Geheimnisvoll musikalischer Epochenhauch
Mit schönen Klängen lotet das Projekt-Trio „Between the times“ bei seinem Konzert unerhörte Dimensionen aus
BICKENBACH, August 2012 (pem), Hebt der Gesang an, versinkt das 21. Jahrhundert. Empor steigt mit den Klängen das magische Flair des Mittelalters, das den legendären Stauferkaiser Friedrich Ii und sein Castell, die „steinerne Krone Apuliens“ umgibt. „Octagon“ benennen die drei Musiker der Formation „Between the times“ die Zusammenstellung von Stücken, die sie im Rahmen der Veranstaltungen „Kammerkonzerte im Jagdschloss“ dem begeisterten Publikum vorstellte.
Katrin Armani (Gesang), Knut Rössler (Saxophon) und Johannes Vogt (Laute) vereinen darin Stile und Epochen übergreifend das 12. Jahrhundert mit Jazz zu einer tief berührenden, zauberhaften eigenen Ästhetik. In den elf Jahren ihrer schöpferischen Gemeinsamkeit verhalfen die Ensemblemitglieder in Projekten unterschiedlichen Ideen-und Vorstellungswelten zu klanglicher Gestalt. „Octagon“ – so auch der Titel der jüngsten CD- verweist auf die aktuelle Inspirationsquelle, den achteckigen Innenhof des Castell del Monte, der Friedrichs Geistes- und Hofhaltung symbolisiert. Der feinsinnige und vielseitig interessierte Herrscher förderte den Austausch von Wissenschaft und Muse, versammelte Gelehrte und Künstler um sich, sorgte für die erste Universitätsgründung und beflügelte auch durch eigene Beiträge das Entstehen der „scuola poetica siciliana“.
Vor Ort fühlten sich „Between the times“ angeregt durch die „mythische Atmosphäre die Zeit Friedrichs, die ihn umgebende christliche, jüdische und arabische Kultur, in die Art des Spielens und Improvisierens zu übertragen und aufzunehmen. “Dass mittelalterliche Musik und frühes Liedgut nur spärlich in Schriftform tradiert sind, ließ ihnen freie Hand, Harmonie und Rhythmen in eigenen Klangvorstellungen zu formen. Dem kamen sie ebenfalls in der eigenwilligen Instrumentierung nach. Knut Rössler fand erst nach einigen musikalischen Umwegen zu seiner Richtung, dem Jazz und seinem Instrument, dem Saxophon. Der bald helle, bald raue Klang, changierend zwischen einschmeichelnder Geschmeidigkeit und markigen heiseren Tönen verleiht dem Sopransaxophon wie Rössler es zu spielen versteht, atmende Vokalqualität. Johannes Vogt ist nicht nur ein bekannter und gefragter „Zupfpraktiker“ sondern hat auch neben anderen Unterrichtstätigkeiten Lehraufträge für Laute, Generalbassspiel und Gitarre an Hochschulen im Heidelberger Raum.
Zum „Octagon“-Programm trägt er – mal hauchzart fragil, mal in kraftvollen Akkorden, mit perlenden und schwebenden Tönen bei. Er entlockt sie der Theorbe, eine Lautenart aus dem 16. Jahrhundert, deren auf dem Griffbrett spielbares Saitenvolumen um Leersaiten außerhalb erweitert ist, um die Bassklänge zu intensivieren. Der unverwechselbare Charakter des Ensembles lebt von der unglaublichen Reinheit und Wandlungsfähigkeit des Gesangs. Katrin Armani findet in ihrer facettenreichen Stimme für jedes Stück die richtige Tönung. Sensibilität und Gestaltungssouveränität steigern die klare Ausdruckskraft: „Between the times“ begnügen sich nicht mit einem simplen Stilmix oder willkürlichem cross-over, sondern schaffen eine authentische neue Form von eigener Faszination. Dazu trägt ebenfalls die differenzierte Sprachgestaltung der Texte bei. Die sehnsuchtsvolle Heiterkeit im Herzenleid der altfranzösischen Troubadourlyrik, würdevolles Spanisch für die Stücke der Liedersammlung „Cantigas de Santa Maria“. Diese entstand unter dem ähnlich wie Friedrich höchst kulturbeflissenen Alfons X. von Kastilien. Zwischen Klagen und Lob schwanken in anmutig geziertem Mittelhochdeutsch die „Friedrich-Lieder“ des Walther von der Vogelweide.
Unter den ausnahmslos ergreifend reizvollen Stücken blieb als besonderes Juwel eine Eigenkomposition in Erinnerung: „Zirafkand“ ist zugleich die Bezeichnung der arabischen Achtton-Skala. Das Werk zelebriert die Verschmelzung orientalischer Kompositionsprinzipen mit europäischen Stilelementen. Doch auch in allen anderen Stücken gelingt es „Between the times“ im Hörer das Gefühl zu erzeugen, als entdecke er längst verschollene Geheimnisse in den Melodien. Man fühlt sich unmittelbar berührt von einer Welt, die man nicht kennen kann aber dank der Musik, der Raum und Zeit überspringenden Klangreise, zu erspüren beginnt.
Dieser Artikel erschien in der August-/Septemberausgabe des Melibokus-Rundblick (Nr.157).

