Alsbach-Hähnlein, Bauen und Wohnen

Der Architektenentwurf zeigt die Hähnleiner Schule in ihrem jetztigen Zustand und wie das Gelände nach den Umbauarbeiten aussehen soll.
29. September 2019 

„Das “Grüne Wohnzimmer” Hähnleins ist in Gefahr!“

Baumbestand und Freifläche der Hähnleiner Grundschule sollen dem Neubaugebiet weichen – Interview mit Pressesprecherin der Bürgerinitiative „Raum und Baum“ Anja Garbe

ALSBACH-HÄHNLEIN, September 2019 (meli), Michèle Bernhard: Warum wurde die Bürgerinitiative „Raum und Baum“ gegründet?

Anja Garbe: Die Idee zur Gründung einer Bürgerinitiative ist aus verschiedenen Gesprächen zwischen Eltern von Kindergarten- und Schulkindern entstanden. Wir Eltern fühlten uns vor den Kopf gestoßen, da die Planungen, den Kindergarten und eine Mensa für Krippen- bis Grundschulkinder auf dem Gelände der Grundschule Hähnlein neu zu bauen, schon sehr konkret und weit fortgeschritten schienen. Die Verlegung des Kindergartens bietet unserer Ansicht nach keinerlei Mehrwert. Außerdem wurden Alternativen wie Umbau oder Erweiterung des bestehenden Kindergartens nicht ernsthaft in Erwägung gezogen und geprüft. In den Elterngesprächen ergaben sich viele neue Ideen, Anregungen und Perspektiven. Es reifte der Entschluss: hier muss etwas unternommen werden! Zuerst wurde eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen, um unsere Bedenken der Gemeindevertretung deutlich zu machen. In den ersten drei Wochen haben bereits mehr als 700 Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unterschrift ihrer Solidarität Ausdruck verliehen. Das sind immerhin fast 30% der Wahlberechtigten von Hähnlein.

Michèle Bernhard: Warum nennt sich die Bürgerinitiative „Raum und Baum“?

Anja Garbe: Lebensqualität und Umweltschutz. Diese beiden Schlagworte treffen unser Anliegen auf den Punkt. Der Wegfall der einzigen, innerörtlichen und öffentlich zugänglichen Grünfläche mit ihrem schönen alten Baumbestand bedeutet für viele Bürgerinnen und Bürger, und zwar durch alle Altersgruppen, den Verlust von Lebensqualität mit weitreichenden Folgen für spätere Generationen. Durch die Planung der Gemeinde würden ca. 75% der „grünen Lunge Hähnleins“ wegfallen. Allein fünf der großen Bäume im Alter von bis zu 60 Jahren auf dem Areal der Schule und des Kindergartens binden ca. 20t Co2 und produzieren bis zu 14t Sauerstoff in einem Jahr. Das entspricht dem Sauerstoffbedarf von 50 erwachsenen Personen. Durch die Flächenversiegelung ist von einem Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen im Ortsgebiet um 0,5°C pro Jahr auszugehen. Auch eine Aufforstung an anderer Stelle bringt hier mittelfristig keine Abhilfe, denn neue Bäume gleichen diese Ökobilanz nicht aus. Der Spielplatz „Am Alten Neckarbett“ zeigt deutlich die Probleme, die bei einer Neubepflanzung entstehen. Auch dort wurden alte Baumbestände abgeholzt, was dazu führte, dass Kinder der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind und kein natürlicher Schutz mehr vor der Sonne besteht. Die Gemeinde versucht seit 10 Jahren erfolglos neue Bäume anwachsen zu lassen.
Des Weiteren sehen wir das Schulgelände als kulturellen Raum. Im Gespräch mit den damaligen Gemeindevertretern wurde betont, dass beim Bau der Grundschule vor 50 Jahren bewusst eine große Fläche in der Mitte des Ortes gewählt wurde, um Kindern das zu geben, was sie brauchen: Platz! Platz zum Spielen, Sport treiben, Toben oder Feste feiern. Über Generationen hinweg haben Bürgerinnen und Bürger mit großem Einsatz und viel Eigeninitiative den Schulhof so gestaltet wie er heute ist. Es hängt nicht nur Geld, sondern viel Herzblut und Emotionen an dem Ort. Der Schulhof und die Sportstätten werden intensiv von Kindern, Jugendlichen, Familien und von Vereinen zum sicheren freien Spielen oder für Veranstaltungen genutzt. Es handelt sich um einen Ort der Begegnung und des Miteinanders und ist mehr als nur ein „Pausenhof“.

Michèle Bernhard: Würde dieser kulturelle Raum verloren gehen?

Anja Garbe: Als Reaktion auf die Bürgerinitiative hat die Gemeinde am 15.08.2019 zu einem Bürgerdialog geladen, in welchem die Planung erläutert wurde. Nach der Planung der Gemeindeverwaltung sollen die bestehenden Sportstätten und der Pausenhof dem Kindergarten- und Mensaneubau weichen und in reduzierter Größe an anderer Stelle auf dem Areal neu errichtet werden. Auf unsere konkrete Frage, wer für die Kosten der neu zu bauenden Sportstätten aufkommt, haben wir keine Antwort erhalten. Man verweist einzig auf den Kreis als Träger. Auf Anfrage beim Kreis wurde erklärt, dass zurzeit keine konkrete Planung oder Mittelbereitstellung für eine solche Baumaßnahme besteht. Es ist zu befürchten, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Sportstätten in der bekannten Art nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Michèle Bernhard: Es gab also einen Dialog mit der Gemeindeverwaltung?

Anja Garbe: Von einem echten Dialog auf Augenhöhe war nichts zu spüren, es handelte sich dabei eher um eine Infoveranstaltung, in welcher die beschlossene Planung durch die Gemeindevertretung vorgestellt wurde. Unsere Argumente, sowie die Argumente von Schule, Kindergarten und Vereinen wurden – wie zuvor auch in kleineren Gesprächsrunden – nicht ernst genommen und vom Tisch gewischt und die gestellten Fragen blieben unbeantwortet. Im Grunde wurde den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern erklärt, dass die Planung alternativlos sei und mit der Umsetzung begonnen werde.

Michèle Bernhard: Sind sie denn gegen den Neubau des Kindergartens?

Anja Garbe: Nein im Gegenteil, wir sehen auch den dringenden zusätzlichen Raumbedarf für den Kindergarten Hähnlein. Zumal durch das geplante Neubaugebiet und geburtenstarke Jahrgänge zukünftig mit einer größeren Anzahl von Kindern zu rechnen ist. Allerdings ist uns die aktuelle Planung einfach zu kurzfristig gedacht. Die vermeintliche Einsparung durch die Verlegung des Kindergartens auf das Schulgelände, wird in 5 bis 10 Jahren massive Folgekosten und Probleme mit sich bringen. Durch das Neubaugebiet, geburtenstarke Jahrgänge und weiteren Zuzug in die Gemeinde wird zuerst der Kindergarten und mit nur wenigen Jahren Versatz die Grundschule mehr Platz benötigen. Zu berücksichtigen ist hier auch der angedachte Ausbau zur Ganztagsschule. Wird das Areal jetzt zugebaut, nimmt man der Schule den Freiraum zur Weiterentwicklung. Eine Erweiterung bzw. ein Neubau auf dem derzeitigen Gelände ist aus unserer Sicht daher die bessere Variante und hält für die Zukunft alle Optionen offen. Außerdem ist es für Viele unverständlich, dass ein erst 40 Jahre altes Gebäude mit solider Bausubstanz, gewachsener Flora und großen schattenspenden Bäumen, in welches über die Jahre etliches an Investitionen und Eigeninitiative geflossen ist, komplett abgerissen und durch einen Wohnblock für bis zu 6 Parteien mit Tiefgarage ersetzt werden soll. Es ist nicht zeitgemäß, in dieser Weise mit Ressourcen und der Umwelt umzugehen.

Michèle Bernhard: Was ist ihre abschließende Forderung?

Anja Garbe: Ein echter Dialog mit einem neutralen, externen Moderator, in dem mögliche Alternativen erörtert und anhand von Zahlen und Fakten gegeneinander abgewogen werden. Auch bisher nicht berücksichtigte Optionen wie die Erweiterung des Kindergartens am bestehenden Standort müssen in Betracht gezogen werden. Das erklärte Ziel muss es sein, zu einer Lösung zu gelangen, bei der die Belange der Bürgerinnen und Bürger, der Schule, des Kindergartens und der Vereine ernsthafte Berücksichtigung finden und die unserer Verpflichtung zum nachhaltigen, ökologischen Handeln gerecht wird.

Das Interview hat geführt:
Dr. Michèle Bernhard, Soziologin
Heidelberger Landstraße
64297 Darmstadt

Anja Garbe ist Sprecherin der BI
Odenwaldring
64665 Alsbach-Hähnlein