Alsbach-Hähnlein, Startnews

Das Getränk in diesem Becher sorgte dafür, dass der Old-Metaler die Hälfte des Konzertes verpasste. Foto: meli
31. August 2025 

Mit 63 zum Heavy Metal

Wie man unverhofft in ein Iron Maiden Konzert gerät …

ALSBACH-HÄHNLEIN, August 2025 (raha), Die Sache fing ganz harmlos an. Rückblende: März 2024. Der Autor dieser Zeilen steht noch in treuen Diensten des kreisweiten Zweckverbandes Abfall- und Wertstoffeinsammlung (ZAW) und redet in der Mittagspause mit seinen jungen Kollegen. „Nächstes Jahr kommt Iron Maiden nach Frankfurt!“, sagt ein junger Mitarbeiter mit einem leichten Grinsen im Gesicht.

Offensichtlich denkt er, die wären mir gänzlich unbekannt oder ich wäre zu alt für diese Art von Rock`n Roll. Obwohl ich bei den jungen Leuten hin und wieder über die Genialität der Musik von „Led Zeppelin“ doziert habe, meinen die wohl, Iron Maiden würde ich nicht kennen. „Die hab ich schon gesehen, da wart ihr Burschen noch gar nicht auf der Welt“, entgegne ich ganz im Stile eines weisen alten Mannes. Ohne eine Spur von Selbstüberschätzung. Der Punkt geht an mich, denkt mein Hirn.

An den fragenden Blicken sehe ich, dass mir niemand glaubt. „1981 in Darmstadt. Böllenfalltor-Stadion. Iron Maiden, Motörhead, Blue Oyster Cult und als krönender Abschluss Foreigner!”, kommt meine Antwort. Jetzt gehen die Münder auf. Immer noch meinen die Jungs, ich würde ihnen einen Bären aufbinden. Der Alte erzählt uns was vom Pferd, denken sie! Nach einer gedanklichen Pause sagt dann der Kollege: „Na, da musst du halt mit!“ Sofort kommt ein „Ja“ von mir.

Ein Jahr später, 25. Juli 2025. Es ist soweit! Heute spielt Iron Maiden in der „Was auch immer“-Arena in Frankfurt! Seit fast einem Jahr in Altersteilzeit ist der Kontakt zu „meinen Jungs“ immer noch gut und die „Buben“ holen mich am Treffpunkt „Waage“ in Hähnleins Ortsmitte ab. Ich trage ein Heavy- Metal-T-Shirt der Band. Im Internet besorgt. Bin ganz stolz!

Obwohl Leute, die mich kennen, mich etwas verwundert anschauen. Man fährt mit dem Auto nach Goddelau zur S-Bahn. Die Überlegung ist, von dort aus zu fahren, weil die Bahn am Stadion hält und man nicht über den Frankfurter Hauptbahnhof muss. Das ist vielleicht auf dem Rückweg besser, wenn nämlich 70.000 Menschen auf einmal aus dem Stadion kommen um den Heimweg anzutreten. Nach einer unspektakulären S-Bahnfahrt Ankunft Frankfurt Stadion, früher -zu meiner Zeit- „Sportfeld“ genannt.Jetzt erst mal ein Bier am Ständchen beim Bahnhof. Schließlich ist man nicht zum Spaß da und hat noch ein bisschen Zeit bis zum Einlass!

Nach dem dritten Bier fängt es an zu regnen. Etwa 1000 andere Heavy-Metal-Fans wollen sich unter der Klappe des Bierstandes unterstellen. Mir fällt auf, dass die „Älteren“ unter den Fans das Wasser von oben ignorieren und im Regen stehen bleiben. Ist ja auch kein Platz mehr unter der 1,5 x 4 m großen Klappe des Bierstandes. Da ich mich zweifellos zu den Menschen fortgeschrittenen Alters zähle, begebe ich mich aus dem Schutz des überdeckenden Laubdaches, das mittlerweile auch nicht mehr dicht ist, hinaus in das kühle Nass.

„Alter Mann, stell dich unter“ werde ich mitfühlend angesprochen. Dankend lehne ich ab. „In Woodstock lagen wir vier Tage im Schlammbes! Da ist das gar nichts dagegen!“, flunkere ich dem besorgten Heavy-Metaler entgegen. Ich war nie in Woodstock. Das war vor meiner Zeit. Also wird der Vadder nass. Klitschnass. Patschnass! Diese Warmduscher, denke ich. Nach zwei weiteren Bieren – der Gastwirt macht gerade das Geschäft seines Lebens – geht es ins Stadion.

Am Einlass Kontrolle mit Leibesvisitation. Verdammt! Mein Taschenmesser! Aber es wird nicht bemerkt. Glück gehabt! Irgendwie ist es jetzt anders. Nicht mehr das weitläufige Waldstadion von früher, sondern eine steile, enge Fußball-Arena. Meine Bitte nach einem Sitzplatz wurde bei der Kartenbestellung erhört und so steigen wir unzählige Treppen hinauf bis fast unter das Dach zu unserem gebuchten Platz. Die Bühne ist weit weg auf der anderen Seite. Kaum sitze ich, meldet sich meine Blase. Jetzt macht sich das nasse Heavy-Metal T-Shirt, die nasse Hose und die eins, zwei Bierchen bemerkbar. Erste Zweifel kommen auf. Vielleicht bist du doch nicht mehr so hart und hättest dir einen Platz im Trockenen erkämpfen sollen.

Wo war nochmal die Toilette? Unten am Block-Eingang natürlich! Also gefühlte 200 steile Treppenstufen runter und 300 m um die Ecke. Auf der Treppe bekomme ich Flugangst! Ach du Scheiße, wie steil! Bei einem Fußballspiel würde ich im Stolperfall wahrscheinlich 70 m tief mit dem Gesicht voran genau auf die obere, spitze Ecke vom Tor stürzen, geht es mir durch den Kopf. So eine steile Treppe! Und das im Stadion! Bei uns hätte der Fachsicherheits- Ingenieur schon Bedenken, wenn ich auf die Stehleiter stiege- so ein weiterer Gedanke! Wo war hier die Sicherheit. Auf dem Rückweg, beim Hochsteigen, stolpere ich! Zum Glück in die andere Richtung! Hilfsbereite junge Heavy-Metaler helfen mir auf die Beine. Ja nicht nach unten sehen!

Das Stadion wird langsam voll. Die Vorband kommt. „Avatar“ aus Schweden. Ich habe die Jungs schon mal im Fernsehen gesehen. Mit ihrem Markenzeichen, alle haben Pferdeschwänze aus ihren langen Haaren gebunden, machen sie beim Headbangen Propeller daraus. Sieht sehr originell aus. Es gibt noch ein Bier. Dann ein Feuerwerk: Iron Maiden mit Sänger Bruce Dickinson und Gitarrist Steve Harris vorne weg, kommen auf die Bühne! Tosender Applaus! Das Fest kann beginnen! Da meldet sich meine Blase wieder.

Zum zweiten Mal die steile, ungeliebte Treppe runter. Bis ich wieder oben bin, -ja nicht nach unten sehen- sind die Auftakt-Lieder vorbei. Diesmal habe ich mitgedacht und bringe was zu trinken mit. Gerstenkaltschale. Das Konzert geht weiter. „The number of the beast“ und „Run to the hills“ werden gespielt. Bruce Dickinson wirbelt auf der Bühne herum. Die Lautstärke geht, denke ich. Ganz angenehm. Oder ist meine Schwerhörigkeit schon so weit fortgeschritten? Dachte schon, ich müsste Watte mitnehmen. Zwei, drei Lieder, dann Meldung Blase! Wieder die Treppe runter. Und zwei, drei Lieder verpasst! „The Trooper“ und „Two Minutes to Midnight“ bekomm ich am Stück mit, muss aber die Beine zusammen petzen.

Dann kommt schon bald die Zugabe: „Fear of the dark“! Ich bin plötzlich 40 Jahre jünger! Alle Schmerzen sind schlagartig aus meinem Körper verschwunden! Das ganze Stadion winkt im Rhytmus mit den Händen! Was für ein Erlebnis! „I am a man, who walks alone, and when i walking a dark road…”. Was für eine Hymne!

Es läuft mir Gänsehaut über den Rücken. Die Blase meldet sich auch schon wieder! Jetzt aber mal egal! Einfach ignorieren! Fear of the dark! Nur dafür bin ich auf der Welt, denke ich! Noch ein Lied, „Wasted Years“, dann ist Schluss! Applaus! Jetzt geht es erstmal zum Klo, dann in die Schlange. Nach etwa einer Stunde und 500 m Fußweg sind wir wieder am Bahnhof. Der Ständchen-Wirt freut sich und winkt schon. Ein Bierchen geht noch. Die deutsche Bahn ist vollkommen überrascht, dass so viele Leute an den Bahnsteig kommen und lässt erst mal sicherheitshalber die S-Bahn nach Goddelau ausfallen. Hätte man vorher Bescheid gewusst! Kann ja keiner ahnen, dass da ein Konzert ist!

Nach einer Stunde Warten kommt der RE 70 nach Mannheim mit 75 Minuten Verspätung. Deutsche Bahn. Gegen halbdrei bin ich wieder daheim. Die Blase meldet sich und die Nieren sind verkühlt, aber das war es wert! Rock`nRoll never die!