Zwischen Fleißbildchen und Eselsbank
Die Sonderausstellung im Kolbschen Haus widmet sich einer „Reise durch die Schulgeschichte von 1800 bis 1960“
BICKENBACH, Januar 2015 (pem), Mit der Schulzeit verbindet jeder intensive Erinnerungen: Kameradschaft, Poesiealbumromanzen, Pausenstreiche, Schultütenstolz und Abiturehre, die Respektspersonen, wie „das gestrenge Fräulein“ (Lehrerinnen mussten unverheiratet bleiben oder die Stelle quittieren). Kleine Dorfschul-„Taugenichtse“ hatten ein schweres Leben: wer seine Lektion nicht gelernt hatte, lief Gefahr auf der Eselsbank ausharren zu müssen, die Kappe mit langen Ohren auf dem Kopf, verbannt in die Ecke des Klassenzimmers, in dem alle Altersstufen unterrichtet wurden.
Das Schulwesen ist ein Epochenspiegel. Jede Generation etabliert sich durch Ausbildung und Erziehung Wissen und Werte. Zwangläufig muss die Schule im Forschungsinteresse aller Historiker und Soziologen stehen. So lädt man auch im Kolbschen Haus noch bis 1. März 2015 zu einer „Reise durch die Schulgeschichte von 1800 bis 1960“ ein. Die Ausstellung ist Bestandteil eines studienrelevanten Projekts von Isabelle Müller. Sie bekleidet die vor drei Jahren geschaffene Minijobstelle zur Neuordnung des Archivs. Unter der fachkundigen Betreuung von Vereinsfrau Margit Franz entwarf sie das Konzept und besorgte mit anderen Mitgliedern zusammen die Präsentation der Exponate. Dabei legte man Wert auf die Umsetzung der Idee des lebendigen Museums und der erlebbaren Geschichte. In einer „interaktiven Einheit“ kann der Besucher auf Originalbänkchen Platz nehmen, um mit Tafel und Griffel oder Papier und Federkiel den gestochenen Schwung des Sütterlin in Schönschrift zu üben. Besonders bemerkenswert ist die Mediennutzung. In Kooperation mit Mainzer Medienwissenschaftsstudenten entstand ein 23-minütiger Film, in dem Bickenbacher unterschiedlichen Alters in Interviews ihre Eindrücke der Schulzeit als Zeitzeugen Revue passieren lassen.
Die größte Herausforderung bei der Vorbereitung der Ausstellung lag wohl in der Auswahl der Objekte. Die Kuratorinnen schöpften dabei aus dem Vollen dank der Sammelpassion von Erika und Konrad Witt. Über vierzig Jahre lang trug das Seeheimer Lehrerehepaar Gegenstände und Dokumente rund um den Schulalltag zusammen. Nichts entging der aufmerksamen Leidenschaft vom Glanz- und Fleißbildchen bis zur Relieflandkarte, vom Bleistiftspitzer bis zum imposanten Lehrer-Rock und dessen noch eindrucksvolleren „Züchtigungsgerätschaften“. Auch lokale Kostbarkeiten finden sich darunter so z.B. die Glocke und das Harmonium des Malchener Schulhauses. Im kommenden Frühjahr wird sich der sehnlichste Wunsch der Pädagogen nach einem Seeheimer Schulgeschichtsmuseum erfüllen.
Zuvor hatten die beiden aber den Bestand den Bickenbacher Geschichtsaktivisten angeboten. Die Hauptleihgeber lobten die durchdachte Zusammenstellung und die liebevolle Präsentation der Objekte in der idealen Atmosphäre des Hauses. Bewusst hatten sich die Organisatoren gegen eine chronologische Abfolge entschieden. Und eine thematische Ordnung bevorzugt. An konkreten Inhalten ist der Wandel der pädagogischen Behandlung nachvollziehbar. Die Krönung der anschaulichen Reise durch die Schulgeschichte wird für jeden Besucher der Aufenthalt in dem mit originalem Mobiliar komplett eingerichteten Klassenzimmer sein: Da fallen im Inneren die Jahrzehnte ab, Nostalgieseufzer steigen auf: „Ja das waren noch Zeiten…“
Geöffnet ist die Ausstellung noch bis zum 1. März 2015, sonntags von 15 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung im Museum im Kolb`schen Haus in Bickenbach.

