Leitbild Wald: Naturverjüngung rangiert vor Neupflanzung
Strategie für Alsbacher Forst auf den Weg gebracht | Moderationsprozess abgeschlossen
ALSBACH-HÄHNLEIN, März 2025 (tt), Der Alsbacher Wald soll zukunftsfähig werden. Keine einfache Aufgabe in Zeiten von Klimawandel und bedrohter Artenvielfalt. Eine natürliche Waldentwicklung und eine sanfte Bewirtschaftung mit dem Ziel einer dauerhaften Waldverjüngung ist nicht nur eine kollektive Herausforderung, sondern auch eine Aufgabe für viele Generationen. Beim Moderationsprozess in Alsbach-Hähnlein wurden zahlreiche Themen mit unterschiedlichen Akteuren teilweise heiß diskutiert. Nach drei Sitzungen und einer Analyse der Vorschläge wurden Anfang September die Ergebnisse für das neue „Leitbild Wald“ präsentiert. Bei der offiziellen Übergabe des Ergebnisses an Harald Finger, den Vorsitzenden der Gemeindevertretung, herrschte trotz einiger Diskussionspunkte Zuversicht, dass man den Kommunalwald mit diesem Fahrplan gesund und munter durch die nächsten Jahrzehnte bringen wird.
„Ein guter Kompromiss“, kommentierte Dr. Michael Stroh, der gemeinsam mit Patrick Steinmetz von der HLG – Ökoagentur für Hessen die runden Tische seit April dieses Jahres moderiert hat. Er sprach von einem insgesamt disziplinierten und fachlich kompetenten Gremium. Das Ergebnis bedeute aber auch, dass Einzelinteressen und Idealvorstellungen einer Waldentwicklung zu Gunsten des formulierten Konsens´ in den Hintergrund rücken müssten. Den Prozess begleiteten Vertreter von Naturschutz und Forstwirtschaft, Bürgerinitiativen und Jagdpächter, Mountainbiker und Kommunalpolitiker sowie Mitglieder des Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbeirats (KNB).
Am Ende wurde aus allen Ideen, Einwänden und Positionen eine Beschlussvorlage für die Gemeindevertretung destilliert. Nach einer Beratung im Haupt- und Finanzausschuss und der Beschlussfassung im Parlament soll das Papier Grundlage der nächsten Forsteinrichtung werden, so Bürgermeister Sebastian Bubenzer bei der gut besuchten Abschlussveranstaltung im Bürgerhaus „Sonne“. Die Inhalte wolle man nun schnellstmöglich auf den Weg bringen, damit aus den theoretischen Zielen möglichst bald praktisch umsetzbare Entwicklungsziele für unseren Wald werden“, betonte der Rathauschef. Auch Revierförster Dirk Hungenberg war bei der Abschlussveranstaltung dabei. Zentrales Ziel der Strategie ist ein qualitativ hochwertiger Wald am Hang. Die Naturverjüngung soll – bis auf begründete Ausnahmen – wichtiger sein als das Pflanzen neuer Bäume.
Im Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) sollen ausschließlich heimische Baumarten gepflanzt werden. 75 Prozent der Flächen sollen einer Naturverjüngung vorbehalten sein. Nebenbaumarten wie Eiche, Hainbuche, Bergahorn, Birke und Elsbeere sind zwar zulässig, doch in seiner Essenz ist der Kommunalwald ein wertvoller und durch europäisches Recht geschützter Buchenwald-Lebensraum und als solcher die grüne Lunge der Gemeinde.
Der Verbiss im Jungwuchs soll genau beobachtet werden und die Jagd aufgrund jagdaufsichtlicher Kennzahlen künftig intensiviert werden. Außerdem einigte man sich darauf, dass bis zum Jahr 2035 ein mittlerer Totholzvorrat von 15 Kubikmetern pro Hektar erreicht werden und dabei auch die Qualität des Totholzes erfasst werden soll. Für die Biodiversität im Wald gilt dieses Holz als unerlässlich. Bis dahin will man eine mittlere Anzahl von Habitatbäumen (inklusive Methusalembäume) von mindestens 15 Stück pro Hektar ausweisen.
Das geschlossene Buchenwalddach soll erhalten werden, um die Klimafunktion zu erhalten. Künstlich geschaffene Lichtungen würden diesem Ziel entgegen wirken, heißt es weiter. Ab 2026 wird die mittlere Holznutzungsquote konsequent auf 65 Prozent begrenzt. Invasive Arten werden vorrangig genutzt. Das bedeutet aber auch, dass in Jahren ohne Neuzuwachs auf eine Holznutzung (abseits der Verkehrssicherungspflicht) komplett verzichtet wird. „Sofern das geschlagene Holz nicht für höherwertige Zwecke eingesetzt werden kann, soll es vorrangig für die Befeuerung der kommunalen Heizung genutzt werden“, so Michael Stroh. Beispielhaft sei hier das Blockheizkraftwerk am Marktplatz Hähnlein genannt. Auch das Wegenetz im Kommunalwald soll klassifiziert werden, um weniger wichtige Wege aus der aktiven Unterhaltung zu nehmen oder sogar komplett aufzugeben. Ziel ist eine Minderung der Kosten für die Verkehrssicherung und die Schaffung von Wildruhezonen. Um den sensiblen Buchenwald zu schützen, soll das Wasser im Holzbestand gehalten werden, über Drainagegräben wird eine Versickerung im Forst angestrebt.
Sebastian Bubenzer betonte, dass die Gemeinde den weiteren Umgang mit den kommunalen Waldflächen so transparent wie möglich gestalten möchte. Die Waldstrategie ist auf der Homepage der Gemeinde einsehbar. Mittels konkreter Aktionen sollen die Teilhabe der Bürger verstärkt und die Öffentlichkeitsarbeit forciert werden. Erste Ideen umfassen Grenzgänge im Wald oder Mitmachaktionen für Schulklassen. „Wir wollen mehr Akzeptanz für die Maßnahmen im Wald“, so Bubenzer, der mitteilte, dass man künftig auch den Wald in der Ebene stärker in den Blick nehmen möchte. Im Vergleich zum „Bergwald“ ist dieser naturferner und zum Teil auch stark geschädigt. Langfristig müsse man Wege finden, wie man einen klimastabilen Umbau dieser Waldstücke erreichen kann.
Darüber hinaus wird über eine Agroforstkonzeption nachgedacht. Eine solche könnte durch ortsansässige Landwirte im Auftrag der Gemeinde durchgeführt werden. Diese Art der alternativen Holzgewinnung bezeichnet die Kombination von Bäumen oder mehrjährigen verholzenden Strukturen mit landwirtschaftlichen Unterkulturen auf der gleichen Fläche, bei der Elemente des Ackerbaus und der Tierhaltung mit jenen der Forstwirtschaft verzahnt sind.
Bei dem Austausch im Bürgerhaus wurde deutlich, dass in Alsbach-Hähnlein der Erhalt der Buchenwälder Priorität vor der Holznutzung oder dem Waldumbau genießt. Auch Naturschützer kommentierten den runden Tisch und seine Ergebnisse als konstruktiv und zielführend. Wichtig sei zudem, dass die Gemeinde 15 Prozent ihres Waldes aus der Nutzung nimmt und im weiteren Prozess immer wieder die Entwicklung des Forstes prüft und aktualisiert. Bereits 2030 sollen die Zielparameter analysiert und neu bewertet werden.