Bensheim, Gesundheit-Beauty-Wellness

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigten sich mit der Frage, inwiefern die Ernährung der Kinder Einfluss auf die ADHS-typischen Symptome Unaufmerksamkeit, Impulsivität und motorische Unruhe hat. Foto: Shutterstock
26. Februar 2021 

Vitamine und Co. zur Behandlung von ADHS?

Teilnehmer für große wissenschaftliche Studie am ZI in Mannheim gesucht

BENSHEIM, Februar 2021 (awa), Bevor ich nochmals in eine Klinik ging, um meine Facharzt-Weiterbildung zum Kinder- und Jugendpsychiater zu absolvieren, hatte ich 18 Jahre lang in Mannheim eine Praxis für Homöopathie, Schwerpunkt: Allergien und andere chronische Erkrankungen, insbes. Magen-Darm-Probleme wie z.B. Nahrungsmittelunverträglichkeiten.


Bei meinem damaligen Behandlungsansatz spielten Homöopathie, gesunde Ernährung und diverse Naturheilverfahren die Hauptrollen. Meine damalige Frau Sabine Wacker unterstützte ich bei der Entwicklung der Ernährungsmethode „Basenfasten- die Wacker- Methode®“ (www.basenfasten.de). Bei der basischen Ernährung spielen eine positive, anti-entzündliche Beeinflussung des Stoffwechsel, Entsäuerung und Aufnahme vieler Vitalstoffe (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente) aus frischem Obst, Gemüse, Salat und Sprossen tragende Rollen.


Auch die sog. Orthomolekulare Medizin beschäftigte sich – schon seit vielen Jahrzehnten – mit dem Versuch, Krankheiten durch Zuführung von Vitalstoffen zu heilen, allerdings nicht durch frische, naturbelassene Lebensmittel (wie dies bei basenreicher Ernährung der Fall ist), sondern vorwiegend durch käufliche Präparate / Nahrungsergänzungsmittel. Kurz gesagt: mit Beeinflussung der Gesundheit durch Ernährung und Vitalstoffe habe ich mich über viele Jahre hinweg beruflich beschäftigt.

Umso interessierter las ich in den Weihnachtsferien in der Ausgabe Nr. 117, 3/2020 (S. 15 – 20) von „neue Akzente“ (Mitgliederzeitschrift von „ADHS Deutschland e.V.“) den Artikel: „Nahrungsergänzungsmittel in der Therapie von ADHS“ von Herrn Dr. Alexander Häge, Kinder- und Jugendpsychiater am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, und seiner Mitarbeiterin Marie Mitschke (Doktorandin). Dr. Häge und Frau Mitschke erlaubten mir freundlicherweise, eine gekürzte Zusammenfassung ihres Artikels hier zu veröffentlichen: Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern die Ernährung Einfluss auf die ADHS-typischen Symptome Unaufmerksamkeit, Impulsivität und motorische Unruhe hat.

Neben Untersuchungen zu Wirksamkeiten bestimmter Diäten ist auch der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln in der Behandlung von ADHS zunehmend in den Fokus aktueller Forschung gerückt (Anmerkung Dr. Wacker: in naturheilkundlichen Kreisen beschäftigte man sich schon seit mehreren Jahrzehnten mit dieser Fragestellung, jedoch gab es hierzu keine Studien, die den hohen qualitativen Ansprüchen der evidenzbasierten Medizin gerecht wurden).

Sogenannte Mikronährstoffe (insbesondere Vitamine und Mineralien) sind an unzähligen Prozessen des Körpers beteiligt. Viele Mikronährstoffe müssen über die Nahrung aufgenommen werden, weil unser Körper nicht in der Lage ist, sie eigenständig zu bilden. Im Folgenden sollen solche Substanzen beziehungsweise Präparate kurz dargestellt werden, einschließlich der bisherigen Forschungsergebnisse.

Omega-3-Fettsäuren
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind unter anderem für spezielle Eigenschaften von Zellmembranen von Bedeutung und auch für den Austausch gewisser Informationen und Signale innerhalb und zwischen den Zellen, beispielsweise im Gehirn.
Auch für Entwicklung und Funktionen des Nervensystems sind sie wichtig. Da unser Körper diese Fettsäuren nicht selbst bilden kann, müssen sie über die Nahrung aufgenommen werden. Unterschieden werden Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. In pflanzlichen Ölen und Fisch liegen v.a. Omega-3-Fettsäuren, in Fleisch und Milch v.a. Omega-6-Fettsäuren vor.
Während Omega-6-Fettsäuren Entzündungsprozesse begünstigen, wirken Omega-3-Fettsäuren genau gegenteilig, hemmen also Entzündungsprozesse.
Da die westliche Ernährungsweise meist mehr Omega-6- als Omega-3-Fettsäuren enthält, könnten hierdurch evtl. entzündliche Prozesse im Nervensystem begünstigt werden.
Ohne zu sehr auf weitere, für den Laien eher verwirrende Details einzugehen: Es entstand die Hypothese, dass durch Einnahme von entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren evtl. ADHS-Symptomatik reduziert werden könne.
Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden in den letzten Jahren mehrere Studien durchgeführt. Dabei gab es ein methodisches Problem: in solchen Studien sollten wirksame Substanzen im Vergleich mit Placebos geprüft werden. Es war aber offensichtlich nicht möglich, Placebo-Tabletten oder -Kapseln zu entwickeln, die wie Fischöl riechen und wie Fischöl schmecken, aber kein Fischöl enthalten (das Placebo-Präparat darf ja keinen Wirkstoff enthalten!).
Die Ergebnisse der diversen Studien waren auch nicht einheitlich.
16 Studien, die 2019 genauer überprüft wurden, zeigten außerdem noch weitere methodische Mängel – auch hier würden weitere Details den Laien wohl überfordern. Weitere aktuellere große Analysen vieler Studien ergaben dann sogar, dass kein relevanter Unterschied zwischen Placebos und Omega- 3- Fettsäuren gefunden werden konnte.
Kurz zusammengefasst:
Die uneinheitlichen Ergebnisse in Kombination mit den methodischen Mängeln vieler Studien ermöglichen bislang keine definitive Aussage zur Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln, die ungesättigte Fettsäuren enthalten. Daher werden solche Nahrungsergänzungsmittel in der aktuellen, evidenzbasierten wissenschaftlichen Leitlinie zur Behandlung von ADHS nicht empfohlen.

Eisen
Eisen ist in vielen Nahrungsmitteln wie sog. rotem Fleisch und Hülsenfrüchten zu finden. Zur Aufnahme des Eisens aus der Nahrung ist eine gleichzeitige Aufnahme von Vitamin C nötig, welches z.B. in Zitronen oder Orangen vorkommt. Eisen hat Einfluss auf das dopaminerge und das noradrenerge System. Dopamin und Noradrenalin sind wichtige Überträgerstoffe (Neurotransmitter) im Gehirn. Ein Ungleichgewicht im Bereich des dopaminergen und noradrenergen Systems ist nach aktuellem Wissensstand bei der Entstehung von ADHS von Bedeutung.
Man vermutet, dass Eisen in die Funktionsweise von Dopamin und Noradrenalin eingreift.
Außerdem ist Eisen entscheidend wichtig für die Bildung von rotem Blutfarbstoff und damit für die Bildung von roten Blutkörperchen.
Hier wurde folgende Hypothese gebildet: ein niedriger Wert für Ferritin (Ferritin entspricht dem Eisenspeicher im Organismus) könnte mit ADHS-Symptomatik assoziiert sein.
Basierend auf dieser Hypothese wurde in einer 2008 veröffentlichten Studie Kindern, bei denen ADHS und erniedrigte Ferritinwerte festgestellt wurde, entweder ein Placebo oder eine Nahrungsergänzung mit Eisen verabreicht.
Dann wurde untersucht, welchen Einfluss dies auf die ADHS-Symptomatik hat.
Die Ergebnisse waren uneinheitlich und teilweise widersprüchlich, daher kann auch hier keine Therapieempfehlung gegeben werden.

Phosphatidylserin
Hier handelt es sich um ein Phospholipid, das in vielen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln enthalten ist, wie z.B. Eigelb, Milch, Sonnenblumenkernen und Mais. Es ist wichtiger Bestandteil der Zellmembranen.
In besonders hoher Menge ist Phosphatidylserin in Organen mit hohem Energieumsatz zu finden, wie u.a. in der Leber, im Herzen, in den Skelettmuskeln und im Gehirn.
Die Aufgaben von Phosphatidylserin sind vielfältig: es beeinflusst die Aktivität von Rezeptoren, Enzymen, Ionenkanälen in den Zellmembranen und Signalmolekülen. Im Gehirn werden durch Phosphatidylserin viele Botenstoffe beeinflusst.
Eine Pilotstudie (ohne Placebokontrolle) deutete auf einen positiven Effekt einer Nahrungsergänzung mit Phosphatidylserin für Patienten mit ADHS hin. Dieser Effekt wurde anschließend im Rahmen einer größeren, hochwertigeren Studie weiter untersucht.
Die Ergebnisse fielen aber wiederum uneinheitlich aus, und die größere Studie wies leider erhebliche Qualitätsmängel auf.
Somit ist auch hier ohne weitere wissenschaftliche Untersuchung keine abschließende Bewertung der Wirksamkeit einer Nahrungsergänzung mit Phosphatidylserin in der Behandlung einer ADHS möglich.

Vitamin D
Dieses Vitamin ist vor allem in fettreichen Fischen wie Lachs enthalten und findet sich in kleineren Mengen beispielsweise in Haferflocken und Steinpilzen. Zudem kann der Körper es selbst bei ausreichender Sonneneinstrahlung (UV-B-Strahlung) aus Cholesterin synthetisieren.
Vitamin D spielt eine wichtige Rolle für Calciumhaushalt, Knochenbau und Immunsystem. Darüber hinaus ist es bedeutsam für die Entwicklung des Gehirns und essentiell für die Synthese von Dopamin und Noradrenalin.
Das Enzym, das Vitamin D in seine biologisch aktive Form umwandelt, ist in weiten Teilen des Gehirns vertreten, besonders auch in jenen, die für die Pathophysiologie der ADHS bedeutsam sind.
Zwei Studien untersuchten die Wirkung von Vitamin D in Kombination mit Methylphenidat bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS.
In beiden Studien wurde entweder Vitamin D oder ein Placebo zusätzlich zu Methylphenidat verabreicht.
Zu beiden Studien wurden nur Patienten zugelassen, bei denen zuvor erniedrigte Vitamin-D-Werte festgestellt worden waren.
Die beiden Studien erbrachten unterschiedliche Ergebnisse, bei teilweise methodischen Schwächen.
Eine abschließende Aussage zur möglichen Wirksamkeit von Vitamin D in der Behandlung von ADHS ist nicht möglich; die Ergebnisse deuten aber auf einen eher schwachen zusätzlichen Nutzen hin, wenn Vitamin D zusätzlich zu Methylphenidat gegeben wird.

Kombinierte Mikronährstoff-Präparate
Sie enthalten meist eine Vielzahl unterschiedlicher Mikronährstoffe in Kombination. Neben den bereits beschriebenen gehören dazu weitere Vitamine, Mineralien wie Magnesium, Zink oder Selen und eiweißaufbauende Aminosäuren wie L-Carnitin.
Verschiedene Forscher sehen einen Zusammenhang zwischen Defiziten an Mikronährstoffen und Krankheitsbildern wie ADHS. Daher schlagen sie eine Nahrungsergänzung mit einem kombinierten Mikronährstoff-Präparat zur Behandlung der ADHS vor. Diese Präparate sollen Vitamindefiziten entgegenwirken, das Darmmikrobiom (die Darmflora) verbessern, den Aufbau des Energieträgers ATP anregen und die fehlenden Nährstoffe der westlichen Ernährung ausgleichen.
Ein ausreichend belegtes Erklärungsmodell zur genauen Wirkung der Breitspektrummikronährstoffe im Kontext von ADHS gibt es bisher allerdings noch nicht.
Die Ergebnisse bisheriger Studien ergeben wieder ein uneinheitliches Bild. Es wurden Dosierungen der einzelnen Bestandteile verwendet, die teils deutlich über den in der Europäischen Union empfohlenen Tageshöchstdosen liegen.
Es gibt zwar insgesamt Grund zur Annahme, dass kombinierte Mikronährstoffpräparate für ADHS- Patienten hilfreich sein könnten, die Befunde reichen gegenwärtig aber nicht aus, um eine klare Empfehlung aussprechen zu können.
Weitere Studien sind notwendig, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit eingehender zu untersuchen und ggf. zugrunde liegende Mechanismen genauer verstehen zu können.

Schlussfolgerungen
In der Zusammenschau der bisherigen Forschung lässt sich vermuten, dass bestimmte Nahrungsergänzungsmittel möglicherweise einen positiven Einfluss auf die ADHS-Symptomatik haben. Die bisherigen Studienergebnisse sind jedoch noch nicht genügend abgesichert, nicht zuletzt wegen methodischer Mängel der meisten Studien, meist zu kleiner Zahl an untersuchten Personen, etc.
Daher können bislang noch keine Therapieempfehlungen ausgesprochen werden.
Grundsätzlich bleiben viele Aspekte noch unverstanden, und dem entsprechend ist weitere Forschung auf diesem Gebiet erforderlich.

Die VANTASTIC-Studie
Genau an dieser Stelle setzt die VANTASTIC-Studie (Vitamins and Nutrients as supplementation for Impulsivity, Irritability and Compulsivity) an, welche derzeit in Mannheim und Groningen (NL) durchgeführt wird. Im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projekts „Eat2beNice“ (http://www.eat2benice.eu) untersucht die VANTASTIC-Studie die Wirkung und Verträglichkeit eines kombinierten Mikronährstoff-Präparats in der Behandlung von hoher Impulsivität und Irritabilität (Reizbarkeit) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 18 Jahren.
Reizbarkeit und Impulsivität sind Symptome, die in der Kindheit und Jugend häufig auftreten und auch bis ins Erwachsenenalter fortbestehen können. Sie betreffen insbesondere häufig Menschen mit einer ADHS oder anderen psychischen Erkrankungen. Die Folge ist eine große Belastung für die Betroffenen und ihre Familien.
Die Studie beginnt mit einer 10-wöchigen randomisierten, doppelt verblindeten, Placebo-kontrollierten Phase, in der die Teilnehmer das Mikronährstoff- Präparat oder Placebo einnehmen.
Dem folgt eine zweite, ebenfalls zehnwöchige Phase, in welcher alle Teilnehmer das Studienpräparat mit Mikronährstoffen erhalten.
Eine eventuell bestehende Medikation (zum Beispiel Methylphenidat) sollte in den ersten zehn Wochen nicht verändert werden.
Es werden derzeit noch Studienteilnehmer im Alter von 11 bis 18 Jahren gesucht, welche impulsiv und leicht reizbar sind. ADHS kann, muss aber nicht vorliegen.

Anmerkung Dr. Wacker: Ich als früherer „Naturheilkundler“ bin begeistert davon, dass ein Thema, mit dem ich mich früher über viele Jahre sehr intensiv in der naturheilkundlich- homöopathischen Praxis auseinandergesetzt habe, nun entsprechend fundiert und systematisch wissenschaftlich untersucht wird.
Insofern freue ich mich über die Möglichkeit, dass Kinder und Jugendliche aus der Region an der VANTASTIC-Studie teilnehmen können, und bin jetzt schon sehr gespannt auf die Ergebnisse!

Bei Fragen oder Interesse an einer Teilnahme können Sie sich an den deutschen Studienstandort am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim mit folgenden Kontaktdaten wenden:
Studienleiter Dr. med. Alexander Häge: alexander.haege@zi-mannheim.de
Studienkoordinatorin Ruth Berg: ruth.berg@zi-mannheim.de, Tel. 0621 – 1703-4541.

Dr. med. Andreas Wacker
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und –psychotherapie, Homöopathie
Nibelungenstr. 26, 64625 Bensheim
Tel. 06251 – 66478, Fax – 66278
www.praxis-wacker.de