Kirche, Seeheim-Jugenheim

Konzert in Seeheimer Kirche 2012Frau Huth gab ihrer Freude Ausdruck, dem Publikum das Instrument in allen Facetten vorführen zu dürfen.
06. Oktober 2012 

Kirchliches Klangmobil

Die von Andreas Ott für das Dekanat Bergstraße gebaute Truhenorgel kam erstmals bei einem Konzert in der Seeheimer Laurentius Kirche zum Einsatz

SEEHEIM-JUGENHEIM, September 2012 (pem), „Kirche macht Musik – Musik macht Kirche“ lautet das Motto für 2012, das zum „Jahr der Kirchenmusik“ proklamiert wurde. In diesem Rahmen werden noch bis Dezember landesweit in Konzerten, Workshops, Vorträgen und anderen Aktivitätsangeboten die verschiedensten Aspekte der Kirchenmusik ausgelotet.
Schon seit geraumer Zeit haben sowohl leitungsverantwortliche Stellen wie auch die Gemeinden selber den Wert der Musik, über das traditionelle Gesangbuchrepertoire hinaus, für den Gottesdienst neu entdeckt: eine Möglichkeit der Ansprache ohne Worte, des inneren, individuellen Erlebens öffnet auch vielen Nicht-Kirchgängern einen sinnlichen Zugang zur christlichen Spiritualität. Das breitgefächerte Spektrum reicht durch Stile und Epochen. Besonders im Bereich des Chorgesangs erfreuen sich Gospels großer Beliebtheit. Moderne, neu komponierte Lieder sind häufig dem Gedanken der Ökumene verpflichtet. Daraus entwickeln sich auch veränderte Formen des Gottesdienstes, die der Musik einen hohen Anteil an Gestaltung zu messen (z.B. die „Sternstunden“).

Mit dem Jahr der Kirchenmusik wird die Bevölkerung einerseits informiert und begeistert zum Mitmachen und Dabeibleiben gewonnen. Andererseits setzt die Kirche damit ein selbstverpflichtendes Zeichen, der die praktische Ausübung zu fördern und der Pflege dieses Kulturgutes mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Tatkräftiges Engagement in dieser Richtung bewies das Dekanat Bergstraße. Die Bitte der im südhessischen Raum ansässigen Kirchenmusiker stieß nicht auf taube Ohren. Um Unterbrechungen und Einschränkungen in der musikalischen Gottesdienstgestaltung bei Sanierungen und Reparaturen der Orgeln zu vermeiden, wünschte man sich eine transportable Orgel.
Mit einem sog. „Orgelpositiv“ lässt sich der Ausgleich bewerkstelligen. Die Bezeichnung „positiv“ leitet sich ab vom lateinischen „ponere“ = setzen, stellen, legen. Es deutet an, dass das Instrument leicht seinen Platz wechseln kann. Vorgängermodelle existierten bereits im Mittelalter, „Portativ“ genannt. In der Renaissance waren Tischorgeln gebräuchlich. Das Dekanat Bergstraße verschloss sich dem Anliegen nicht und beauftragte den Bensheimer Orgelbaumeister Andreas Ott mit der Herstellung einer solchen Truhenorgel. Die Fertigstellung nahm ein knappes Jahr in Anspruch. Die Orgel wird in der Bensheimer Michaelsgmeinde beheimatet und kann von anderen Gemeinden leihweise angefordert werden.

Der „Tag des offenen Denkmals“ stellte den passenden Anlass dar, das Instrument der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Konzert in der Seeheimer Laurentius Kirche bildete den Auftakt zu einer bis November dauernden Veranstaltungsreihe, die das „Klangmobil“ durch weitere Dekanatsgemeinden führt. Schon vor Beginn der Darbietung nahmen einige interessierte Besucher das Instrument in Augenschein. Im Vergleich zu großen Orgeln ist für ein Orgelpositiv charakteristisch, nur über ein Manual und wenige (hier drei) Register zu verfügen und ohne Pedale auszukommen. Die Belüftung erfolgt elektrisch. In dieser Ausstattung erfüllt es seine Aufgabe als Begleitungs – und Generalbassinstrument. Noch intensiver als bei anderen Konzerten herrschte erwartungsgeladene Spannung. Am meisten fieberte wohl Andreas Ott dem ersten Ton entgegen. Trotz langjähriger Erfahrung, die sich beim Bau von sechzehn Orgeln einstellt, fühlt sich jede Premiere wie das allererste Mal an.

Marion Huth gab ihrer Freude Ausdruck, dem Publikum das Instrument in allen Facetten seiner Möglichkeiten vorführen zu dürfen. Sie begleitete die Streichergruppe aus Violinen (Silke Schulder, Susanne Reinhardt), Viola (Wolfgang Kury), Cello (Cordula Mangelsdorf) und Kontrabass (Kai Spengler). Mit Stücken von Bach, Gabrielli, Galliard und Händel boten die Seeheimer Künstler ein zugleich anspruchsvolles und ansprechendes Programm. Sich dabei auf das Heraushören der Orgel zu konzentrieren, bedeutete sich des Genusses der Klangfülle zu berauben. Unter den einfühlsamen Händen von Marion Huth profilierte sich das Instrument als perfekter Diener des Ensembles. Bisweilen scheinen sich die Tastentöne mit zarter Fragilität als Saitenklang zu tarnen. Genauso verlässlich baut die Orgel aber auch ein solides Fundament, das Melodien überschweben ohne die Verbindung einzubüßen. Die Begleitung trägt und bereichert die übrigen Stimmen. Wollte man ihr Charaktereigenschaften zuschreiben, müsste man Diskretion, Empathie und Zuverlässigkeit nennen. Das Publikum ließ sich aufmerksam auf das Hörerlebnis ein und würdigte es mit freudigem Applaus. Andreas Ott zeigte sich sehr zufrieden. Dennoch nahm er fast verlegen viele spontane Gratulationen zu der so gut gelungenen Premiere entgegen.

Dieser Artikel erschien in der Oktoberausgabe des Melibokus Rundblick (Nr.158).