11. November 2020 

Keimendes Wissen: Leckeres Buffet für heimische Tiere

Pilotprojekt des Landkreises an vier Schulen startet auch an der Bickenbacher Hans-Quick-Schule

BICKENBACH, November 2020 (pes), Kann man Tiere pflanzen? Diese, auf den ersten Blick etwas sonderbare Frage, stellten sich jetzt 18 Schüler der Klasse 3c an der Bickenbacher Hans-Quick-Schule. Die Antwort lautet: ja! Allerdings haben die Jungen und Mädchen keine Lebewesen gesät und gepflanzt, sondern Wildpflanzen, die der heimischen Tierwelt als kostbares Buffet dienen. Es ist ein ökologisches Pilotprojekt, das der Landkreis Darmstadt-Dieburg im Oktober auf den Weg gebracht hat. Unter fachlicher Anleitung wurden an fünf Schulen im Kreisgebiet artenreiche Flächen angelegt, die von den Kindern über die nächsten zwei Jahre gepflegt und beobachtet werden. Ziel der Initiative ist, jungen Menschen die Bedeutung der Biodiversität für den Kreislauf der Natur im wahrsten Sinne „vor Augen“ zu führen.

Und auch der kritische Blick auf die bedrohte Artenvielfalt soll in diesem Langzeitprojekt geschult werden: Wie wirkt sich der Klimawandel aus? Und was kann man auch im Kleinen dafür tun, um die Schöpfung zu bewahren? Das Team der Biologin und Naturgartenplanerin Dr. Eva Distler aus Mühltal kennt die Antworten.

Sie ist vor Ort für die Umsetzung verantwortlich. Weitere Teilnehmer sind die Hahner-Schule in Pfungstadt, die Gundernhäuser Schule in Roßdorf-Gundernhausen und die Otzberg-Schule in Otzberg-Lengfeld. Der Prozess ist überall gleich: Vor den vier Praxistagen an der jeweiligen Schule wurden die ausgewählten Flächen vor der Turnhalle und dem Verwaltungsbau fachkundig vorbereitet und von Rasenbewuchs befreit. Mit frischem Substrat neu angelegt. Dann lernten die Kinder, dass jede einzelne Pflanzenarten zu jeder Jahreszeit in unterschiedlichen Entwicklungsstadien zu beobachten ist und sich dabei immer wieder andere Tiere einfinden. Vor allem Insekten sind im Visier der jungen Naturforscher, die ökologische Themen auch im Unterricht behandeln.
An der Hans-Quick-Schule steht dafür ein besonderer Rahmen zur Verfügung: Das grüne Klassenzimmer. Die kleinen Gärtnerinnen und Gärtner werden ihr Wissen im Rahmen dieses verzahnten Umweltkonzepts regelmäßig durch Plakate, Ausstellungen und kleine Vorträge an andere Klassen weitergeben, wie Schulleiterin Beate Hunfeld erläutert.

Als ökologisch wertvoller Lernort ist das grüne Klassenzimmer an der ganztägig arbeitenden Schule ein Raum, in dem Schüler von der Vorklasse bis zu Klasse 4 die sie umgebende Natur mit allen Sinnen erfahren, kindgerecht Verantwortung für Pflanzen und Tiere übernehmen und eigene Gestaltungsmöglichkeiten reflektieren. Dabei soll auch das eigene Ernährungsverhalten kritisch beobachtet werden. Das Projekt bereichert den fächerübergreifenden Unterricht in allen Lernfeldern und lädt außerdem zum Spielen und Entspannen in den Pausen und Mittagszeiten ein. „Viele unserer Kinder haben kaum die Möglichkeit, Pflanzen und Tiere ganz bewusst beim jahreszeitlichen Wachsen zu beobachten“, begründet die Schulleiterin die Initiative, die bereits mit dem Schuljahr 2016/17 gestartet war und jetzt um einen weiteren Baustein reicher ist.

Laut Beate Hunfeld passt das sehr gut zum Konzept der „Kinderrechte-Schule“, das in Bickenbach seit acht Jahren nicht nur definiert ist, sondern auch gelebt wird. Die Pädagogen möchten Kindern zur Mitsprache, zur Mitgestaltung und Mitverantwortung inspirieren und eine Lernumgebung schaffen, in der die individuellen Bedürfnisse und Erfahrungen aller Schüler in die Unterrichtsgestaltung einbezogen werden. „Jeder Mensch, klein wie groß, hat das Recht, in der Natur zu sein, sie zu schützen und achtsam mit dem Leben umzugehen.“

An der neu angelegten Grünfläche können die Kinder ihr aufkeimendes Wissen vermehren und Insekten wie Hummeln, Schmetterlingen, Schwebfliegen und Bienen in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Allein von der Brennnessel sind 25 Schmetterlingsarten existentiell abhängig, erfuhren die Schüler an den ersten Praxistagen. Das Problem dabei ist, dass viele heimische Schmetterlinge und Wildbienen auf überzüchteten Zierpflanzen keine Nahrung mehr finden. Von den beliebten Steingärten ganz zu schweigen. Auf solchen komplett versiegelten Flächen finden Insekten rein gar nichts von dem, was sie zum Leben brauchen.
Gleichzeitig tragen naturnahe Grünflächen dazu bei, die Folgen des Klimawandels zu dämpfen, indem sie Hitzewellen oder die Folgen von Starkregenereignissen abschwächen. Durch die Sauerstoffproduktion und die Verdunstung wird das Aufheizen verhindert und heiße Sommertage werden erträglicher. Durch die Bindung von Feinstaub bewirken naturnahe Grünflächen eine Verbesserung der Luftqualität und dienen auch als CO2-Senken.

Naturnahe Grünflächen sind jedoch nicht nur ein wirkungsvolles Instrument zur Klimawandelanpassung, sondern auch selbst davon betroffen. Die Auswahl geeigneter Arten wird immer mehr zu einem entscheidenden Faktor. Durch die Verwendung heimischer Wildpflanzen, die durch eine hohe Regenerationsfähigkeit und gute Anpassungsfähigkeit gekennzeichnet sind, kann die Grünflächengestaltung wesentlich besser an die Auswirkungen des Klimawandels angepasst werden.

Die Schüler werden die Pflanzen und ihr Werden und Gedeihen verfolgen und dokumentieren. Weitere Praxistage sind im Frühjahr und im Sommer 2021 geplant. Ein vierter dann im Sommer 2022. „Ich bin sehr gespannt, wie unser Garten in einem Jahr aussehen wird“, so einer der Drittklässler. Und auch Beate Hunfeld ist gespannt darauf, welche Tiere sich bald auf dem Gelände heimisch fühlen und den Schulalltag bereichern werden.

Das Projekt wird durch das Land Hessen im Rahmen der „Richtlinie zur Förderung von kommunalen Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekten sowie von kommunalen Informationsinitiativen“ gefördert.