin im Dialog“ im Agaplesion Haus Bickenbach

BICKENACH, Januar 2016 (pem), Das Böse ist immer und überall, ja, das Leben ist lebensgefährlich! An Schutzengel mag man glauben, aber die Natur hat den Menschen lieber selber mit einem Warnmechanismus ausgestattet. Er verfügt über ein Gefahren- und Bedrohungsnavigationssystem, das sein Handeln adäquat lenken sollte. Es lässt uns Situationen meiden oder zu entfliehen, in denen wir aufgrund unserer Konstitution geringe Chancen haben, erfolgreich zu sein.

Ohne Kenntnisse der Fauna nahm auch der Höhlenmensch schon vor dem Säbelzahntiger Reißaus. Die Angst fungiert als instinkthafter Schutz. Sie wurzelt deshalb auch im evolutionsgeschichtlich ältesten Teil unseres Gehirns.

Der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Elisabethenstift Prof Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht begann seine Ausführungen mit der Definition des Phänomens „Angst“. Prof Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht schärfte den Blick für die positive Seite des unangenehmen Gefühls.

Die „gesunde Angst“ vollzieht einen Reiz-Reaktions-Bogen. Der Bedrohungswahrnehmung folgt die Anspannung, der „Stress“. Es schließt sich eine reflexhafte Reaktion an auf körperlicher und gefühlsmäßiger Ebene. Indem wir aktiv werden, sind wir keine Opfer mehr und haben die Kontrolle wieder gewonnen. Wir haben damit die Angst überwunden, wir brauchen sie nicht mehr und sie verschwindet tatsächlich. Ein unbewusster Prozess, der sich in Sekundenbruchteilen vollzieht. Neben der unwillkürlichen Reiz-Reaktionsverknüpfung existiert auch die bewusste Zuordnung. Eine negative Erfahrung wirkt prägend und führt zur Angst vor Wiederholung. Angst ist in diesem Fall „gelernt“: So weit steht die Angst also durchaus in unserem Dienst. „Wenn das normale Gefühl zur Krankheit wird“ stellte Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht in den Mittelpunkt des Vortrags. Bei der ungesunden Angst wird die erzeugte Anspannung nicht abgebaut, steigert sich sogar noch und macht den Betroffenen handlungsunfähig. Das subjektive Leiden ist ein weiteres Kriterium. „Jeder zehnte Deutsche leidet an einer Angststörung. Noch vor der Depression ist sie die häufigste psychische Erkrankung, Frauen leiden doppelt so häufig darunter.“ Angsterkrankungen stellen sich in verschiedenen Formen dar. Die Furcht bezieht sich auf Objekte oder Situationen (z. B. Spinnenphobie oder Höhenangst). Die diffuse Angst äußert sich ähnlich wie die Depression in Beklommenheit und beunruhigter Bedrückung als Dauerverstimmung.

Plötzlich und ohne erkennbaren Auslöser tritt die Panikattacke auf, meist gepaart mit heftigen körperlichen Beeinträchtigungen, weshalb sie auch als „Herzneurose“ bezeichnet wird. Bei der Diagnose einer Angststörung gilt es, wie bei den meisten psychischen Erkrankungen, zunächst organische Schädigungen als Ursache auszuschließen. Den Entstehungshintergrund geben die familiäre Prägung, die Persönlichkeitsstruktur sowie traumatisierende Ereignisse ab. Was die Therapie betrifft, hält Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht eine zeitlich begrenzte Einnahme von Medikamenten als Maßnahme bei akuten Zuständen für angebracht.

Langfristig setzt er jedoch auf verschiedene Formen der Gesprächstherapie und körperorientierter Entspannung. „Am wichtigsten ist es, die Ressourcen des Betroffenen zu stärken und ihn seine Handlungsfähigkeit erleben zu lassen. Es hilft, die Angst als natürliches Gefühl zu akzeptieren,“ betonte der Chefarzt. Wie auch bei den vorhergehenden Vorträgen, zeigte sich das Publikum in der anschließenden Diskussionsrunde sehr interessiert. Der Versuch des Agaplesion Haus Bickenbach, Hausbewohner, Bickenbacher Bürger und Bildungsangebote zusammenzubringen, konnte damit einen weiteren Erfolg verzeichnen.