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Die fleißigen Zwiebelschäler haben noch stundenlange Arbeit vor sich bis das fertige Dunksel am Abend im Bickenbacher Bürgerhaus serviert werden kann.
12. November 2016 

Gutes Dunksel braucht auch Tränen

Für das Bickenbacher Traditionsessen „ackert“ ein neunköpfiges Team ab den Mittagsstunden – und einige stehen am Abend auch noch auf der Bühne

BICKENBACH, November 2016 (holly), Über dem Röderhof zwischen Malchen und Seeheim liegt eine Wolke intensiven Dufts – würzig, Neugier erregend. Aber zugleich so intensiv, dass der Außenbereich des Hofes als die richtige Wahl für die Zubereitung des Bickenbacher Dunksels erscheint. Der Röderhof ist auch deshalb die richtige Wahl, weil dort nicht nur Landwirtschaft, sondern auch eine Landmetzgerei betrieben wird, deren Wurstküche genug Raum bietet fürs Dunksel-Team. Dunksel – das ist nicht zu verwechseln mit „Dunkes“, wie der Redakteur gleich bei seinem ersten Versprecher erfährt. Beides hat zwar irgendwie was mit „Tunken“ zu tun, „aber Dunkes, dess is woas ausm Ourrewoald“, erfährt er von Helga Suttheimer, einer von sieben Köchinnen und zwei Köchen, einem Team, dessen Zusammensetzung sich seit 22 Jahren kaum verändert hat. „Das neue Team hat sich 1994 gebildet, mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Günter Martini“, erklärt Tanja, eine jüngere Variante der Suttheimers. „Ich bin die einzige, die später dazugekommen ist.“

„Dunksel“ ist vermutlich ein fleischlicheres Gelüst als „Dunkes“, zumindest in der aktuellen Version, für die gerade Unmengen von Dörrfleisch langsam in drei großen Kasserollen gegart werden. Wie viel, das vermag keiner aus dem Team genau zu beziffern. Der intensive Geruch hängt sich übrigens schnell in die Bekleidung – wie der Redakteur später nach dem Abschied in seinem Auto feststellt. Wechsel der Garderobe fürs abendliche gesellschaftliche Ereignis kollektiven Dunksel-Verzehrens im Bickenbacher Bürgerhaus ist also obligatorisch. Das Dörrfleisch-Garen ist schon der zweite Akt eines kulinarischen Dramoletts, das bereits um die Mittagsstunde mit dem Schälen von 125 Kilogramm Zwiebeln begonnen hat.

Gemüsezwiebeln zwar, „aber wir haben trotzdem alle geheult, ihr Kollege Fotograf auch“, verrät Tanja Suttheimer schmunzelnd. Die Zwiebeln sind grob kleingeschnitten, durch den Fleischwolf gedreht und vorgedünstet worden, jetzt warten sie in Bundeswehr-Warmhaltebehältern auf ihren weiteren Einsatz.

Ist das eigentlich ein Geheimrezept? „Nö, das hängt ja sogar im Rathaus, aus den Zeiten von Bürgermeister Karl Schemel, der das große Dunkselessen eingeführt hat“, weiß Köchin Christel Hennemann und schaut dann gleich weiter zurück ins Reich der Tradition: „Das war früher ein Arme-Leuts-Essen, damals aber mit weniger Fleisch.“ Blut- und Leberwürste habe es dazu gegeben – was darauf schließen lässt, dass „Dunksel“ einst Mitwirkender bei Schlachtfesten gewesen sein könnte. Die Würste paaren sich immer noch mit der Dörrfleischpaste, und warten bereits im Bürgerhaus.

Aber soweit ist es noch lange nicht. Erst erzählt Gottfried Weihert mal wieder einen Witz. Er tut das gerne, häufig und auf so trockene Art und Weise, dass wegen des Gelächters minutenlang jede andere Tätigkeit in der Wurstküche zum Erliegen kommt.

Der nächste Schritt: Raus mit dem Dörrfleisch aus den Kasserollen, rein mit dem Schweineschmalz und dunkles Roggenmehl dazu, auf das es eine sämige Mehlschwitz gibt. Die wird mit Brühe aufgegossen, die vom Röderhof kommt, nix instant, das würde die Tradition verletzen. Am Ende kommt alles zusammen, aber die einzelnen Zutaten dürfen noch eine Weile Hochzeit feiern, damit sich die Aromen durchdringen. Gewürzt wird nicht viel: Salz, Pfeffer, ein wenig Essig – nach Geschmack halt, „und jedes Jahr schmeckt das Dunksel ein wenig anders“, weiß Christel Hennemann.

So gegen 17.30 Uhr ist das Ziel erreicht. Das Dunksel-Team schätzt, dass etwa 150 Kilogramm Substanz geblieben sind, die drei tarnfarbig lackierte 50-Liter-Warmhaltebehälter füllen. Das reicht, denn es gibt ja noch die Würste und – als böte die Mehlschwitzsauce nicht schon genug Kohlenhydrate – auch gekochte Kartoffeln, stattliche 175 Kilogramm, ein Pfund für jeden der 350 Mitesser.
Und zum Nachtisch gibt es ein Theaterstück, jedes Jahr ein anderes, diesmal „Neurosige Zeiten“. Da ist Tanja Suttheimer schon wieder im Einsatz, auf der Bühne.

Fotos: Melibokus Rundblick
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