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Hier versuchen Charly Willweber, Inal Güngörmus , Gregor Werner und Jochen Karnetzke (v.li.) ihr Boule-Glück mit dem spaßigen Beschwören der Kugeln zu steigern. Mal sehen ob es hilft. Foto: Eva M. Wicht
28. September 2018 

Der Boule-Boom rollt auch an der Bergstraße

Hutzelschweizer machen jetzt auch Jagd auf das „Schweinchen“

BERGSTRASSE, September 2018 (ewi), Mit einer solchen Dynamik hatte wohl niemand gerechnet – die Boulekugel ist ins Rollen gekommen, auch an der Bergstraße. Vor wenigen Jahren war es noch ein Randgruppensport. Jetzt verbreiten sich Boule und Pétanque immer stärker und auch an der Bergstraße vergrößert sich die Gemeinschaft der Boule-Enthusiasten.

Während in Seeheim beim professionellen und in der Hessenliga vertretene 1. Boule Club 1986 Seeheim e.V. die etwa 700 Gramm schwere Kugel aus Edelstahl schon seit 22 Jahren rollt, (siehe unser Bericht vom 32. Betzelbeer- Turnier unter www.melibokus-rundblick.de/die-jagd-auf-das-schweinchen) sind die Hutzelschweizer aus der Sandwiese absolute Neueinsteiger, allerdings als „Hobbybouler“.
Ein Stück Frankreich bringen sie mit dieser geselligen Sportart auf die Alsbach-Hähnleiner Freizeitanlage. Ihr erstes Turnier bestritten sie kürzlich unter sengender Sonne. „Eigentlich zum Boulespielen zu heiß, aber wenn es regnet ist es auch nix“, so Charly Willweber von den Hutzelschweizern. Über das Wetterproblem der Boulespieler hat ein Freund des Seeheimer Bouleclubs ein lustiges Gedicht verfasst. Nachzulesen auf deren Homepage unter www.bouleclub-seeheim.de/boule-und-das-wetter.

Die Hutzelschweizer haben sich aber trotz 30 Grad im Schatten tapfer geschlagen und meisterten im Rahmen des Sommerfestes ihre vereinsinterne Boulemeisterschaft im K.O.-Modus. Boule (wettkampfmäßig betrieben heißt es Pétanque) ist kein Sport für Lautsprecher. Trinken oder Rauchen ist verpönt, im Wettkampf sogar strikt untersagt. Das trifft allerdings nicht auf die Hobbyboulespieler zu.

Bei ihnen geht es in erster Linie um den Spaß und die Freude am Spiel und die Gemeinschaft, obwohl man sich auch Konzentrieren muss. So auch beim Freizeitsportverein Schlappekicker e.V. aus Zwingenberg. Der Verein betreibt neben Fußball, Radfahren, Nordic Walking; nun schon seit 10 Jahren den Boule-Sport. Wegen der Alterstruktur der 125 Mitglieder wurde Boule in die sportlichen Aktivitäten mit aufgenommen und in Eigenregie eine Boulebahn an der Vereinslagerhalle gebaut. Auf dieser Anlage wird dreimal wöchentlich von zahlreichen Spielern verschiedener Altersgruppen trainiert. Mittlerweile kann die Anlage bis auf vier Bahnen erweitert werden, und eigent sich so auch für größere Turniere.

Besonders beliebt, ist das Hobby-Boule-Turnier für Jedermann, das 2019 dann schon zum 10. Mal veranstaltet wird. In gemütlicher Biergartenatmosphäre mit Grillspezialitäten, Kaffee und Kuchen ist dieser Tag immer ein Highligt der zahlreichen Veranstaltungen der Schlappekicker, die auch der Meinung sind, dass sich das Boule-Spiel zu einem Volkssport etabliert hat.Das zeigen die zahlreichen Turniere in der näheren Umgebung, welche sie durch ihre Teilnahme auch gerne kräftig unterstützen.

Boule ist kein Sport für Ungeduldige, er hat entschleunigende Wirkung. Und so werden auch die Rodauer mit ihrem neu aufgelegten „Rorrer Boule Open“ am 29. September auf ihrem neuen im vorigen Jahr eröffneten Bouleplatz des SC am „Speck-weg-Eck“ eine „ruhige (entspannte) Kugel“ schieben.

Boule wird in Zweier-(Doublette) oder Dreier-(Triplette)-Teams gespielt. Ungestümes Draufloswerfen wird keinen Erfolg bringen, vielmehr sind Technik und Taktik gefragt. Man muss die Kugel über drei Finger abrollen lassen und nicht verkrampfen. Für Anfänger leichter gesagt als getan. „Üben, üben, üben“, lautet also das Motto. Der Boule spielende Roboter, der an der TU Darmstadt Anfang des Jahres 2018 von Studenten des Fachbereichs Elektrotechnik entwickelt wurde, konnte sich auf den heimischen Plätzen zum Glück noch nicht durchsetzen. Er war eben kein so lässiger Typ, der an seiner filterlosen Zigaretten zieht, am Rotwein nippt und hin und wieder mal eine Kugel locker aus dem Handgelenk wirft.


„Die Fanny küssen“ – ein alter Boule-Brauch aus Frankreich

Ein Glück für denjenigen, der das Spiel nicht zu null vergeigt hat. Dann hätten er und seine Mitspieler die Fanny küssen müssen. Raymound der Poet  erzählt von dieser Boule-Sitte und lacht sich dabei kaputt. Fanny war der  Legende nach ein kurvenreiches Mädchen aus Lyon und hatte einen Hintern, der so  breit war wie ein Bidet.

Sie schaute den Boulespielern zu, hob für die Verlierer  ihre Röcke und entblößte ihr nacktes Hinterteil, das dann zu küssen war. Heute hängt in fast jeder französischen Boule-Bar eine Karikatur der Fanny als Bild, mit  hoch gehobenem Rock, versteht sich, und der liebevollen Aufforderung: „Baiser la Fanny!“

Schwer zu sagen, ob Boule ein Sport, eine Weltanschauung oder doch nur ein Spiel ist. Oder schlicht ein „amusement“, wie  Jean meint. Fest steht: über den Tag verteilt, geht ein Spieler einige Kilometer. Die meiste Zeit betrachtet man den Boden. Man berechnet Abstände, fuchtelt mit den Händen, reißt seine Witze und versucht dauernd den Gegner abzulenken. Und danach geht‘s in die Bar.
Noel, Raymound, Jean und Papazian stehen in „Le Cafe“ an der Theke. Sie schwärmen von ihrer Leidenschaft. Jeder könne mitmachen: der  Übergewichtige, der Untrainierte, sogar der Unsportliche. Das mache Boule so liebenswert – und zum demokratischsten aller Spiele. „Boule …“, sagt Papazian. Bevor er weiterredet, genehmigt er sich erst mal einen Schluck von seinem Petit Rouge, „Boule will dich so, wie du bist.“

Quelle: Förderverein Alter Wasserturm Witzhelden e.V.

Fotos: Eva M. Wicht
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