Alsbach-Hähnlein, Was geht?

Die kunstvoll mosaikverzierte wasserspeiende Kobra, die heute gemeinsam mit einem Krokodil das Außengelände des Alsbacher Juze schmückt, war nur eins von zahlreichen interessanten Projekten des beliebten Jugendpflegers. Foto: soe
01. September 2020 

Herby geht

Jugendpfleger Herbert Reeg verabschiedet sich in den Ruhestand | 30 Jahre im Dienst der Jugendförderung Alsbach-Hähnlein

ALSBACH-HÄHNLEIN, September 2020 (erh), Nein, Angst in ein Loch zu fallen, hat Herbert „Herby“ Reeg nicht. „Ich fühle mich super“, sagt er mit Blick auf den Schlussstrich unter sein Arbeitsleben.

Nach 30 Jahren beruflicher Tätigkeit bei der Jugendförderung der Gemeinde Alsbach-Hähnlein geht der 65-Jährige nun zum 1. September in den Ruhestand – und er freut sich darauf. „Leben“, antwortet er auf die Frage, wie er seine neu gewonnene Freizeit nutzen wird.

Sport wie Volleyball, Badminton oder Yoga (Joggen nicht, hat er Corona-bedingt ausprobiert, ist ihm zu langweilig) steht beispielweise auf seiner To-do-Liste, und die Zauberei: Mit „Das Schwupps“ bietet er Zaubershows sowie Zauber-Kurse und -Workshops an. Reeg schaut ohne Wehmut zurück. Er ist stolz darauf, mit seinen Kollegen in der Jugendarbeit der Gemeinde einiges bewegt zu haben. „Wir haben viel erreicht und angeschoben, viele tolle Projekte umgesetzt.“ Die Anfangsjahre seien nicht leicht, die Mittel begrenzt gewesen. „Das war nicht immer einfach.“

Während seines Berufslebens hat er immer auf eine gute Work-Life-Balance geachtet. „Ich wollte nie in dieses berufliche Hamsterrad geraten, das einem sämtliche Energie raubt, sondern auch andere Dinge machen und erleben, nicht alles auf den Ruhestand verschieben.“ Er hat in Teilzeit (3/4-Stelle) gearbeitet, das führte zu einem Weniger auf dem Gehaltszettel, aber zu einem Mehr an Lebensqualität. „Das würde ich immer wieder so machen.“

Im Dienst der Gemeinde hat Herbert Reeg einige Chefs an der Spitze der Verwaltung erlebt. Die Zusammenarbeit mit der Führungsetage habe grundsätzlich gut funktioniert, bisweilen mussten aber Diskussionen geführt, Standpunkte vertreten werden. Reeg, aufgewachsen in einem Haushalt mit sieben Kindern, hatte früh Erfahrungen gesammelt mit Konfliktsituationen und -lösungen. „Bei sechs Geschwistern lernt man, sich durchzusetzen.“

Im Laufe der Jahre habe das Vertrauen der Entscheidungsträger in die Kompetenz und die Programme der Jugendpflege stetig zugenommen. „Man hat uns dann oft machen lassen.“ Diese gestalterischen Freiräume waren häufig die Basis für kreative Ansätze in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, erklärt er.

Die Fortschritte der Jugendarbeit in den vergangenen drei Jahrzehnten zeigen sich auch in der Entwicklung der räumlichen Situation der Jugendförderung. „Angefangen haben wir in einem kleinen Kabuff, heute haben wir zwei Jugendzentren.“

Herbert Reeg stammt aus Ober-Ramstadt, er ist verheiratet und lebt seit vielen Jahren in Darmstadt. Zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist er über den zweiten Bildungsweg gekommen. „Bei uns zu Hause war der Weg vorgegeben: Hauptschule und danach eine Lehre.“ Er schließt eine Ausbildung zum Koch ab, arbeitet allerdings nicht in diesem Job, macht auf dem Abendgymnasium das Abitur. Er beginnt ein Studium der Soziologie, sattelt nach dem Vordiplom um.

„Das war mir zu viel Theorie von der Theorie.“ Er will praktisch tätig sein und entschließt sich zu einem Studium der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule in Darmstadt. Nach Abschluss des Studiums und ersten beruflichen Erfahrungen etwa in Dietzenbach kommt er 1990 nach Alsbach-Hähnlein. Obwohl sich abzeichnet, dass Alsbach-Hähnlein und Herby gut miteinander können, erwägt er nie den Umzug an die Bergstraße. Erstens ist er fest verwurzelt in seinem Darmstädter Viertel, in dem er seit Mitte der 1970er Jahre lebt, zweitens möchte er sich eine räumliche Distanz zu seinem Arbeitsort bewahren. „In meiner Tätigkeit muss man immer wieder Position beziehen, sich mit anderen Menschen auseinandersetzen, dabei ist eine gewisse professionelle Distanz hilfreich.“ Alsbach-Hähnlein und seinen Einwohnern, den vielen Kindern und Jugendlichen gegenüber, die er begleitet hat beim Erwachsenwerden, fühlt Reeg eine tiefe Verbundenheit. Den Schwerpunkt seines Privatlebens und seinen Freundeskreis hatte er indes stets in Darmstadt. „Mir war sehr wichtig, Privates und Berufliches zu trennen.“

Für die Heranwachsenden in Alsbach-Hähnlein war Herby eine Vertrauensperson. „Es ist mir meistens gelungen, schnell Vertrauen zu den Kids aufzubauen.“ Vielen seiner „Klienten“ von früher ist er bei unterschiedlichen Gelegenheiten in der Gemeinde immer wieder begegnet. „Solche Kontakte haben sich ab und zu ergeben.“ Einige der ehemaligen Besucher des Jugendzentrums sind heute im Rathaus beschäftigt und hatten mit dem Jugendpfleger auf beruflicher Ebene zu tun; diese alten Verbindungen verkürzten hin und wieder den Entscheidungsprozess in dienstlichen Angelegenheiten.

Dass das Leben der jungen Generation heute zunehmend durchgetaktet ist, betrachtet Herbert Reeg kritisch. „Diese Verriegelung von Zeit tut den Kids nicht gut.“ Die engen Terminpläne zwischen Schule, Betreuung, Musik oder Sport und Zuhause würden den Kindern und Jugendlichen wichtige Räume zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit nehmen und kreative Prozesse hemmen. „Ich sehe das als Problem.“