Garten-Natur-Tiere, Seeheim-Jugenheim

Die richtige Schnitttechnik erläuterte Vorstandsmitglied und Fachwart für Obstbau Dr. Max Wagner. Foto: soe
13. April 2023 

Grüner Daumen – blühende Wiesen

Winterschnittkurs beim Obst- und Gartenbauverein Malchen | Verein feiert 70-jähriges Jubiläum

MALCHEN, April 2023 (tt), Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich aus dem verwilderten Acker eine vitale Streuobstwiese entwickelt haben wird. Doch das schmale Terrain hat Potenzial. Es liegt südlich des Friedhofes in Malchen gleich neben der Hochwasserschutzanlage und bietet auf knapp 600 Quadratmetern genügend Raum für eine fruchtige Artenvielfalt. Im November letzten Jahres wurden nach umfassenden Rodungsarbeiten zehn Obstbäume gepflanzt. Jeweils zwei Pflaumen- und Birnen- sowie sechs Apfelbäume. Vorwiegend ältere heimische Sorten. Der Anfang ist gemacht.

„Wir haben uns für Halbstämme entschieden“, sagt Heinz-Werner Zeller. Damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Zeller engagiert sich seit 2016 als Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Malchen und freut sich, dass der Verein mit dem im Sommer erworbenen Areal erstmals über eine eigene Fläche verfügt. Anfang März haben sich dort einige Mitglieder zum Winterschnittkurs getroffen, den der Verein – neben der Sommervariante – regelmäßig anbietet, um das handwerkliche Know-how zu vermitteln. Der Zeitpunkt im ausklingenden Winter oder frühen Frühjahr ist besonders geeignet, da sich die Bäume dann noch in der Winterruhe befinden. Vor allem an jungen und mittelalten Gewächsen wird gezeigt, wie man Triebe korrekt kappt und Faulstellen vermeidet. Beim Pflege- und Formschnitt geht es aber nicht nur eine schöne Form, sondern auch um einen kräftigen Wuchs mit reichlich Blüten, um solide Erträge zu erzielen. Gerade junge Obstbäume sollten nicht zu verzweigt wachsen und nur wenige Triebe haben.

Der Verein verfügt über mehrere ausgebildete Baumwarte in seinen Reihen. Auf diese Weise kann das Wissen auf kurzen Wegen weitergegeben werden. Dr. Max Wagner hat den jüngsten Schnittkurs geleitet. Als Fachwart für Obstbau ist er ein wichtiger Ansprechpartner und Mitglied des Vereinsvorstands, der sich aktuell auf die Veranstaltung zum 70-jährigen Jubiläum vorbereitet. Am 25. Juni ab 11 Uhr soll der runde Geburtstag in oder an der Bürgerhalle in Malchen gefeiert werden, wie der Vorsitzende mitteilt. Die Obst- und Gartenfreunde sind mehr als erleichtert, dass der Termin auf einen Zeitpunkt fällt, an dem es keinerlei Einschränkungen mehr gibt. Die Pandemie hatte auch das Vereinsleben in Malchen ausgebremst. In der Regel finden jedes Jahr mindestens zwei Vorträge zu verschiedenen Fachthemen statt. Alle zwei Jahre werden Informationsfahrten organisiert. In diesem Jahr ist ein Ausflug zur Landesgartenschau nach Fulda geplant. Pflanzenschnitt- und Veredlungskurse ergänzen das Programm der Hobbygärtner, die sich am 13. Dezember 1953 formiert hatten zu einer Zeit, in der der Nebenerwerbsobstbau an der Bergstraße florierte. In der Nachkriegsphase wollten die Menschen dadurch ihren Lebensstandard verbessern. Wachsender Wohlstand und der steigende Import besserer Qualitäten machten es jedoch bald schon erforderlich, die eigenen Produkte diesen hohen Standards anzupassen.

Ein bösartiger Pilzbefall an den Obstgehölzen in der Gemeinde Malchen führte letztlich dazu, dass sich auf Einladung von Kurt Neumann ein lokaler Verein gründete. Der Impulsgeber wurde zum ersten Vorsitzenden Neumann. Ein gebürtiger Brandenburger, der nach einer landwirtschaftlichen Lehre, die er kriegsbedingt nicht zum Abschluss bringen konnte, sowie nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1946 aus Frankreich eher zufällig nach Südhessen kam. In Ober-Ostern ließ sich Kurt Neumann zum Baumwart ausbilden, bevor er in Malchen seine spätere Frau kennenlernet, mit der er eine Familie gründete, aus der vier Söhne hervorgingen.

Stattliche 45 Jahre lang führte er den Verein – eine enorme Zeitspanne, die aus heutiger Perspektive auf das Ehrenamt kaum noch denkbar erscheint. 1998 wurde Rudi Nehrbaß zu seinem Nachfolger gewählt, nach weiteren 20 Jahren rückte Heinz-Werner Zeller an diese Position. „Ein großes Erbe“ betont er – auch mit Blick auf die langen Amtszeiten seiner Vorgänger. 70 Jahre mit drei Vorsitzenden, das ist durchaus eine Rarität in der Vereinslandschaft.
Doch Zeller möchte auch im Jubiläumsjahr nicht nur in die Vergangenheit schauen. Denn der Obst- und Gartenbau ist eine Nische, der es an Nachwuchs mangelt. Das Durchschnittsalter der aktuell 73 Mitglieder rangiert im oberen Bereich, junge Leute sind schwer zu begeistern. Eine Chance sieht Schriftführerin Monika Zeller in einem deutlich gewachsenen Bewusstsein der Menschen für regionale Lebensmittel und generell heimische Produkte, was mit einer gesteigerten Sensibilität auch gegenüber Obst und Gemüse einhergeht. Hinzu kommen globale Entwicklungen wie der Klimawandel. Themen wie Nachhaltigkeit und eine schonende Nutzung von Ressourcen befeuern eine ökologische Idee, mit der sich immer mehr junge Menschen identifizieren können. Der Verein könnte mittel- bis langfristig davon profitieren. „Schön wär´s!“ kommentiert Heinz-Werner Zeller, der mit seiner Frau in Alsbach lebt.

Die Angebote des Vereins finden noch immer großen Zuspruch unter den Mitgliedern und Interessierten. Im Zuge von veränderten Richtlinien und Gesetzen im Bereich der Schädlingsbekämpfung sind umweltschonende Maßnahmen und ein biologischer Anbau immer mehr in den Vordergrund gerückt, betont der Vorsitzende. Der Verein möchte diese Herausforderungen annehmen, weitere Erfahrungen sammeln und diese an Mitglieder, Freunde und Nachbarn weitergeben, sagt er. Durch neue Mitglieder will man die grüne Idee in die Zukunft tragen und die lange Biografie des Vereins weiterführen. Als Mitglied des Kreisverbands Darmstadt zur Förderung des Obstbaus sowie der Garten- und Landschaftspflege (KOGL) mit Sitz in Modautal sind die Malchener in der Region bestens vernetzt. Die angeschlossenen Obst- und Gartenbauvereine haben so die Möglichkeit, sich einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. In enger Zusammenarbeit mit den Ortsvereinen geht der Verband regelmäßig an Schulen und Kindergärten mit dem Ziel, Kinder schon frühzeitig an die Natur heranzuführen.

Aber auch zuhause bleibt es spannend. Der Verein will die Streuobstwiese weiter aktiv gestalten. Unter anderem soll dort eine Bienenweide angelegt werden mit Pflanzen, die von den Insekten für die Erzeugung von Honig bevorzugt werden. Sie sind besonders reichhaltig an Nektar und Pollen und werden deswegen häufig von Honigbienen angeflogen. Denn Gäste begrüßen die Gartenfreunde immer gern. Kleine ganz besonders.