Alsbach-Hähnlein, Bauen und Wohnen

Mitte April 2024 hatte die letzte Stunde der Hähnleiner Bauernkirche geschlagen. Das Wahrzeichen am Ortsausgang, das nicht zu übersehen war, ist weg. Foto: Eva M. Wicht
14. Mai 2024 

Landmarken verschwinden!

Bauernkirche und „Hochständer“: In Hähnlein wurden zwei markante Bauwerke abgerissen

ALSBACH-HÄHNLEIN, Mai 2024 (raha), Gleich zwei Landmarken sind kürzlich bei Hähnlein verschwunden: Der Strommast am „Langwäder Eck“ und die „Bauernkirche“ an der Quelllache. An der Landstraße nach Langwaden existierte direkt an der Kreisgrenze zur Bergstraße seit den 50er Jahren der sogenannte „Hochständer“.

Da er sehr nahe an der Kurve stand, musste der später entstandene Radweg einen „Schlenker“ um den Mast machen. Der „Hochständer“ war ursprünglich dafür vorgesehen, den Strom zu verteilen, deshalb war er massiver gebaut als die anderen Masten. Er erfüllte aber anscheinend nie seinen Zweck. Jedenfalls ist keine abzweigende Leitung bekannt. Viele Jahre diente der „Hochständer“ als Anlaufpunkt beim Grenzgang der Hähnleiner! Die Feuerwehr hatte dort ihren Imbiss aufgebaut und versorgte die Grenzgänger mit Spezialitäten aus der Gulaschkanone. Als der Ständer gebaut wurde, war er der höchste und dickste Strommast weit und breit. Die parallel verlaufende Bahnleitung war winzig dagegen. Das änderte sich zu Beginn der 80er Jahre, als die neuen Masten zum Atomkraftwerk Biblis erbaut wurden. Mit über 120 m Höhe überragten die Giganten den „Hochständer“ um ein Vielfaches! Die Größe der neuen Riesenmasten war auf den geplanten Bau des dritten Atom-Reaktors, dem sogenannten „Block C“ ausgelegt und daher von vorn herein deutlich überdimensioniert! Die kleinere Bahnleitung wurde in den 90ern erneuert und konnte nun auch mit Masten aufwarten, die etwa doppelt so hoch sind als die alten Ständer. Nun werden wieder einmal neue Masten gebaut, die jetzt parallel zueinanderstehen und die alte Leitung aus den 50ern ersetzen sollen. Deshalb werden die Alten gerade demontiert. An der Stelle des „Hochständers“ kommt aber kein neuer Mast mehr hin. Ob der Radweg nun begradigt wird und seinen „Schlenker“ verliert, konnte nicht ermittelt werden. Vielleicht wird er im Zuge des Straßen-Neubaus mit umgebaut.

Die andere Landmarke befand sich links an der Landstraße von Alsbach kommend, ca. 800 m vor dem östlichen Hähnleiner Ortseingang und hatte im Volksmund den Namen „Bauernkirche“. Kurioserweise gibt es diesen Namen nur in Hähnlein, in den umliegenden Orten ist das alte Getreidesilo als „Bauerndom“ bekannt gewesen. 1975 wurde der Speicher von der damaligen landwirtschaftlichen Genossenschaft der Spar- und Darlehenskasse erbaut, um den Landwirten eine Speichermöglichkeit für ihr Getreide zu bieten. Da der Getreidepreis in der Erntezeit stark variierte, konnte man so auf einen höheren Gewinn spekulieren und so lange lagern, bis die Preise wieder stiegen. Auch bestand neben der Lagerung noch die Möglichkeit zur Trocknung und Reinigung des Getreides.

Vor dem Standort gegenüber der neuen Hähnleiner Feuerwehr wurde noch eine stählerne Rüben-Umlade-Anlage gebaut. So konnten die Futter- und Zuckerrüben von den kleinen „Rollen“ in große LKW`s umgeladen werden. Diese Umlade-Anlage wurde Mitte der 90er Jahre demontiert, da die Rüben mittlerweile durch eine sogenannte „Rübenmaus“ direkt auf LKW`s verladen werden. Die „Bauernkirche“ ging nach dem Rückzug der „Raiffeisen-Zentrale“, wie die Spar- und Darlehenskasse mittlerweile hieß, an den Hähnleiner Futtermittelhändler Reinhard Nickel. Mit der Hilfe des ehemaligen Raiffeisen-Mitarbeiters Karl-Albert Schäfer wurde weiterhin Getreide angenommen, getrocknet und gereinigt. Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Karl-Albert Schäfer zu Beginn der Jahrtausend-Wende übernahm für Futtermittel-Händler Nickel ein Mitarbeiter aus Allmendfeld und später der Hobby-Landwirt Thomas Exner die Dienstleistung für die Landwirte. Zum Schluss war Lothar Müller der Ansprechpartner für die Agrarier an der Bauernkirche. Da sich die Landwirtschaft geändert hat und das Getreide mittlerweile in großen LKW-Zügen direkt vom Mähdrescher weg transportiert wird, hat sich die Funktion des Silos erübrigt. In den letzten Jahren blieb der Getreidespeicher ungenutzt und ist seitdem stark verfallen. Auch Vandalismus hatte dazu beigetragen!

Die Gemeinde Alsbach-Hähnlein hatte Interesse an dem Gelände, um dort einen Nahversorger zu platzieren. Das Vorhaben scheiterte vor allem am Einspruch der Stadt Zwingenberg und des Regierungspräsidiums. Vor etwa drei Jahren wurde die „Bauernkirche“ privat verkauft. Der neue Eigentürmer plant das Grundstück für Ackerbau zu nutzen.