Spielzeugwelt und Weltreise im Spiel
Weihnachtssonderausstellung des Bickenbacher Heimatmuseums mit zahlreichen Exponaten der Erzgebirgs-Schnitzkunst – Weltpremiere für das wiederaufgelegte Spiel „Des Herren Fix von Bickenbach Reise um die Welt in 77 Tagen“
BICKENBACH (pem), Stolze Kerle mit Biss – und trotzdem so sympathisch in ihren bunten Gewandungen und allen Größenvariationen bilden zahlenmäßig die stärkste Truppe in der Welt der erzgebirgischen Schnitzkunstkleinodien. Herzstücke sind sie alle: Was in der Weihnachtssonderausstellung bis zum 27. Januar 2013 die Vitrinen des Kolbschen Hauses ziert, entstammt der überreichen Sammlung der leidenschaftlichen Liebhaberin Heidi Goldschmidt.
Bürgermeister Günter Martini zeigte sich ebenfalls ergriffen von der Faszination der erlesenen Vielfalt. „Dem Museumsverein ist dieses Mal wirklich mit der Präsentation etwas ganz Außergewöhnliches gelungen“, lobte er das Engagement von Ulrike Scheele und den Mitgliedern.
Die Leihgeberin erfüllte die enorme Publikumsfrequenz zur Eröffnung mit großer Freude, denn nichts ist ihr lieber, als viele Menschen am Vergnügen ihrer Sammlerpassion teilhaben zu lassen. Diese wurzelte in den sechziger Jahren, als der Kauf erster Schnitzerzeugnisse für sie eine sinnvolle Möglichkeit darstellte, den Zwangsumtauschs Betrag bei DDR-Besuchen sinnvoll anzulegen. Die Liebe zu Engeln, Pyramiden, Schwibbögen, Räuchermännchen und Reiterlein war entflammt und trieb zu systematischer Suche vor allem auf Flohmärkten. Dort erwarb sie auch ihr ältestes Stück einen 150-jährigen Nussknacker. In ihrer Einführung ab sie einen kurzen historischen Abriss über die Entwicklung der Volkskunst: was den Bergleuten einst als Feierabendbeschäftigung Entspannung brachte, diente ihnen als Haupterwerbsquelle, nachdem die Grubenarbeit immer ertragloser wurde.
Das anfängliche Sortiment an gedrechseltem Hausrat wurde bald verdrängt durch die Spezialisierung auf die Spielzeugproduktion. Heidi Goldschmidt öffnete den Besuchern nicht nur die Augen für die einzigartig liebreizende Ästhetik der Stücke, sondern wies auf die Symbolik hin: Als traditionelle Weihnachtsleuchter stehen in den Fenstern für jeden Mann in der Familie eine Bergmannfigur, für jede Frau ein Engel – als Zeichen der häuslich, friedlichen Geborgenheit. Nussknacker, meist als Könige gestaltet, stellen eigentlich Spottfiguren, die die Obrigkeit verhöhnen, dar.
Ebenso repräsentieren die Räuchermännchen verschiedenste Berufsgruppen. Die Ausstellung ist so übersichtlich geordnet, dass trotz der Fülle die „liebevolle Arbeit, die in jedem Stück steckt“ für den Betrachter spürbar bleibt.
Der Nussknacker beschäftigte auch Dr. Heinrich Hoffmann. Er widmete ihm das Struwwelpeter-Nachfolgebuch „König Nussknacker und der arme Reinhold“. Der Arzt und Psychiatriereformer des 19. Jahrhunderts stand nicht als Autor im Mittelpunkt des Interesses.
Die Leiterin des Frankfurter Struwwelpetermuseums reiste an, um ihn als Ideengeber und Entwerfer eines Spiels vorzustellen. Beate Zekorn von Bebenburg präsentierte als Weltpremiere in Bickenbach die Wiederauflage von „Des Herren Fix von Bickenbach Reise um die Welt in 77 Tagen“: Inspiriert von Jules Vernes Roman „In 80 Tagen um die Welt“ erdachte er für seine Enkel einen abenteuerlichen Würfelparcours auf der Basis des Gänsespiels.
Mit Start und Zielpunkt Bickenbach – dem Hoffmann als Sommerfrischler eng verbunden war – widerfahren dem westwärts Reisenden in Amerika, Asien und Afrika manche Glücksmomente und Schicksalsschläge. Die Spieler von heute genießen Hoffmanns Illustrationen minutiös, detailverliebt mit Witz und zeitgeschichtlichen Anspielungen. Wer sich und anderen dieses wunderbare Präsent auf den Abendtisch legt, sollte eine Spielregel aus dem Hause Hoffmann mit übernehmen: Dem Sieger erbührt die Ehre einen Tag lang bevorzugt und nett behandelt und obendrein mit den Titel „Fix von Bickenbach“ angeredet zu werden!
Fotos von Stefan Oelsner.
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