Bickenbach

Leihgeberin Margit Franz (re) mit der ersten Vorsitzenden des Museumsvereins Bickenbach Ulrike Scheele. Foto: Stefan Oelsner
20. Oktober 2013 

Vorsicht: heiß und glatt!

Die 70. Sonderausstellung „Vom Gniddelstein zum Dampfbügeleisen“ widmet das Bickenbacher Heimatmuseum der Geschichte der Wäschepflege mit dem Schwerpunkt der Bügeleisensammlung von Margit Franz

BICKENBACH, Oktober 2013 (pem), Gut, dass die Steuer auf elektrische Plättgeräte seit 1952 abgeschafft ist. Aber trotzdem: wer bügelt schon gerne? Margit Franz jedenfalls nicht. „Deshalb besitze ich ein komfortables Bügelsystem. Gleichzeitig beschäftigte mich immer die Frage, was Generationen vor uns gelitten haben. Darin mag der Beweggrund liegen, Bügeleisen zu sammeln.“ Seit 1952 frönt sie diesem Hobby. Als sich 2000 die Planung einer Ausstellung konkretisierte, richtete sie die Zukäufe auf eine umfassende Ergänzung ihres Bestandes aus. So verfügt sie über einen internationalen, Epochen überspannenden reichen Fundus, der die technische Entwicklung anschaulich dokumentiert.

Ulrike Scheele als Vorsitzende des Bickenbacher Museumsvereins freute sich im renovierten Saal des Kolbschen Hauses nun die siebzigste Sonderausstellung eröffnen zu können, die Margit Franz in eigener Regie konzipiert und gestaltet hatte. Mit Stolz und Dank sprachen beide den übrigen tatkräftig unterstützenden Mitgliedern großes Lob für ihr Engagement aus.

Einen lebendigen Eindruck von der aufwendigen und Kräfte zehrenden Fleißarbeit der Wäschepflege, vermittelt der Stuckdeckenraum. Mit Liebe zum Detail sind hier Momentaufnahmen aus einer Bügelstube und einer Waschküche aufgebaut. Sie repräsentieren zugleich das bürgerlich städtische Leben, andererseits die ländliche Gepflogenheit, denn die Waschküchen dienten ebenso dem Haushalt zur Verwurstung, zum Einkochen und natürlich dem Latwergerühren!

„Im Schrank weißes Linnen – im Herzen reinstes Sinnen – ist rechte Hausfrauenart“, „Soll glatt und fein geordnet sein, wie´s einstens hielt mein Mütterlein“. Schon lange vor dem sittsamen kreuzgestichelten Wäschebandbekenntnis legte man Wert auf knitterarme Garderobe. Schon die Wickingerin benutzte runde „Gniddelsteine“ zur Optimierung der Handstreichkraft. Wäschebretter und hölzerne Mangeln waren weitere Vorformen des Bügeleisens. Weil Gewicht in Verbindung mit Wärme dem weiblichen Wäschestolz dienlich ist, verwendete man in China für die kostbaren Seidenstoffe bereits um die Zeitenwende offene Pfanneneisen mit Holzkohlebefüllung.

Bedeutend später waren geschlossene Modelle (Augeneisen) auch in Europa verbreitet. Um dem giftigen Dampf möglichst wenig ausgesetzt zu sein, konstruierte man Richtung gezielte Abzüge. Ein Prachtstück unter diesen „Kamineisen“ bewundert man in der drachenköpfigen „Berliner Plätte“. Gleich mehrere Eisen hatte im Feuer, wer mit Bolzen arbeitete. Der Metallkern lagerte in der Ofenglut, eingeführt in den Hohlkörper der „Ochsenzunge“ leistete die Bügelfrau damit Schwerstarbeit bis dieser erkaltete, um dann flugs nach dem Austausch der Bolzen ihr Werk fortzusetzen. Neue Energien revolutionierten die Bügeleisenbefeuerung. Haushaltsführung mit „Nervenkitzel“ wie Spiritus, Benzin und Gas erwiesen sich als recht risikoreiche Glühstoffe.

Als Kuriositätenkabinett nimmt sich die Vitrine aus, in der die Exponate auf gesellschaftlich-modische Einflüsse zurückschließen lassen. Spezialeisen wurden entwickelt für Knopflöcher, „Vatermörder“-Kragen, Puffärmel, Rüschen, Manschetten und Plissees. Doch selbst zu DDR-Zeiten leistete der Krawattenbügler noch gute Dienste.

Die Porzellan-Plätten spiegeln auf besondere Weise ihre Zeit: in Kriegszeiten musste alles Waffen taugliche Material eingespart und durch anderes ersetzt werden. Nachdem im 19. Jahrhundert Dampfbügeleisen aufkamen, drängte der Fortschritt weiter nach Vereinfachung und Erleichterung der Handhabung. 1890 wurde das erste Patent für ein Elektrobügeleisen vergeben. Ein Schritt zur späteren Emanzipation: Der pilzförmige „Bügelfix“ sprach ausdrücklich den Junggesellen an und garantierte mit 750 Gewicht zum Preis von 13.50 Mark tadellosen Hemd- und Hosensitz.

Neben dem breiten Spektrum technischer Raffinessen und Entwicklungen kommt auch die Ästhetik nicht zu kurz, wahre Kleinodien des Kunsthandwerks finden sich unter den aus verschiedenen Materialien gestalteten Bügeleisenuntersetzern. Die Erinnerung an die faszinierenden Ausstellungsstücke wird uns das nächste Bügeln erleichtern. Die Eröffnungs-Besucher hatten sichtliches Vergnügen an den gut bestückten Vitrinen. Ein Gästebuchkommentar: „Wir sind geplättet von der Vielfalt!“

Die Ausstellung ist noch bis zum 26. Januar 2014 im Bickenbacher Kolbschen Haus zu bestaunen. Öffnungszeiten: Sonntag 15-17 Uhr oder nach Vereinbbarung. www.museum-bickenbach.de