Der Gäulschesmacher im Odenwald
Harald Boos betreibt mit seiner Frau das Familienunternehmen Holzspielwaren A. Krämer in Beerfurth/Reichelsheim bereits in vierter Generation
REICHELSHEIM, Dezember 2023 (dz), In vielen Familien gehört es zur Tradition, dass jedes Kind, das in der Familienwiege liegt, im Familientaufkleid die Taufe empfängt und das der jüngste Spross eine Zeit das „Ouwewäller Gäulsche“ reitet, auf dessen Rücken bereits der Ur-Großvater zum Ausritt im Kinderzimmer Platz nahm.
Auch wenn das traditionelle Gewerbe oft schon totgesagt wurde, so zeigt sich es gerade in dieser Zeit, dass es nicht nur Bestand hat, sondern viele Vorteile. Durch die fortschreitende Technisierung, auch im Spielwarensektor, werden elektronische Bauteile, Werkstoffe oder das komplette Produkt in Fernost gefertigt und müssen erst umständlich und in diesen Zeiten auch teuer nach Europa und in den Handel gebracht werden.
Bei Harald Boos geht auch in diesem Jahr alles seinen gewohnten Gang und über die in den letzten Monaten extrem gestiegenen Holzpreise macht sich der „Gäulschesmacher“ aus Beerfurth noch keine Gedanken.
„Mein Holz muss mindestens zwei Jahre trockenen bevor ich es verarbeite“, so Boos. Mit seiner Frau betreibt er das Familienunternehmen Holzspielwaren A. Krämer in vierter Generation mit seinem Ladengeschäft neben der Tankstelle am Anfang des Reichelsheimer Ortsteils Beerfurth. Dahinter befindet sich sein Lager und die Werkstatt, aus der heute die meisten Odenwälder „Gäulsche“ stammen. Früher gab es im Odenwald viele Gäulschesmacher, doch mit dem Zeitalter des Blechspielzeug, Kunststoff und Elektronik nahm das Interesse an dem Handgemachten bald ab und viele Betriebe schlossen in der Region.
Nicht so das Familienunternehmen, welches seit 1899 an der Herstellung des Brauchtumsspielzeug festhält. Heute gibt es rund 10 verschiedene Pferdegrößen mit dem für das Odenwälder „Gäulschen“ typischen Walzenkörper und dem stark stilisierten auftreten. So gebaut steht das „Ourewäller Gäulsche“ mit seinem soliden Körper fest auf vier Beinen und hält auch so manchen wilden Ritt aus. Aber die gute Qualität hat auch seinen Nachteil, wie er zu berichten weiß und zeigt auf einige ältere Holzpferde, welche derzeit bei ihm zum Auffrischen sind. „Wir haben im Ort eine Familie, die haben vor 105 Jahren ein Schaukelpferd gekauft und das wird bis heute von einer Generation zu anderen weitergegeben. Es funktioniert nicht nur noch, sondern ist auch sonst ohne Makel“, erzählt Harald Boos.
Meist kommen die Familienstücke für ein bisschen Farbauffrischung und die Erneuerung der Schweifhaare zu ihm. Und im Geiste dieser Handwerkskunst sind auch die neuen „Gäulsche“ gefertigt. Hierbei setzt er nicht nur auf Holzqualität, sondern auch darauf, dass alle Bäume aus der Region stammen. „Die Buchen, welche ich habe, kommen aus Fränkisch-Crumbach, die Pappel von Beerfelden und die Kiefer aus Hiltersklingen“, erinnert er sich.
In einem 14-tägigem Zyklus werden aus den gut durchgelagerten Bäumen fertige Gäulsche. „Handgefertigte Massenproduktion“ witzelt Boos, denn es werden immer erst für die geplante Größe alle Beine, Bäuche, Köpfe und Stehplatten ausgeschnitten, dann zusammengesetzt und bemalt. Als Vorlage gelten immer noch die alten Schablonen, um das Spielzeugpferd zuzusägen und zu bemalen. „Wir arbeiten mit Wasserlacken, welche CE geprüft und auch Speichel & Schweiß echt sind und damit unbedenklich für Kinder.“ Neben den beliebten Odenwälder Gäulsches gibt es auch andere selbstgefertigte Holzprodukte, wie Bollerwagen, Schubkarren und Steckenpferde. Mehr Infos unter www.gaeulschesmacher.de
Kontakt:
Holzspielwaren A. Krämer , Siegfriedstr. 60, 64385 Reichelsheim, Tel. 06164 – 15 11.
Öffnungszeiten: Mo., Mi., Do. und Fr. von 9 bis 18 Uhr, Sa 9 – 14 Uhr und So 11 – 14 Uhr.