Als der Zwingenberger Stadtrat Lotto spielte …
Eine kleine Anekdote zum Stadtjubiläum
ZWINGENBERG, August 2024 (raha), Der Zwingenberger Heimatforscher Walther Möller hatte in seiner Zeit vor dem ersten Weltkrieg viele alte Geschichten und Anekdoten der ältesten Stadt an der Bergstraße aufgeschrieben. Er konnte vermutlich auf authentische Unterlagen zurückgreifen, die später durch die beiden Weltkriege verloren gingen. Nachzulesen in seinem 1910 erschienenen Buch „Geschichte der Stadt Zwingenberg“, dass beim örtlichen Heimat- und Geschichtsverein zu beziehen ist. Eine Anekdote ist besonders interessant und sorgte damals für das nötige Amüsement an der nördlichen Bergstraße: Das „Arheilger Kapital“.
Die Zent Arheilgen hatte am 6. März 1721 von der Stadt Zwingenberg 1200 Gulden „zu Behuf Frucht zu Brod“ empfangen, die aber wahrscheinlich Naturalien im Gegenwert des Betrages waren, so die Vermutung Möllers. Diese 1200 Gulden wurden von Zwingenberger Seite noch mit 6 % verzinst! Nachdem die Rückzahlungen erst regelmäßig eingingen, stockte plötzlich der Geldfluss der säumigen Gemeinde. Trotz Beschwerden seitens der Zwingenberger bei der fürstlichen Kammer zu Darmstadt war bei den Arheilgern kein Geld mehr locker zu machen.
Im Jahre 1730 wurde im damaligen Fürstentum Darmstadt eine Lotterie angeordnet, um Geld in die Kasse des Landgrafen zu bekommen. Der Stadtrat der Bergstraßenkommune kam dabei auf die verwegene Idee, dort sein Glück zu versuchen, um den Verlust der ausbleibenden Arheilger Zahlungen auszugleichen. Von den säumigen Schuldnern aus dem Darmstädter Norden wurden mit größter Mühe noch 100 Gulden herausgepresst, die sofort in die Lotterie gesteckt wurden. „Durch die Commisarios Namens der Stadt in die Darmstädter Lotterie eingeleget“, so der überlieferte Text in Möllers Buch. Da auf je zehn Lose für je einen Gulden ein Freilos entfiel, erhielten die Zwingenberger insgesamt 111 Lose und waren überglücklich, denn dies erhöhte die Gewinnchancen beträchtlich!
Es stellte sich bei der Ziehung dann auch ein so nicht erwarteter Erfolg ein: Man kam auf sage und schreibe 29 Treffer! Aber der Gesamt-Betrag der 29 Gewinnlose betrug nur 54 Gulden und 15 Alben (von Albus, ein Vorläufer des Pfennigs), von denen gingen noch die Steuer ab (der „zehnte Pfennig“), so dass den Stadtvätern nur noch 48 Gulden und 42 Alben übrigblieben!
Somit hatte man im Rathaus über die Hälfte des Einsatzes verspielt! Mit Arheilgen, denen man die Schuld für diese Misere in die Schuhe schieben wollte, prozessierten die Zwingenberger noch bis 1780, dann gab man auf. Erst im Jahre 1787 kam es zu einem Vergleich mit den Schuldnern, die den Rest nun auch zahlen wollten. Ob sie auch tatsächlich gezahlt hatten, ist nicht überliefert!
Das Lottospielen hatte im Zwingenberger Stadtrat aber schon Tradition: Bereits 1715 legte man sieben- einhalb Gulden in eine Lotterie, anscheinend ohne jeden Erfolg, wie Möller in seinem interessanten Buch feststellt.