Auto und Mobiles, Zwingenberg und Rodau

Eine digitale, vierspurige 29m lange Carrerabahn mit Boxengasse und Spurwechsel haben die Mitglieder der Carrera-Gruppe des MSC Zwingenberg gebaut. Foto: soe
17. September 2021 

Heiße Rennen in Zwingenberg

Motor-Sport-Club hat jetzt eine Carrerabahn im Angebot

ZWINGENBERG, September 2021 (tt), Surrende Sportwagen, schwarze Rennstrecke und heiße Temporegler in der feuchten Hand: Da werden Kindheitserinnerungen wach. Die Carrerabahn war der heimische Klassiker für minderjährige Piloten. Wer in den 70er und 80er Jahren etwas auf sich hielt, und noch keinen Führerschein besaß, der steuerte schnittige Ferraris, Porsches und Lamborghinis durch das enge Kinderzimmer. Der Kurs bestand meistens aus einer kompakten 8. Nur Cracks und verwöhnte Klassenkameraden hatten ein umfangreiches Ausbauset mit Steilkurven, Loopings und sonstigen Schikanen.

Mit knapp 29 Metern Länge, vier Spuren und richtiger Boxengasse ist die Zwingenberger Anlage ein elektrisierender Traum für Mini-Hamiltons und Möchtegern-Verstappens. Seit kurzem steht das Meisterwerk unterm Dach der örtlichen Vereinslagerhalle. Wer sie einmal ausprobiert hat, der muss gestehen: die Konstrukteurs-Wertung geht klar an den lokalen Motor-Sport-Club. Oliver Nickel, Sven Künz und Michael Schneider aus dem Vorstand des MSC wollten dem Verein eine weitere Attraktion hinzufügen und haben innerhalb eines Jahres ganze Arbeit geleistet. Der Rundkurs ist gleichzeitig mit bis zu sechs Autos im Maßstab 1:32 und 1:24 befahrbar und beeindruckt mit spannenden Gimmicks wie Pit Lane, Zeitmesser und einer digitalen Tankfunktion, die den Piloten zum rechtzeitigen Nachfüllen zwingt und somit ein zusätzliches strategisches Bonbon darstellt.

Wer den Drücker in der Hand hat, ist praktisch schon verloren. Die Bahn bietet genau die richtige Mischung aus engen Kurven und langen Geraden, was aufregende Überholmanöver und taktische Manöver ermöglicht. Zum Spaße am Tempo gesellt sich beim MSC ein umfangreiches Fahrerlager mit Rennwägen aller Couleur. Der Fuhrpark gehört den Gastgebern. Testfahrer können aber auch eigene Flitzer mitbringen. „Wir möchten die Anlage Interessierten zur Verfügung stellen“, so Sven Künz. Der zweite Vorsitzende will mit seinen Kollegen künftig auch Schnupperkurse, regelmäßige Events und Vereinswettkämpfe organisieren. Wenn es die Situation erlaubt. Es war wie im großen Rennzirkus: Acht der geplanten 22 Grands Prix sind letztes Jahr verschoben worden, der Große Preis von Monaco und die Rennen in Belgien und Australien wurden abgesagt. Auch der MSC musste eine längere Corona-Pause überstehen. Bereits im Frühjahr 2019 hatte sich der Vorstand fast komplett neu aufgestellt. Der Nachwuchs steckte die Köpfe zusammen und überlegte, ob man neben dem Jugendkart nicht eine weitere Disziplin ins Vereinsleben integrieren könnte.

Und weil in den eigenen Reihen gleich mehrere Carrera-Cracks waren, lag die Entscheidung nahe. Dann wurde die erste Testphase von der Pandemie ausgebremst. Im Sommer 2021 sollte die Saison durchstarten. Doch die Ausfahrt aus der Corona-Krise gestaltet sich auch im Kleinen schwierig. „Wir wollten die Anlage jetzt mal der Öffentlichkeit präsentieren“, so Michael Schneider, der hofft, dass sich die Piste zu einem Renner im doppelten Sinne entwickeln wird. Die Jungs im Fahrerlager legen viel Wert auf das Detail. Die Bahn ist erstklassig montiert und fixiert. Bandenwerbung, Zuschauertribünen und realistische Accessoires runden den Kurs ab.

Auf ein Tuning der Autos wird verzichtet. Lediglich die speziellen Ortmannreifen sind aufgezogen. Ein Sonderzubehör für Insider. Diese Schlappen sind nicht aus Gummi wie die Originale, sondern aus Polyurethan und haben auf der Schiene somit deutlich mehr Gripp. Bei der Vorstellung der Universal-Baureihe von Carrera-Pionier Hermann Neuhierl im Jahr 1963 gab es diese Spezialreifen noch lange nicht. „Zigarren“ nennen Fans die Autos aus der Gründerzeit, wegen ihres schmalen Rumpfs mit frei stehenden Rädern. Der dunkelgrüne Lotus war für eine ganze Generation das erste Auto überhaupt. Dynamischer war bis dato noch kein anderes elektrisches Spielzeug. Und plötzlich sah die Modelleisenbahn ganz alt aus.

Wenn der Fahrer zu viel elektrische Energie auf die im Schlitz liegenden Stromschienen gab, flogen die Slotcars mit Heckantrieb in Kurven und Schikanen aus der Bahn. Oder sie machten eine coole Drehung und fuhren in die andere Richtung. Carrera sorgte für die ersten Geisterfahrer-Erlebnisse im sicheren Wohnzimmer. Und auch die Marke war gefährdet. Ab Mitte der 80er Jahre begann nach dem Freitod des Erfinders ein wirtschaftlicher Schlingerkurs, die Konkursmasse wurde von einem anderen Hersteller übernommen. Unter österreichischer Regie knüpfte die Marke im neuen Jahrtausend wieder an frühere Erfolge an. Carrera wurde digital. Mit drahtlosen Handreglern, optimieren Rundenzählern und Spurwechsle bei Full Speed per Knopfdruck.

Der Streckenrekord in Zwingenberg liegt derzeit bei 5,2 Sekunden. Die Rennsportler vom MSC hoffen, dass die Faszination Carrera bald möglichst barrierefrei auf andere überspringen wird. Bei Interesse kann man sich melden. Anfragen nimmt Michael Schneider entgegen: m.schneider@auto-schneider.com