15. März 2022 

Mehr Wohnraum als Herausforderung der nächsten Jahre

Zwingenberger Rathauschef Holger Habich bei Podiumsdiskussion in Frankfurt

ZWINGENBERG, März 2022 (tt), Dass die Moderatorin Zwingenberg spontan in den Odenwald versetzt, hat der Bürgermeister mit einem kaum erkennbaren und in seiner subtilen Art unmöglich interpretierbaren Lächelns wortlos kommentiert. Man darf es der stellvertretenden Direktorin des Deutschen Architekturmuseums natürlich nicht übel nehmen, wenn sie nicht jede kleine Kommune ad hoc – gleich eines Online-Kartendienstes – auf den Meter genau verorten kann. Im weiteren Gespräch hat Andrea Jürges die Lage des ältesten Bergstraßenstädtchens mehrfach geografisch präzisiert und zudem nicht wenig Interesse gezeigt, selbst einmal in Zwingenberg vorbei zu schauen.

Rathauschef Holger Habich hat aber auch viel Werbung gemacht bei der Podiumsdiskussion, die Anfang Februar als zweiter Teil der Reihe „Vier mal vier“ online über den Livestream des Museums via YouTube ausgestrahlt wurde. In dem Format diskutieren Repräsentanten von jeweils vier Kommunen aus dem Rhein-Main-Gebiet über Städtebau, Wohnen und Leben in der Region. Sie alle sind in der Landesinitiative GROSSER FRANKFURTER BOGEN vereint mit dem Kernziel, mehr bezahlbare Wohnungen in lebenswerten Quartieren für heute und morgen zu schaffen. Auch Zwingenberg ist seit 2020 Partnerkommune in dem Programm der Hessischen Landesregierung zur Förderung der Wohnraumentwicklung in der Rhein-Main-Region.

Neben Habich saßen daher auch Vertreter aus den Städten Frankfurt, Heusenstamm und Kelsterbach mit auf dem Podium. Namentlich waren dies Beate Huf aus dem Stadtplanungsdezernat Frankfurt, Steffen Ball als Bürgermeister von Heusenstamm und sein Kelsterbacher Amtskollege Manfred Ockel. Von ihnen wollte Andrea Jürges wissen, was für sie eine gute Wohn- und Lebensqualität ausmacht und welche Maßnahmen vor Ort unternommen werden, um den Menschen „ein gutes Zuhause“ zu sein, wie es der Titel der Veranstaltung fragend in den Raum gestellt hatte. So richtig beantwortet wurde sie nicht.

In der Talkrunde offenbarte sich allerdings wiederholt, dass es eine kleine Kommune wie Zwingenberg mit seinen größeren Nachbarn (im weiteren Sinne) durchaus aufnehmen kann. Vor allem in punkto Lebensqualität. Neben dem Weinbau und den lokalen Festchen erwähnte Habich auch den Zwingenberger Abendmarkt, der im Kontext der Cittaslow-Initiative entstandenen war und sowohl Einkaufsmöglichkeit wie auch kommunikativer Treffpunkt ist. Da hörten die Kollegen aus Frankfurt schon einmal genauer hin.

Auf die Frage, was die Großstadt von dem kleinen Zwingenberg lernen könne, sagte Habich, dass die urbanen Zentren ihre angestammten „dörflichen Oasen“ nicht vergessen dürften, die nicht nur, aber insbesondere auch in den Stadtteilen zu finden sind. Seiner Meinung nach müsse man diese sogar noch betonen, um die besondere Typik dieser Orte zu betonen und zu erhalten. Interessanterweise muss sich Zwingenberg auch in Sachen Bevölkerungsdichte nicht hinter den anderen verstecken. Zwar zählt die Kommune nur rund 7300 Einwohner, doch das macht pro Quadratmeter etwa 1200 Personen. Und auch die verkehrsgünstige Lage, die relative Nähe zu den Hochschulen in der Umgebung und die Präsenz weniger, dafür aber prominenter Unternehmen wie der BRAIN Biotech AG seien handfeste Argumente für ein lebenswertes Quartier, das landschaftlich am Westhang des Odenwalds verortet ist, wie es der Bürgermeister später noch einmal genauer definiert hat.

Im weiteren Dialog ging es um Stadtentwicklung, Teilhabe, Bürgerbeteiligung und Wohnraum – ein in allen vertretenen Kommunen wichtiges Thema. Ausdrücklich warnte Holger Habich vor einer Gentrifizierung von Stadtteilen durch Luxus-Sanierungen oder hochwertige Umbauten mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Schichten verdrängt wird. Man müsse darauf achten, dass nicht nur für „die Reichen und Schönen“ ein Angebot vorhanden ist. Kaufpreise von einer Million Euro für ein normales Einfamilienhaus seien an der Bergstraße durchaus keine Utopie. Perspektivisch könne eine Stadt wie Zwingenberg eine gute Balance für alle Zielgruppen wohl nur sicherstellen, wenn sie selbst aktiv wird oder mit Hilfe einer Baugenossenschaft bezahlbaren Wohnraum schaffe, so der Rathauschef in der Frankfurter Runde.