03. Juni 2022 

45 Jahre Gemeinsamkeit: Dieses Jahr feiert Alsbach-Hähnlein sein Ortsjubiläum

ALSBACH-HÄHNLEIN, „Würde Hähnlein mit Alsbach vereinigt, selbst wenn es mit Alsbach und Bickenbach vereinigt würde, bliebe es ein Satellitengebilde, das keineswegs den Vorstellungen einer fortschrittlichen Gemeindeentwicklung entspricht,“ so kann man es der Stellungnahme der Gemeinde Alsbach zur beabsichtigten Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt aus dem Jahre 1974 entnehmen. Auf der Kerb in Hähnlein konterte man 1976 scharf auf die „Zwangsehe“ mit Alsbach: „Da sich nach dem alten Sprichwort wahre Liebe necke, solle man in Hähne niemals necken, denn man liebt sich hier nicht mit Alsbach,“ so das Darmstädter Kreisblatt 20.10.1976.

Wie kam es nun, dass diese seit dem großen Weideprozess des 17. Jahrhunderts rivalisierenden Orte Alsbach und Hähnlein 1977 zueinander fanden?
Im Jahre 1969 legte der Hessische Minister des Innern eine „Planung zur gebietlichen Neuordnung auf Gemeindeebene in Hessen“ mit folgender Einleitung vor: „In der Erkenntnis, dass die ständige Zunahme der öffentlichen Aufgaben vor allem die kleinen Gemeinden immer mehr und mehr überfordert, strebt die Landesregierung eine Stärkung der Verwaltungskraft auf Gemeindeebene an.“ Dieses Ziel sollte durch die sogenannte Gemeindegebietsreform umgesetzt werden, bei der sich Gemeinden in größere effizientere Verwaltungseinheiten nach bestimmten Kriterien zusammenschließen.

Die bereits seit 1968 im gesamten Bundesgebiet stattfindende Gemeindegebietsreform, hatte zur Folge, dass sich bis 1974 die Zahl der Gemeinden im Bundesgebiet um ca. 40% und in Hessen sogar um 68% reduzierte. In nahezu allen hessischen Gemeinden, die auf ihre teils über tausendjährige selbstständige Geschichte nicht verzichten wollten, brodelte es bis Mitte der 1970er hinein. Man kann davon ausgehen, dass nicht nur in Alsbach und Hähnlein mehrseitige Schreiben und Petitionen verfasst wurden, mehrfache Anhörungen, Gemeinde- sowie Bürgerversammlungen zum Thema Bewahrung der Selbstständigkeit stattfanden. Die eigens gegründete Alsbacher Bürgerinitiative sammelte bei ihrer im Januar 1974 stattgefundenen Unterschriftenliste 1617 Unterschriften, lt. eigener Angabe ca. 70% aller Wahlberechtigten, darunter auch prominente Einwohner wie Elisabeth Grümmer und Prof. Dr. Renate Riemeck. All diese Bemühungen blieben ungehört und wie der damalige Hähnleiner Bürgermeister Ost bereits im Dezember 1973 resümierte: „Der Zusammenschluss werde auch ohne unser Zutun durch Gesetz verfügt.“ Er sollte Recht behalten. Die eigens von der hessischen Landesregierung herausgegebene Broschüre „Die Hessenreform“, die anschaulich Motive und Zielsetzungen der Reform darlegen sollte, konnte den Unmut und die Angst vieler Gemeinden vor willkürlichen Zusammenlegungen seitens des Landes nicht besänftigen.

Sowohl Alsbach als auch Hähnlein plädierten vehement für ihre Selbstständigkeit, weil sie keine nennenswerten Vorteile einer zwanghaften Zusammenlegung sahen. Sie verwiesen beide auf ihre funktionierende leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung. Hähnlein habe zudem, der Größe des Ortes entsprechend, kommunale Grundeinrichtungen. Die topographische und geographische Lage Hähnleins ließe sich nicht mit den Nachbarorten vergleichen, besonders gut sichtbar würde dies, durch die räumliche Trennung durch die Auto- und Eisenbahn, die ein Zusammenwachsen der Orte verhindere. Trotz dieses Hindernisses zeige der Abwasserzweckverband mit Zwingenberg und Alsbach die Bereitschaft Hähnleins mit Nachbargemeinden zusammenzuarbeiten. Alsbach betonte seine Funktion als Wohn- und Erholungsstandort mit entsprechender kommunaler Infrastruktur sowie Gewerbe, die zusammen eine besondere regionale wirtschaftliche und touristische Bedeutung innehätten. Alsbach äußerte zudem Unverständnis darüber, dass bei der Umsetzung der Gebietsreform im Kreis Bergstraße von insgesamt 22 Gemeinden, neun mit unter 5000 Einwohnern selbstständig blieben, und forderte ein einheitliches Vorgehen.

Es standen mehrere neue Gemeindegebilde mit entsprechender Namensvielfalt zur Auswahl, die der Alsbacher Karnevalsverein bereits 1971 glossierte, in dem es ja unmöglich sei, dass das neue Gebilde „Seebijualshähnheim“ heißen könne. Die „Große Lösung“ sah vor, Alsbach, Bickenbach, Hähnlein, Jugenheim und Seeheim zu vereinigen. Namen dieser angedachten neuen Regionalstadt waren „Bergstraße“, „Bergstraßenstadt“ oder „Seeheim“. Alternativ stand im Raum: Zwingenberg (LK Bergstraße) und Alsbach sowie Hähnlein, beide LK Darmstadt, werden zu einer neuen Gemeinde im LK Darmstadt-Dieburg zusammengeschlossen.

Die propagierte „kleine Lösung“: Alsbach, Bickenbach und Hähnlein sah man als das kleinere Übel an, deren Namensfindung sich jedoch als problematisch gestaltete. Bezogen auf das historische Gebiet sollte die zukünftige Gesamtgemeinde Bickenbach heißen. Alsbach verwies auf seine 1200-jährige Geschichte und, dass der Name Alsbach aufgrund dessen nicht einfach ausgelöscht werden dürfte. Die Hähnleiner Petition schlug hingegen vor, bei der Namensfestlegung einen neuen neutralen Namen in Betracht zu ziehen, z.B. böte sich der Ursitz der Herren von Bickenbach – der Weilerhügel – an. Daher beantrage man, die neue Gemeinde „Weilerburg“ zu nennen. Schlussendlich sah das Gesetz zur Neugliederung vom 26.6.1974 vor, dass Bickenbach selbstständig blieb und Zwingenberg nach wie vor zugehörig zum Kreis Bergstraße sei. Ferner mussten sich Alsbach und Hähnlein unter dem Namen Alsbach zum 01.01.1977 zusammenschließen. Dieser wurde wiederum am 01.01.1978 in Alsbach-Hähnlein umgewandelt.

Letztendlich kultivieren die Orte ihre liebgewonnenen Rivalitäten und Eigenheiten.

Von Nicole Rieskamp