Seeheim-Jugenheim

Der Seeheimer Seeheimer Drumcoach Gerald Kloos im Interview. Foto: soe
14. Mai 2024 

Kraftakt zwischen Leidenschaft und Work-Life-Balance!

Als Instrumentallehrer im sich wandelnden Musikbusiness bestehen | Ein Interview mit Drumcoach Gerald Kloos aus Seeheim

SEEHEIM-JUGENHEIM, Mai 2024 (meli), Gerald Kloos ist ein erfahrener Musiker mit internationalen CD-Veröffentlichungen, Schlagzeuglehrer und Diplom-Psychologe, der nach zwei Jahrzehnten der Tätigkeit als Drumcoach in einem Frankfurter Vorort, 2022 nach Seeheim, in den Wohnort seiner Kindheit und Jugend, zurückgekehrt ist und in der Bergstraße 7 neben dem Restaurant „Zum Löwen“ seine neuen Unterrichtsräumlichkeiten eingerichtet hat.

Melibokus Rundblick hat mit dem erfahrenen Musiker, der mit zahlreichen international bekannten Musikern gearbeitet hat, über das sich wandelnde Musikgeschäft sowie die Auswirkungen für Instrumentallehrer, junge und etablierte Bands sowie die Hersteller von Instrumenten gesprochen.

MR: Gerald, was macht das Schlagzeug für dich zu deinem Instrument erster Wahl?
Gerald Kloos: Ich liebe das Schlagzeugspiel. Das Drumset ist für mich das faszinierendste Instrument, es verbindet Kopf und Körper wie kein zweites. Pointierter ausgedrückt: es verbindet Ordnung und Chaos. Alles im Universum ist Rhythmus, die Taktung der Straßenbahn, die Umlaufzyklen der Planeten oder der Abstand der Silben eines Nachrichtensprechers. Wer tieferen Einblick in das Schlagzeugspiel erhält, nimmt die Welt – das ist nicht übertrieben – völlig neu und wesentlich differenzierter wahr.

MR: Der regionale Musikalienhandel, aber auch weite Teile der Musikinstrumenteindustrie befinden sich in einer Krise, wie nimmst Du die aktuelle Marktsituation als Instrumentallehrer wahr?
Gerald Kloos: Dem Musikalienhandel macht seit Jahren das Preisdiktat von ein bis zwei großen deutschen Online-Anbietern für Musikinstrumente immens zu schaffen. Das Musikhaus Crusius in Darmstadt existiert nicht mehr und der markanteste Paukenschlag der letzten Monate war das Ende von Just Music dem größten Musikgeschäft Berlins, ein riesiges Traditionshaus in einer der musikalisch aktivsten Städte. Nicht minder dramatisch ist die Lage für diverse Schlagzeughersteller. Produkte in höheren Preisbereichen die nennenswerten Gewinn versprechen würden, werden weniger verkauft. Mit Instrumenten im Einstiegsbereich ist aufgrund großer Konkurrenz und knallharter Preiskalkulation aber kaum Gewinnmarge zu erzielen. Dies bewirkt eine immense Innovations- und Investitionszurückhaltung diverser Hersteller und trotzdem steigen die Preise. Viele Käufer weichen auf den Gebrauchtmarkt aus. Ein Teufelskreis! Hinzu kommt, dass heute Menschen jeden Alters unzählige Selbstverwirklichungsoptionen außerhalb der Musik zur Verfügung stehen. Die Zeiten wo es in nahezu jeder Schulklasse von vierzehn bis neunzehnjährigen zwei oder drei Gitarristen, einen Bassisten und einen Schlagzeuger gab, also Idealbedingungen, um im Jugendalter eine Band zu gründen, sind vorbei.

MR: Wie sieht es aus mit Auftrittsmöglichkeiten für Bands und Musiker an der Bergstraße?
Gerald Kloos: Die Corona-Jahre waren für viele Kulturschaffende dunkel-schwarze Jahre. Dieses Tal ist glücklicherweise überwunden. Trotzdem ist durch die dramatische Haushaltslage vieler Kommunen kaum an kulturelle Förderung von Musik – und sei es durch das zur Verfügung stellen von Proberäumen – zu denken. Es gibt einzelne Privatinitiativen und Vereine im Rhein-Main-Gebiet, wie z.B: den Kulturbahnhof Weiterstadt, die mit viel Engagement und Herzblut Live-Auftrittsmöglichkeiten durch „Open Stages“ bieten. Etwas vergleichbares wünsche ich mir schon lange für Seeheim oder Alsbach. Es scheitert leider vor allem an den Räumlichkeiten. Die Immobiliensituation an der Bergstraße ist desaströs. Proberäume für Bands sind faktisch nicht existent oder unbezahlbar. Dies hat natürlich dramatische Auswirkungen auf die Möglichkeiten junger Musiker sich in Bands, in der Interaktion mit anderen Musikern zu erproben. Soziale Interaktion, insbesondere das Team-Verhalten, die gemeinsame Zielsetzung und –Erreichung, wenn in jungen Jahren nicht erlernt, vermag der beste Teamcoach der Welt im Erwachsenenalter selbst bei teurer Firmenfortbildung nicht mehr herauszuarbeiten.
Anmerkung der Redaktion: Leser die Proberäume zur Verfügung stellen können, die im bezahlbaren Rahmen für Bands nutzbar wären, oder Bands die sich den Proberaum mit anderen Bands teilen möchten, dürfen sich gerne an die Redaktion wenden unter: redaktion@melibokus-rundblick.de.

MR: Allen Widrigkeiten zum Trotz, Du verbreitest viel Lebensfreude bei deinem Instrumentalunterricht!
Gerald Kloos: Ich denke die Liebe zur Musik ist generationsübergreifend ungebrochen. Ich habe seit Jahrzehnten mehr Anfragen, als ich Schüler aufnehmen kann. Es ist immer die Hingabe, Qualität und die Authentizität die letztlich mitentscheidet, wer in rauer Marktlage übersteht.

MR: Apropos Hingabe, Du betreibst den Unterricht und das Schlagzeugspiel mit viel Leidenschaft und wirktest auch mit Schlagzeug- und Cymbalherstellern zusammen.
Gerald Kloss: Mein erstes Drumset mit 14 Lebensjahren war ein völliger Fehlkauf, es war qualitativ sehr schwach. Dies aber bewirkte, dass ich fortan alles um das Thema Drums wissen wollte. Diese Begeisterung für alles was mit dem Schlagzeugspiel zusammenhängt trägt mich bis heute, hat mir Besuche zu namhaften Drumherstellern in Japan und China ermöglicht, viele Kontakte zu Firmen, Vertrieben, Musikern, Fachzeitschriften – mir quasi ein internationales Netzwerk geschaffen. Auf jenes greife ich bis heute zurück. Oftmals auch zum Wohle meiner Drumschüler oder Kollegen, die ich beim Schlagzeugkauf, ob gebraucht oder neu, gerne berate. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Ich habe seit Jahrzehnten eine sechzig plus X Stundenwoche, arbeite sieben Tage die Woche, die Mehrzahl dieser Stunden ist faktisch unbezahlt. Kontakte herstellen, Beratungen zu Instrumenten, Noten und Drumvideos erstellen etc. das alles ist sehr, sehr zeitintensiv.

MR: Welchen Tip hast Du für junge aufstrebende Talente?
Gerald Kloos: Beharrlich an der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und insbesondere an der Wahrnehmung arbeiten. Die Neugierde bewahren. Wer im Umfeld ein neues Instrument erwirbt, jenen fragen, ob man mal vorbeischauen kann? Jede Interaktion mit anderen Musikern und neuen Instrumenten bildet einen Musiker wieder ein kleines Stück weiter. Wer dies über viele Jahre verfolgt und auch fleißig übt, hat – „schwupps“ – eines Tages das was man in der Wissenschaft als „Expertenwissen“ bezeichnet.

Herr Kloos vielen Dank für das Gespräch!

Webadresse: www.schlagzeugunterricht-seeheim-jugenheim.de