Achtung! Lesen vertreibt die Dummheit!
Das 10-jährigen Bestehen der Schülerbibliothek feierte die Alsbacher Melibokusschule mit einem unterhaltsamen Programm des literarisch-musikalischen Trio „Myriks“
ALSBACH-HÄHNLEIN, Dezember 2015 (pem), „Ein Buch ist wie ein Garten in der Tasche“, formuliert poetisch ein arabisches Sprichwort. Ein wunderbares Bild, wie die Saat des Geistes, vielgestaltig wie die Pflanzenwelt, Wortform annehmen. Der Leser erfreut sich daran und kann den Garten bearbeiten, um darin zu ernten. Je früher man sich an diese „Gartenarbeit“ gewöhnt, desto reicher der Ertrag. So gehört es unmittelbar zum Bildungsauftrag der Schule, den Weg zur Beschaffung der geistigen Nahrung zu ebnen. Das stand für die Pädagogen der Melibokusschule schon vor mehr als zehn Jahren fest. Einhellig war die Meinung, dass die Förderung der Lesekompetenz Fächer übergreifende Wirkung zeigen würde.
Erschreckend sind immer noch die Statistiken des Nicht-Lesens: 30% der Eltern 3-8-Jähriger lesen ihren Kindern nicht vor. Bei 15% der 15-Jährigen liegt die Lesefähigkeit auf Grundschulniveau. Jährlich verlassen 50.000 die Schule ohne Abschluss. Die „Nicht-Bildung“ verursacht jährlich 1,5 Milliarden Kosten. Erwiesen ist dagegen, dass Kinder, denen früh vorgelesen wurde, ein hohes Maß an Empathie entwickeln, was sie zu besonders wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft macht.
Bestätigt durch die positiven Erfahrungen anderer Schulen, mit denen man im Austausch stand, formierte sich im Kollegenkreis der Wunsch nach einer Schülerbibliothek. Nach Bedarfsanalysen durch Fachkonferenzen wurden daraus handfeste Pläne. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Bücherei erinnerte Schulleiter Mathias Volkart an die Anfänge und blickte dabei auf eine Erfolgsgeschichte zurück. „Die Hoffnungen auf eine Bereicherung des Unterrichts haben sich hundertprozentig erfüllt“, versicherte er. Die Resonanz war groß und hat sich kontinuierlich fortgesetzt.“
Das Nutzungsangebot wird angenommen, zum Pausenschmökern ebenso wie zur Vorbereitung von Referaten. Das erklärte pädagogische Ziel, Kinder zur Selbständigkeit in der Informationssuche zu befähigen und Anreiz zur Selbsttätigkeit zu schaffen, wurde vollauf erreicht. Mathias Volkart hob besonders die Bedeutung des Förderkreises hervor, der das schulinterne Engagement um Erhalt und Erweiterung der Bibliothek finanziell ergänzt und auch tatkräftig unterstützt. Schon die Regalgrundausstattung entstand in Eigenarbeit, die Sitzkissen bestückte Lesetreppe ist das jüngste Zeugnis.
Besonders verdient gemacht, um die Sache des Lesens, hatte sich als Deutschlehrer Jürgen Scherer, der die Konkretisierung des Bibliotheksprojekts enthusiastisch vorantrieb. Als Mann der Taten für das Wort ist er der Melibokusschule auch im inzwischen erreichten Ruhestand verbunden geblieben. Seine literarische Leidenschaft wandelte er kreativ in künstlerische Betätigung. Schon früher hatte er zu verschiedensten Anlässen unterhaltsame und geistreiche Proben seines Talents als Rezitator und Wohlgestalter der Rede abgelegt. Für seine Streifzüge durch Sprache und Literatur suchte er sich inspirierende Begleitung in Form von musikalischer Ergänzung. So entstand das Trio „Myriks“ (eine Kreuzung aus Musik und Lyrik). Die harmonischen Klangkomponenten steuern Evia Hirt mit dem Saxophon und Birgit Köhler-Günter am Piano bei. Die Spezialität der beiden Musikerinnen sind schmeichelnde Melodien zwischen Jazz und Blues, ruhige und trotzdem schwungvolle Musik zum Luftholen und sammeln, um den Geist wieder zu erfrischen und bereit zu halten für neue Bonmots, Aphorismen, Reime und Textpasssagen, die er mit ansteckender Begeisterung darbietet.
Bei der kleinen Geburtstagsfeier machte mehrmals das Körbchen die Runde, aus dem man Zettel entnahm, die dann zu verlesen waren. Wer fände kein Vergnügen daran, sich einmal Schüttelreime zum Thema Beziehungen auf der Zunge zergehen zu lassen, wie etwa: „Schwer zu haben ist die Esther, eher geht’s bei ihrer Schwester“, „Ich nenn die schöne Anna mein, ihre Küsse gehn mir wie Honig rein“. Oder in einer anderen Runde den Gedanken über das Lesen nachzuspüren: „Essen vertreibt den Hunger, Lesen die Dummheit!“
Ein Brainstorming zu diesem Thema lieferte den Einstieg zum Vortrag einer Folge heiterer Gedichten aus verschiedenen Epochen. Man lauschte den Definitionen von „Bücherwurm“ und „Leseratte“ aus der Feder Horst Bellmanns, Eichendorffs Erinnerungen an Bilderbücher, Morgensterns Vision einer Texte kondensierenden Brille und schmunzelte darüber, dass für Heinz Erhardt das Schmökern zwischen acht und Mitternacht auch eine Spätlese sei.
Konkurrenzlos blieb jedoch Jürgen Scherers Vortragskunst von szenischer Plastizität. Er ist ein Kopftheatermacher und Ohrencineast. Nach dem Motto „Fortsetzung folgt“ brachte er in über den Abend verteilten Sequenzen Wolfgang Borcherts tragikomische Erzählung „Sysisphus“ zu Gehör. Der bisweilen Adjektiv verliebte Schreibstil des Autors, der sich an überbordenden Häufungen schöner Formulierungen weidet, kam aus seinem Munde zu wunderbarer Geltung. Das Publikum konnte einen inspirierenden kurzweiligen Abend genießen, der dem Anlass würdig war.

