Auto und Mobiles, Seeheim-Jugenheim

Ein Schmuckstück des Seeheimer Oldi-Liebhabers Gert Hauschild ist der Mercedes-Benz 230 SL aus dem Jahre 1965, der auch schon als Hochzeitsauto stilvolle Verwendung fand. Foto: soe
18. April 2021 

„Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“

Gert Hauschild aus Seeheim hat ein Faible für automobile Klassiker

SEEHEIM-JUGENHEIM, April 2021 (pes), Im Frühjahr 1963 wurde er auf dem Genfer Auto-Salon vorgestellt: Der W 113 ist ein zweisitziges Faltdach-Cabriolet von Mercedes-Benz.

Wegen seines nach innen gewölbten Hardtops erhielt er den Spitznamen Pagode. Sportlich und schnittig, aber auch sachlich-elegant in der Linienführung. In der Version 230 SL wurde der von 1963 bis 1967 weniger als 20.000 Mal gebaut. Einer gehört Gert Hauschild aus Seeheim, ehemaliger Lehrer des Schuldorfs Bergstraße. Als Vorstandsmitglied der Darmstädter Tafel ist er seit 2019 auch für die Zweigstelle in Seeheim aktiv. Neben seiner sozialen Mission hat der gebürtige Mannheimer eine automobile Passion. Neben dem 110 kW starken 2,3-Liter-Flitzer fährt er, wann immer es geht, mit seinem Lloyd Alexander aus dem Jahr 1960 durch die Lande. „Ein enorm zuverlässiges Auto“, so Hauschild über den Kleinwagen aus den Bremer Lloyd-Werken. Er springe immer an, sei aber nicht ganz wasserdicht. „Eine Mitgliedschaft in einem Automobilclub ist grundsätzlich ratsam.“

Im Falle des Lloyd war es bei ihm genauso, wie es vielen Oldtimer-Freunden geht: Die Kaufentscheidung gehorchte eher persönlicher Sentimentalität denn rein ästhetischen Motiven. „Das war das erste Auto meines Vaters.“ Wer als Knabe Sound, Geruch und Innenleben eines Autos aufgesogen hat, der erinnert sich auf ewig.

Mit einem Neupreis von rund 4300 Mark war der Lloyd mit Vollausstattung in den Spätfünzigern etwas hochpreisiger wie vergleichbare Modelle – mit dem Mercedes kann man den rundlichen, luftgekühlten 25-PS-Klassiker freilich nicht vergleichen. In einem aber wohl: Mit dem glattgebügelten Luftkanal-Einerlei aus modernen Serienproduktionen haben die stilvollen Oldies lediglich die vier Räder gemein. Gert Hauschild steht auf Charme und Charakter.

Sein Jugendtraum war ein Porsche 356 B. Als 17-jähriger Leichtathlet war er mit seiner Mannschaft bei einem Länderkampf im badischen Öhringen. Das Team war privat untergebracht. Bereits die Fahrt ins Heim der Gastgeber musste ihm wie ein Staatsempfang vorgekommen sein: die Jungs rollten in einem Mercedes-Benz 600. Dort angekommen, sah er ihn. Der Mittelstreckler war von dem schnittigen Sportler gleich begeistert. Als er seine Ausbildung bei einer großen Krankenkasse 1967 beendet hatte, fragte er dort an. 14 Tage zu spät. Der Porsche war bereits verkauft. Statt Roadster fuhr er fortan Ente. Der Citroën 2CV wird sein treuer Begleiter. Erst vor fünf Jahren haben sich die gemeinsamen Wege getrennt.

1987 kauft er den Mercedes. Eine Investition. Die Wertsteigerung ist beachtlich. Während er an der Ente und am Lloyd vieles selbst macht, lässt er beim Cabrio lieber die Finger weg. „Ich habe einen guten Mechaniker.“ Seine Fahrzeuge sind ganzjährig angemeldet. Das unverkennbare SL-Gesicht hat nach über 50 Jahren nichts von seinem Charisma verloren. Die Motorhaube hat in der Mitte eine leichte, zusätzliche Wölbung, die dem aufrecht stehenden Sechszylinder Raum bietet. Aber warum „Pagode“? Der Spitzname bezieht sich auf das Hardtop-Dach, das durch einen nach innen gerichteten Schwung sowie die hohen Scheiben mit schmalen Säulen an fernöstliche Tempelbauten erinnert.

Der Lloyd ist deutscher Westen pur. Der kompakte Kollege aus der Borgward-Familie zieht noch immer die Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem Ältere bleiben stehen und kommen mit ihm ins Plaudern. Ein Oldie, aber noch immer ein zuverlässiges Alltagsauto. Vier synchronisierte Vorwärtsgänge, oben liegende Noc-kenwelle, hohe Fertigungsqualität. Ein technisch eindrucksvolles Wirtschaftswunder-Relikt. Den Spruch „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“, der auf die vermeintlich unsichere Karosse abzielt, kann Gert Hauschild bis heute nicht unterschreiben. Sein Alexander hat ihn niemals im Stich gelassen.