Alsbach-Hähnlein, Sport

Die beiden Sportler aus Hähnlein auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere. Steffen (re.) und Christoph haben in ihrer Gewichtsklasse den Sieg mit nach Hause genommen. Foto: meli
15. März 2022 

Boxen in Las Vegas: Für zwei Hähnleiner der sportliche Jackpot

Die Brüder Steffen und Christoph Wackenhut haben bei weltgrößtem Amateurturnier gewonnen

ALSBACH-HÄHNLEIN/LAS VEGAS (tt), Elf Kilogramm hat Steffen Wackenhut seit November abgenommen. Bei seinem jüngeren Bruder Christoph sind es zehn. Es braucht hartes Training und reduzierte Mahlzeiten, um bis zum Wettkampf ins körperliche Limit zu passen. Der Anlass: das größte Turnier für Amateurboxer, das am 26. und 27. Februar in las Vegas stattgefunden hat. Für viele ein einmaliger Traum, der in Erfüllung geht. Schon die Teilnahme ist eine Krönung. Fazit: Es hat sich gelohnt. Beide Sportler haben in ihrer Gewichtsklasse einen Sieg mit nach Hause genommen. Der 36-jährige Christoph war im Mittelgewicht bis 75 Kilogramm gestartet, sein vier Jahre älterer Bruder ist Halbschwergewichtler. Zwei Sportler aus Hähnlein auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere.

Seit Januar war eine konsequente Vorbereitung angesagt, um punktgenau für das dritte Masters Invitational fit zu sein, das mit über 200 Boxern in der Spielermetropole im Bundesstaat Nevada die Aufmerksamkeit des Genres auf sich gezogen hat. Das weltweit größte Boxturnier für Amateure. Die Brüder aus Südhessen waren mit ihrer Bewerbung erfolgreich. Allein die Zusage war ein Ritterschlag. „Wir wollen einen Gürtel mitnehmen“, hatten sie sich vor dem Abflug vorgenommen. „Wir fliegen nicht dorthin, um nach drei Monaten hartem Training zu verlieren“, so Steffen. Die letzten Wochen vor dem Trip verbrachten sie in größtmöglicher Isolation, um sich nicht kurz vor dem Start eine Infektion einzufangen. Auch das Interview findet am Bildschirm statt. Zwischen täglichen Einzeltrainings – und ständigen Corona-Tests. Im Fokus: Kondition, Technik, und hartes Sparring. Täglich zwei Einheiten, dazu Kardiotraining und Laufen am Fuße des Melibokus. Und eine radikale Diät. „Nichts“, antwortete Christoph Wackenhut mehr als einmal auf die Frage seiner Freundin, was es heute Abend zu Essen gäbe. Auch an Weihnachten war für die Boxer Süßes in jeder Form tabu. Viele Abstriche für das große Ziel zwölf Flugstunden Richtung Westen.

Und die Perspektiven? „Es ist für Deutsche recht schwer, in den USA zu gewinnen“, so Steffen Wackenhut. Der Kampfstil sei dort ein härterer. Weniger Technik, mehr Kraft und Stärke. Trotzdem überwog der Reiz, einmal in Las Vegas dabei sein zu können. Also haben die Brüder an der Ausschreibung teilgenommen, ihre Lizenzen vorgelegt und über ihre Wettkampferfahrung berichtet.

Die Tickets für das Masters wurden entsprechend freudig beklatscht. Auch beim KSC Bensheim, wo beide seit vielen Jahren boxen. Der Vorsitzende Reginald Schulze ist enorm stolz auf die Kollegen, die mit Cheftrainer Morrison Owusu in die Staaten geflogen sind. Die Crew wurde bewusst klein gehalten, denn so ein Projekt kostet richtig Geld. Einige tausend Euro sind da schnell beisammen. Die Hähnleiner haben sich daher intensiv um Sponsoren gekümmert. So wie die ganz Großen der Szene. Auch in ihre Ausrüstung mussten sie noch ein paar Dollar investieren. Denn der US-Amateur-Boxing-Verband als Ausrichter schreibt unter anderem vor, dass Kopfschutz und Handschuhe vom eigenen Sponsorpartner stammen.

Boxen in Vegas: der Strip ist ein Hotspot des Sports. Man denkt an Evander Holyfield, Mike Tyson, Muhammad Ali, „Sugar“ Ray Leonard oder Wladimir Klitschko. Und an das Caesars Palace, das Convention Center oder die MGM Grand Garden Arena. Standesgemäß haben sich die Hähnleiner Zimmer im MGM Grand gebucht. Eine gute Adresse. Am 23. Februar kam die Reisgruppe dann in Las Vegas an. Zwischenstopp in Dallas. Was für ein Trip: Weil in Texas ein Schneesturm tobte – das ist selten genug – wurden 200 Flüge über diesen Flughafen gestrichen. Die Maschine der Boxer kann landen. Glück gehabt.

Nach einer kurzen Phase zum Akklimatisieren stand am Freitag das Wiegen auf dem Programm. Und schon wieder wartete eine Zitterpartie: Steffen war etwas zu leicht. Zudem zeigt sich sein Körper dehydriert, der Blutdruck war erhöht. Doch am Ende gibt der Doc sein OK. Der Weg in den Ring war frei. Samstag ertönte der erste Gong. 1500 Zuschauer in der Arena. Beide gewinnen ihren ersten Kampf deutlich. Steffen sogar per knock-out. Auch die weiteren Runden verlaufen gut, die Boxer sind motiviert und kommen gut mit dem Kampfstil ihrer Turnierpartner zurecht.

Im Finale siegt Steffen in der dritten Runde, nachdem er seinen Gegner bereits in der zweiten schon fast zu Boden geschickt hatte. Christoph siegt kampflos, weil sein Kontrahent seine Finalteilnahme zurückgezogen hatte. Vielleicht aus Respekt. Denn der Südhesse hatte sich in den Fights zuvor enorm treffsicher und physisch stark präsentiert. Ihr Ziel in las Vegas haben die Brüder jedenfalls erreicht. Entsprechend war das Hochgefühl danach.

„Ihr Jungs sein fantastisch“, zeigte sich sogar der mehrfache WBC-Weltmeister und Olympiasieger von 1992 in Barcelona schwer beeindruckt von der Leistung der Boys aus Germany. Der irisch-US-amerikanische Boxer Wayne McCullough gratulierte den beiden zu ihrem Erfolg. Der in der Szene auch als „Pocket Rocket“ bekannte 51-jährige Sportler gilt als Legende und lebt seit Jahren in Las Vegas, wo die Wackenhuts noch den Rest der Woche verbracht haben. Dort genossen die beiden dann auch ihr erstes Bier nach drei Monaten. Das war mehr als verdient.

Zuhause kennt man die Brüder auch als Aktivposten bei den Hähnleiner Kerweborsch. Fragt sich nur, was die größere Herausforderung ist: Kerwevadder in Hähnlein oder Boxen in Las Vegas. Für den Job in der Heimat muss man wenigstens nicht hungern. Und auch der Biergenuss ist weniger reglementiert.