03. Juni 2022 

Auf der Suche nach den Baumarten der Zukunft

Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt legt Probeflächen an, um Potenziale und Risiken Alternativer Baum-arten zu erforschen | Forstamt Darmstadt stellt eine 2 ha Probefläche im Stadtwald angrenzend an Malchen

DARMSTADT/MALCHEN (kön), Die Witterungsextreme der Jahre 2018, 2019 und 2020 haben den hessischen Wäldern enorm zugesetzt. Durch Hitze und Trockenheit geschwächte Bäume wurden von Insekten und Pilzen befallen und starben in Folge dessen teilweise flächig ab. Es wird angenommen, dass Witterungsextreme mit Fortschreiten des Klimawandels bis zum Ende des Jahrhunderts weiter zunehmen und sich somit die Situation für die heimischen Baumarten weiter verschärft.

Unsere heimischen Baumarten, wie z.B. die Buche, sind auf eine solch schnelle Veränderung ihrer Lebensbedingungen nicht eingestellt. Sie leiden zunehmend unter Trockenstress. Ein geschwächter Wald kann die für den Menschen so wichtigen Ökosystemleistungen, wie z.B. CO2-Bindung, Luftreinhaltung, Trinkwasser- und Erosionsschutz, Erholung sowie Rohstoffbereitstellung nicht mehr vollumfänglich erbringen. Um diese Waldleistungen auch für zukünftige Generation zu sichern, muss der Wald an die Klimaveränderung angepasst werden.

Vor allem die Mischung mehrerer Baumarten in einem Waldbestand wird als wichtiges Instrument zur Risikostreuung verfolgt. Um die Baumartenpalette zu erweitern, wird der Anbau weiterer bzw. bisher seltener Baumarten erwogen. Das ist aber nicht so einfach wie es auf den ersten Blick scheint, da die Auswahl an heimischen Waldbaumarten sehr begrenzt ist.

Deshalb wird in Fachkreisen die Integration weiterer Baumarten aus dem südeuropäischen, asiatischen oder auch nordamerikanischen Raum in hessische Wälder intensiv diskutiert. Dieser Ansatz ist nicht neu. Seit über 100 Jahren werden bereits die nordamerikanische Douglasie, Küstentanne oder auch Roteiche erfolgreich in Hessen angepflanzt. Doch welche weiteren Baumarten sind geeignet unseren Wald klimafit zu machen? Dieser Fragestellung geht die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt aktuell nach. Im Rahmen des aus dem Integrierten Klimaschutzplan Hessen 2025 geförderten Projektes „Anbauwürdigkeit und ökologische Zuträglichkeit Alternativer Baumarten für Hessen“ werden auf insgesamt vier Versuchsflächen 10 potenziell geeignete Baumarten, wie z. B. Türkische Tanne, Atlas- und Libanon-Zeder, Orient-Buche, Baumhasel, Tulpenbaum, Walnuss oder auch Esskastanie untersucht.

„Solche Versuchsanlagen sind für den Erkenntnisgewinn enorm wichtig. Fragen wie ‘Wie wächst die Baumart unter den gegebenen Standortsbedingungen?‘ und ‘Sind die Baumarten in unsere heimischen Waldökosysteme gefahrlos integrierbar?‘ können auf diese Weise beantwortet werden“ sagt Stefan Lieven, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. „Die Waldbesitzer sind zukünftig auf die Ergebnisse dieser Forschung angewiesen. Da vielerorts heimische Baumarten wie Buche und Fichte durch sich ändernde Umweltbedingungen an die Grenzen ihrer Lebensfähigkeit kommen werden, braucht es ökosystemverträgliche Alternativen für den Aufbau gemischter, klimastabiler Wälder.“ Die Versuchsanbauten sind dabei nur ein Baustein auf der Suche nach klimanagepassten Baumarten. Der Fokus der Forschung liegt verstärkt auch auf bisher selteneren heimischen und unter den bisherigen Bedingungen weniger konkurrenzstarken Baumarten. Diese werden unter dem Aspekt der Klimaanpassungsfähigkeit mutmaßlich deutlich an Bedeutung gewinnen.

Dazu gehören neben Elsbeere, Spitz- und Feldahorn, Flatterulme, Hainbuche sowie Winter- und Sommerlinde auch die bisher sehr seltene Flaumeiche und der Speierling. Als Ergebnis des gesamten Projektes sollen Entscheidungshilfen und Beratungsgrundlagen für hessische Waldbesitzende und den Waldnaturschutz geliefert werden, die neben einer fundierten Abschätzung von Potenzialen und Risiken auch eine möglichst genaue Eingrenzung des standörtlichen Einsatzbereiches klimaangepasster Baumarten in Mischung mit heimischen Baumarten ermöglichen.

Die Verantwortlichkeit für die Versuchsflächen liegt bei der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. Das Forstamt Darmstadt stellt hier lediglich die Fläche zur Verfügung um dieses Forschungsvorhaben realisieren zu können. Insgesamt gibt es vier „baugleiche“ Versuchsflächen über ganz Hessen verteilt. So kann das Institut verschiedene, für den Großteil der hessischen Wälder repräsentative klimatische und standörtliche Begebenheiten abbilden.