Liebesnest leider überbesetzt
Mit dem schwungvollen Schwank „Rent ´nen Rentner“ von Erich Koch landete das „Gaasetheater“ des Hähnleiner Radsportvereins einen neuen Lacherfolg
ALSBACH-HÄHNLEIN, Dezember 2015 (pem), Wenn sich mehrere Pärchen dieselbe „sturmfrei“ geglaubte Wohnung zum Unterschlupf für die amourösen Wochenendeskapaden erwählen, bringen sie die heftigsten Turbulenzen selber mit. Ein wahres Wirbelwindchaos der Gefühle zerlegt Beziehungskis-ten und treibt neue Kombinationen zusammen.
Diese Situation würde schon genügen, um eine temporeiche Komödienhandlung in Schwung zu bringen. Doch Erich Koch, dem Erfolgsautor in Sachen Humor auf den Brettern die die Welt bedeuten, wäre das zu einfach. Er gibt zu den bewährten Zutaten noch einen guten Schuss Skurrilität und schmeckt fein ab mit Groteske und Absurdität, um ein gepfeffertes Humormenü zu servieren. Futter für geübte Lachgourmets. Der Witz der Textvorlage ist das eine, doch Theatervergnügen entsteht erst durch die, die ihn lebendig machen. Dafür ist das „Gaasetheater“-Ensemble längst Profi.
Es zeichnet Laientheater aus, dass auch die arbeitsreichsten und intensiven Proben den Spaßfaktor für alle Beteiligten behalten. Bei aller Selbstverpflichtung zur Qualität der Produktion. Das Theaterspielen muss auch spielerisch bleiben, um in diesem Genre gut zu sein. Thomas Rhein hatte ein wachsames Auge darauf. Mit Effekt sichernder Regiehand lenkt er die Bühnenaktionen ohne solche probaten Mittel wie „Running Gags“, zarte Dessous auf haariger Haut oder eindeutig zweideutige Rede überzustrapazieren. Offensichtlich ist es ihm auch gelungen, aus seinen guten Schauspielern das Beste herauszuholen.
In der Komödie darf und muss es von allem ein bisschen mehr sein, das Publikum will sich nicht mit feinsinnigen Charakterstudien auseinandersetzen, sondern bunte, kantige Typen mit unverwechselbaren Ticks und Macken in Aktion genießen – das Hähnleiner „Gaasetheater“ ist immer die richtige Adresse dafür. Im Mittelpunkt der Handlung stehen Hans und Gemahlin Gundi. Man gehört dem Lebensstandard nach wohl zu „de bessern Leit“ und hält sich sogar mit Orpheus einen Butler (Michael Nickels).
Die vornehme Fassade ist recht brüchig und schon sprachlich rutschen die drei aus dem wohlgeformten Vokabular immer wieder ins Hejner Platt. Timo Wirthwein und Miriam Rettig sind ein wunderbares Paar, das aber gerne ein geheim zu haltendes ausschweifendes Leben in getrennten Wegen führen. Natürlich hat jeder seinen Seitensprung, was die Aussicht auf die Wohnung als Liebesnest so attraktiv macht. Sie sind einander so ähnlich, aber nicht darauf gefasst, dieselben Pläne zu haben. Eva Gründl als Hans Geliebte Gina präsentiert sich als Rasseweib und die pure Verführung, der ein Mann nur zum Opfer fallen kann. Kai Ullmann verwandelt sich ohne Mühe in einen – vielleicht einst gewesenen – „Latin Lover“. Gundi hat ihren Diego jedenfalls zum Mann für gewisse Stunden erwählt.
Oft sind in Komödien als lachende Dritte die Bediensteten die wahren Hauptfiguren. Michael Nickels darf jedenfalls in seiner Rolle als Butler alle Register ziehen und tut es mit Wonne: als erpresserischer Mitwisser, der sich sein Vergessen souverän versilbern lässt, aber als Mann in den zweitbesten Jahren, dessen Casanovatriebe gar heftig ausschlagen. Von Liebesbanden umschlungen sind der Butler-Neffe Jens (Dirk Schuchmann) und seine Freundin Katja (Guiliana Reusch). Ein geschmeidiges Kammerkätzchen und ein fescher Bursche, die nicht unbedingt immer dieselbe Wellenlänge haben und gerne aneinander vorbei reden. Ihnen hat das Schicksal die Aufgabe zugeschanzt die dramatische Dynamik in Gang zu bringen.
Beim Hereinpoltern in die „Gastwohnung“ erschlägt Hans mit der Tür vermeintlich einen Menschen. Es handelt sich um Herbie (Thomas Rhein), nun todesgleicher Ohnmacht. Er ist der (Stücktitel gebende) Rentner. Luise, die Mutter von Hans, hatte ihn mitgebracht. Die schrill schillernde, unverhohlen nymphomanische Lady spielt Rosa Nickel mit umwerfender Komik, als sei ihr die Rolle auf den Leib geschrieben. Herbie ist Luise zugefallen als Trostpreis in einer Rentnerverlosung. Das Reglement sieht vor, dass er ihr drei Tage lang jeden Wunsch zu erfüllen hat, weshalb er nun zum erotischen Dienst herangezogen werden sollte. In der knappen Zeit des Bühnenlebens, bevor er zum Scheintoten wird, dessen sich jedes der Paare auf seine Weise zu entledigen versucht, liefert Thomas Rhein ein Kabinettstückchen ab. Er begeisterte das Publikum als Ausbund an Unterbelichtung und herzerfrischendem Stumpfsinn von der Energie einer personifizierten Schlaftablette.
Wenn das reale Leben nicht viel Anlass zu Heiterkeit bietet, ist es um so dringender nötig, dass das „Gaasetheater“ unser Lachen in Übung hält!
Fotos: Stefan Oelsner
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